Mukoviszidose: wenn das Atmen zunehmend schwerer fällt

Atmen ist die normalste Sache der Welt? Nicht für jeden. Während die meisten von uns es einfach tun, ohne näher darüber nachzudenken, gibt es allein in Deutschland mehr als 8.000 Menschen, für die das Luftholen zur Qual wird. Sie leiden an der häufigsten vererbten Stoffwechselerkrankung: Mukoviszidose. apropos hat mit Dr. med. Eva Verjans, Oberärztin in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin an der Uniklinik RWTH Aachen, über diese seltene, aber schwerwiegende Krankheit gesprochen.

Bei der Mukoviszidose, auch Cystische Fibrose (CF) genannt, handelt es sich um eine multisystemische Erkrankung. Das bedeutet, mehrere Organe und Organsysteme sind betroffen. Lange galt Mukoviszidose als Krankheit des Kindes- und Jugendalters, doch heute sind mehr als die Hälfte der Patientinnen und Patienten hierzulande Erwachsene. Statistisch gesehen, tritt die Erkrankung bei einem von 2.000 Neugeborenen auf. Damit zählt die Cystische Fibrose zwar zu den seltenen Erkrankungen, dennoch ist sie eine der häufigsten Erbkrankheiten.

Gendefekt als Ursache

Mukoviszidose entsteht aufgrund eines Fehlers im Erbgut. „Genauer gesagt, wird sie durch eine Veränderung im sogenannten CFTR-Gen verursacht“, erklärt Dr. Verjans. Die Abkürzung CFTR steht hierbei für Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator. Der Gendefekt führt dazu, dass das CFTR-Protein in den Zellen – ein Kanal, der Chloridionen transportiert – nicht richtig funktioniert. Die Folge: Der Salz- und Wasserhaushalt im Körper gerät aus dem Gleichgewicht. Das führt dazu, dass Körpersekrete, wie etwa der Schleim in der Lunge oder die Flüssigkeit der Bauchspeicheldrüse, zähflüssig werden. „Daher kommt auch der Name ‚Mukoviszidose‘, der wortwörtlich ‚zäher Schleim‘ bedeutet“, so die Expertin.

Die Verschleimung beeinträchtigt verschiedene Organe in ihrer Funktion. Besonders deutlich zeigen sich die Auswirkungen in der Lunge. „Betroffene klagen meist über starke Atemprobleme. Der Schleim kann nicht gut abgehustet werden und begünstigt chronische Infektionen, die zu bleibenden Lungenschäden führen“, erläutert die Medizinerin. Aber auch die Funktion der Bauchspeicheldrüse, der Schweißdrüsen, der Leber, des Darms, der Gallenblase und der Fortpflanzungsorgane können massiv in Mitleidenschaft gezogen werden.

Etwa vier Prozent der deutschen Bevölkerung tragen eine Veränderung (Mutation) dieses CFTR-Gen in sich. „Doch nur wenn beide Elternteile ein mutiertes, defektes Gen auf einem Chromosom weitervererben, erkrankt ihr Kind“, erklärt Dr. Verjans.

Frühe Diagnose rettet Lebensjahre

Aufgrund dessen, dass Mukoviszidose genetisch bedingt ist, sind bereits Neugeborene von dieser Stoffwechselerkrankung betroffen. Doch nicht immer wird die Erkrankung sofort erkannt, denn die Symptome und ihre Ausprägung können sehr variabel sein und zu unterschiedlichen Zeitpunkten beginnen. Mögliche erste Hinweise sind – neben einem Darmverschluss bei Neugeborenen – ständiger Husten, Atemnot, wiederkehrende Infekte, chronische Nebenhöhlenentzündungen, Bauchschmerzen, fehlende Gewichtszunahme, fettige Stühle sowie ein verzögertes Wachstum im Kindesalter. „Je früher die Diagnose gestellt und mit der Therapie begonnen wird, desto günstiger wirkt sich das auf die gesundheitliche Entwicklung aus“, betont die Oberärztin. „Mittlerweile werden die meisten Kinder schon früh durch eine Mukoviszidose-Testung im Rahmen des Neugeborenen-Screenings identifiziert. Hierbei werden jedoch auch nicht alle betroffenen Kinder gefunden.“ Selten wird die Erkrankung auch erst im Jugendalter diagnostiziert, insbesondere dann, wenn die Patienten an einer recht milden Variante leiden.“

Neugeborenen-Screening

Seit 2016 ist die Testung auf Cystische Fibrose Teil des Neugeborenen-Screenings. Dabei handelt es sich um eine freiwillige Reihenuntersuchung auf verschiedene Stoffwechselkrankheiten, die nur nach Zustimmung der Eltern durchgeführt wird. Für das Screening entnimmt man Neugeborenen einige Tropfen Blut aus der Ferse und schickt sie in ein spezielles Labor. Hier wird der sogenannte IRT-Test (Trypsinogen-Test) durchgeführt. Fällt das Ergebnis positiv aus, erfolgen weitere Untersuchungen. „Erhärtet sich der Verdacht, folgt üblicherweise der sogenannte Schweißtest, bei dem wir den Chloridgehalt im Schweiß des Säuglings messen. Bei Mukoviszidose-Erkrankten ist dieser Wert erhöht. Liegt er über 60 Millimol pro Liter, gilt der Test als positiv und wird zur Kontrolle noch einmal wiederholt. Wird ein Wert unter 30 Millimol pro Liter festgestellt, so gilt eine Mukoviszidose-Erkrankung als unwahrscheinlich“, erläutert Dr. Verjans das Verfahren. Nur in etwa einem von fünf auffälligen Neugeborenen-Screenings ist der Schweißtest letztendlich positiv. Mittels eines Gentests kann die Diagnose dann endgültig gesichert und der ursächliche Gendefekt genauer bestimmt werden.

