Ist die Hauptschlagader, auch Aorta genannt, erheblich erweitert, liegt ein sogenanntes Aortenaneurysma vor. Droht es zu platzen, kann es für die Betroffenen lebensbedrohlich werden. Das Tückische: Die meisten ahnen nichts von der Gefahr, in der sie schweben. Denn Aneurysmen entwickeln sich langsam und zunächst ohne Symptome, weshalb sie oft unerkannt bleiben.
Die Aorta ist das größte Blutgefäß im menschlichen Körper. Sie transportiert das Blut vom Herzen durch den Brust- und Bauchbereich bis ins Becken. Von ihr führen Gefäße ab, die den gesamten Körper mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen. Seit kurzem wird die Aorta auf Gund ihrer Bedeutung für den Körper sogar als eigenes Organ bezeichnet. Beim erwachsenen Menschen hat die Hauptschlagader in der Regel einen Durchmesser von 2,5 bis 3,5 Zentimeter und eine Länge von 70 bis 80 Zentimeter. Allerdings kann es aufgrund verschiedener Ursachen zu einer krankhaften Gefäßerweiterung im Brustkorb oder Bauchraum kommen. „Je größer der Durchmesser, desto höher ist die Gefahr, dass das Aneurysma platzt“, weiß Univ.-Prof. Dr. med. univ. Christian Uhl, der seit Januar 2024 die Klinik für Gefäßchirurgie an der Uniklinik RWTH Aachen leitet.
Männer sind deutlich häufiger betroffen
Das Schicksal, das bereits berühmte Persönlichkeiten wie Albert Einstein und Charles de Gaulle ereilte, teilen rund 250.000 Menschen in Deutschland. Jedes Jahr erkranken mehr als 30.000 Personen an einem Aortenaneurysma. Die meisten von ihnen sind älter als 65 Jahre alt. Dabei sind Männer deutlich häufiger betroffen als Frauen.
Wie jedes Gewebe im Körper büßt auch unser größtes Blutgefäß mit zunehmendem Alter an Elastizität ein. Wie stark die Gefäßwand der Aorta letztlich verschleißt, hängt von der individuellen Gesundheit ab. In den meisten Fällen ist eine ausgeprägte Arterienverkalkung, Arteriosklerose, die Ursache für ein Aortenaneurysma. „Zusätzliche Risikofaktoren sind ein hoher Blutdruck, Rauchen und erhöhte Blutfettwerte“, warnt Prof. Uhl. Aber auch genetische Erkrankungen, Gewebeschwächen sowie bestimmte Infektionskrankheiten können die Entstehung eines Aneurysmas begünstigen.
Warnzeichen, auf die Sie achten sollten
In den meisten Fällen bereiten Aortenaneurysmen keine Beschwerden und werden daher nicht rechtzeitig erkannt. Erst mit zunehmendem Durchmesser des Blutgefäßes, wenn die sich ausdehnende Aorta auf benachbarte Organe, Nerven oder Muskeln drückt oder sich Blutgerinnsel bilden, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass Symptome auftreten. „Typisch sind starke Rückenschmerzen, stechende, anhaltende Schmerzen im unteren Bauch gefolgt von Verdauungsbeschwerden, Übelkeit, Schweißausbrüchen und einem schnellen Puls bis hin zum Sekundentod“, so der Gefäßspezialist. Ist die Hauptschlagader auf Höhe des Brustkorbs erweitert, können neben Brustschmerzen auch Symptome wie Heiserkeit oder Schluckstörungen und Atemnot auftreten.
„Meist wird ein Aneurysma im Rahmen einer anderen Untersuchung zufällig entdeckt“, verrät der Experte. Die Diagnose kann durch spezielle bildgebende Verfahren wie eine Ultraschalluntersuchung des Bauches und des Herzens, eine Computertomographie (CT) oder eine Magnetresonanztomographie (MRT) bestätigt werden. „Mit diesen schmerzlosen und einfachen Untersuchungsmethoden können wir bereits kleine Aneurysmen gut erkennen“, sagt Prof. Uhl.
Bei Aortenriss muss es schnell gehen
Wohl in kaum einem anderen medizinischen Fall eignet sich der Vergleich zur tickenden Zeitbombe so gut, wie bei einem Aneurysma der Brust- und der Bauchschlagader. Denn in der Tat kann eine größere Aussackung der Gefäßwand der Aorta jederzeit lebensgefährlich werden, wenn sie platzt. In diesem Fall benötigen die Patientinnen und Patienten innerhalb weniger Minuten Hilfe, um nicht zu verbluten.
Rechtzeitig erkannt, ist ein Aortenaneurysma gut behandelbar – sei es mittels endovaskulärer Therapie oder einer Operation. Die Wahl der Behandlung hängt dabei unter anderem von der betroffenen Stelle des Aneurysmas, seiner Form beziehungsweise Größe sowie vom Alter und möglichen Vorerkrankungen des Patienten ab. „Der medizinische Fortschritt hat in den letzten 20 Jahren die therapeutischen Möglichkeiten der Gefäßchirurgie enorm erweitert“, so der Klinikdirektor. Zwar sind die konventionellen Operationsmethoden nach wie vor bei einigen Patienten unentbehrlich, es zeigt sich jedoch ein eindeutiger Wandel in Richtung der endovaskulären Chirurgie. „Bei Letzterem führen wir über Punktionen der Leistenschlagader eine sogenannte Stentgraftprothese, eine Gefäßstütze, in die Arterie ein. Dieses mit einer undurchlässigen Membran umhülltes Drahtgeflecht, das die Aortenwand von innen verstärken soll, schieben wir langsam vor bis zu der ausgesackten Stelle. Dort fixieren wir den Stent, um die Schlagader zu schienen und das Aneurysma auszuschalten“, erklärt Prof. Uhl das minimalinvasive Vorgehen. Die Stentprothese nimmt den Druck von der Aorta und verhindert so die Ruptur. „Dieser Eingriff hat ein geringeres Komplikationsrisiko und ist für den Patienten deutlich schonender als die offene Operation. Die endovaskuläre Behandlungsmethode kommt in nahezu 80 Prozent aller Fälle in unserer Klinik zum Einsatz“, so der erfahrene Mediziner. Ist das nicht möglich, muss offen operiert werden. Hierbei wird der Brust- beziehungsweise Bauchraum von außen geöffnet, um die betroffene Stelle an der Aorta freizulegen. Je nach Ausdehnung der Pathologie wird die Operation mit oder ohne Herz-Lungenmaschine durchgeführt. Anschließend wird die defekte Stelle durch eine Kunststoffprothese vollständig ersetzt. Sowohl die offen-chirurgische als auch die endovaskuläre Versorgung der Aorta sollte an einem spezialisierten Zentrum erfolgen um für den Patienten die größtmögliche Expertise und Sicherheit zu bieten.
„In unserer Klinik bieten wir sowohl die endovaskuläre Behandlung als auch die offene Chirurgie der Aorta in der gesamten Bandbreite an, sodass wir für unsere Patientinnen und Patienten die individuell am besten geeignete Behandlungsmethode auswählen können“, betont Prof. Uhl.
Komplexe Aortenchirurgie erfordert Präzision, Erfahrung und moderne Ausstattung
Das Team der Gefäßchirurgie an der Uniklinik RWTH Aachen verfügt über eine langjährige Erfahrung in der endovaskulären und offenen Behandlung komplexer Aortenerkrankungen, zu denen neben Aortenaneurysmen unter anderem auch Aortendissektionen, also Einrisse der inneren Aortenwand, gehören. Die Aortenchirurgie stellt einen Schwerpunkt der Klinik dar. Durch fortgeschrittene Technik und standardisierte Operationsverfahren sind Operationen an der Hauptschlagader heute zur Routine geworden, die die Aachener Gefäßchirurginnen und -chirurgen mit ausgezeichneten Ergebnissen durchführen.
Diagnostik und Therapie erfolgen in einem hochspezialisierten, universitären Umfeld und werden in interdisziplinärer Zusammenarbeit durchgeführt. „Dank der engen Kooperation mit den Kolleginnen und Kollegen der Radiologie, Kardiologie, Herz- und Thoraxchirurgie können wir Erkrankungen von der Herzklappe bis in den Bauchraum sicher behandeln“, sagt der Gefäßchirurg.
Für die Eingriffe steht in der Uniklinik RWTH Aachen ein hochmoderner Hybrid-Operationssaal zur Verfügung, in dem mithilfe modernster Verfahren der virtuellen und dreidimensionalen Navigation ein Höchstmaß an Präzision bei operativen sowie minimalinvasiven Behandlungsmethoden erfolgen kann.