Behandlung setzt an mehreren Stellen an

Da sich die Ursache für Cystische Fibrose bislang nicht heilen lässt, zielt die Therapie vor allem darauf ab, die Symptome so weit wie möglich zu lindern und das Wohlbefinden der Patientinnen und Patienten perspektivisch zu verbessern. Auch das Fortschreiten der Krankheit kann mithilfe einer passenden Behandlung verlangsamt werden. „Da die Erkrankung sehr komplex ist, sollte sie, je nach Ausprägung, auf verschiedenen Ebenen behandelt werden“, empfiehlt die Medizinerin. Neben der Versorgung mit Medikamenten und teils auch intravenösen Behandlungen gehören regelmäßige Inhalationen, Physiotherapie, ein individuelles Trainingsprogramm sowie eine ausgewogene, hochkalorische Ernährung zum Therapiekonzept.

Durchatmen mit medikamentöser Unterstützung

„Die Inhalationstherapie stellt die wichtigste Säule der symptomatischen Behandlung von Mukoviszidose dar. Das Inhalieren entsprechender Wirkstoffe verflüssigt den Schleim und erweitert die Atemwege. Auf diesem Weg können auch andere Medikamente wie inhalative zielgenau in die Lunge eingebracht werden“, so Dr. Verjans. Intensive Physiotherapie mit speziellen Atemtechniken wie die sogenannte autogene Drainage oder Klopfmassage können zusätzlich das Abhusten erleichtern und die Lungenfunktion spürbar verbessern. Auch Sport und Bewegung wirken sich positiv auf den Gesundheitszustand, aber auch auf das Selbstbewusstsein der Erkrankten. „Viele Mukoviszidose-Patientinnen und -Patienten leiden unter Muskelschwund. Regelmäßiger Sport kann helfen, den Muskelaufbau und -erhalt zu fördern.“ Die Art der Aktivität ist dabei zweitrangig.

Ernährung und Bewegung sind wichtige Komponenten

Da sich bei Menschen mit Mukoviszidose ein erhöhter Salzgehalt im Schweiß und damit ein Salzmangel im Körper zeigt, kommt auch der Ernährung ein besonderer Stellenwert zu. „Neben den Atemwegsbeschwerden stellen Ernährungsdefizite und Mangelerscheinungen ein weiteres relevantes Problem dar. Aus diesem Grund sind eine hochkalorische, salzhaltige Kost sowie die Aufnahme fettlöslicher Vitamine für Erkrankte besonders wichtig. „Da bei den meisten die Bauchspeicheldrüse nicht richtig funktioniert, müssen sie parallel zu den Mahlzeiten Verdauungsenzyme einnehmen, damit die Nahrung besser aufgenommen und verarbeitet werden kann“, erklärt die Expertin.

Revolution in der Therapie

Die Mukoviszidose gilt bislang als unheilbar und war lange verbunden mit einer deutlich eingeschränkten Lebensqualität und Lebenszeit, doch die Prognose für Betroffene hat sich in den letzten Jahren massiv verbessert.

Vor einigen Jahren wurden die CFTR-Modulatoren entwickelt und auch in vielen Studien getestet, sodass schließlich nach und nach die Zulassung unterschiedlicher Produkte erfolgte. Diese Medikamente bewirken, dass der gestörte oder fehlende Chloridkanal wieder funktionsfähig wird und somit die Beschwerden der Erkrankung teilweise sogar nahezu verschwinden. „Während die Patientinnen und Patienten früher mit einem hohem Leidensdruck leben mussten und selten das Erwachsenenalter erreichten, vermuten wir aktuell, dass unter der Einnahme der CFTR-Modulatoren die Lebenserwartung wahrscheinlich in etwa der der Normalbevölkerung entspricht“, so Dr. Verjans. „Wir wissen noch nicht, wie die Medikamente bei Einnahme über viele Jahre wirken und dies werden auch erst unterschiedliche Studien über die nächsten Jahre zeigen, jedoch kann schon jetzt eine Revolution in der Therapie der Mukoviszidose beschrieben werden. Betroffene können Arbeitstätigkeiten wieder aufnehmen, sportliche Aktivitäten durchführen und sogar eine Familie gründen und Kinder bekommen“. Trotz dieses Erfolgs besteht weiterhin Forschungsbedarf, um langfristig auch eine komplette Heilung der Mukoviszidose zu erreichen. Die Forschung ist jedoch auf dem richtigen Weg.

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