Schlaf dient der Erholung. Für viele ist der nächtliche Schlaf aber kein Traum, sondern ein Albtraum – denn sie schlafen schlecht und fühlen sich am nächsten Tag gerädert. Vor allem Menschen, die unter Schlafapnoe leiden, erwachen am Morgen gestresst oder gereizt. Eine innovative Therapiemöglichkeit, die Hoffnung für Schlafapnoe-Patientinnen und -Patienten bietet, ist der sogenannte Zungenschrittmacher. Doch was genau steckt hinter dem kleinen Gerät, für wen ist es geeignet und wie kann es Betroffenen helfen?
Etwa ein Drittel unseres Lebens verbringen wir in der Waagerechten, um unsere „Akkus“ wieder aufzuladen. Einer der wichtigsten Gründe für unseren Schlafbedarf ist die Erholung und Regeneration unseres Körpers und Gehirns. Während wir schlafen, arbeitet unser Körper nämlich auf Hochtouren, um verschiedene Stoffwechselprozesse zu optimieren, das Immunsystem zu stärken, Infektionen zu bekämpfen oder Verletzungen zu heilen. Leider ist nicht jede oder jeder von uns in der Lage, erholsamen Schlaf zu finden. Einschlaf- oder Durchschlafstörungen sind weit verbreitet und können die Schlaf- und Lebensqualität erheblich beeinträchtigen.
Schlafapnoe: Schnarchen und nächtliche Atemaussetzer
Die sogenannte Schlafapnoe ist eine Schlafstörung, bei der es im Schlaf immer wieder zu längeren Atemaussetzern kommt, die zu Sauerstoffmangel und einem verlangsamten Puls führen. Wenn der Atem sekundenlang aussetzt, wird das Atemzentrum im Gehirn alarmiert und löst einen Weckreiz aus. Diese Unterbrechungen können einige Sekunden bis Minuten andauern und treten oft mehrmals pro Stunde auf.
„Die obstruktive Schlafapnoe, kurz OSA genannt, ist die häufigste Form dieser Schlafstörung. Dabei werden die Atemwege im Rachenbereich blockiert, wenn die Muskulatur der oberen Atemwege im Schlaf erschlafft. In der Folge kommt es zu Atempausen und einem verminderten Sauerstoffgehalt im Blut. Besonders die Zungenmuskulatur kann dabei so weit erschlaffen, dass sie nach hinten fällt und die oberen Atemwege verschließt. Dadurch kann keine Luft mehr in die Lunge strömen“,
erklärt Dr. med. Ariane Renson, Funktionsoberärztin in der Klinik für Hals-, Nasen-, Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie an der Uniklinik RWTH Aachen. Sie führt weiter aus: Ersticken kann man zum Glück nicht, denn das Atemzentrum im Gehirn überwacht auch im Schlaf unser Atemverhalten anhand der Blutgase Sauerstoff und Kohlendioxid und reagiert mit einer Alarmreaktion: Führt eine nächtliche Atempause zu einer bedrohlichen Veränderung der Blutgase, löst das Atemzentrum eine kurze Weckreaktion aus. Diese ist meist zu kurz, als dass sie bewusst wahrgenommen wird, sie wird in der Regel verschlafen. Durch das kurze Wecken spannen die Muskeln im Rachenbereich jedoch kurz an und der Atemweg wird frei, sodass die Luft wieder in die Lunge gelangt.“ Wer unter Schlafapnoe leidet, fühlt sich tagsüber oft müde, ist unkonzentriert und abgeschlagen. Langfristig erhöht sich dadurch unter anderem das Risiko für Bluthochdruck, Herzinfarkte oder Schlaganfälle.
„Da der Schlaf durch die wiederholten Aussetzer ständig unterbrochen wird, erreicht der Körper keine erholsamen Tiefschlafphasen. Betroffene schnarchen zudem oft sehr laut, was auch für ihre Partner belastend sein kann“, so die Medizinerin.
Lichtblick Zungenschrittmacher?
Die Standardbehandlung einer Schlafapnoe erfolgt mittels PAP-Therapie (Positive Airway Pressure). Dabei tragen Betroffene nachts eine Maske, die über einen Schlauch mit einem Gerät verbunden ist, das durch einen positiven Atemwegsdruck die Atemwege offenhält und die Atemaussetzer verringert. Dadurch ist der Schlaf nicht mehr von den ständigen Weckreaktionen unterbrochen und die Betroffenen erreichen die erholsame Tiefschlafphase. Für Patientinnen und Patienten, die an einer mittleren bis schweren Schlafapnoe leiden, einen BMI unter 35 kg/m2 aufweisen und bei denen weder die PAP-Überdruckmaske noch andere alternative Therapien wie zum Beispiel eine Unterkieferprotrusionsschiene erfolgreich waren, ist der Zungenschrittmacher, die sogenannte Hypoglossus-Stimulationstherapie, ein möglicher Lichtblick.
„Selbstverständlich erfolgt vor der mikrochirurgischen Implantation des Gerätes eine umfassende Diagnostik, um festzustellen, welche die Hauptursache der nächtlichen Atemaussetzer ist. Dabei überprüfen wir unter anderem die oberen Atemwege mittels Schlafvideoendoskopie, um die Ursachen von Schnarchgeräuschen und Engstellen der Atemwege zu analysieren“, betont die Funktionsoberärztin.
Sollten die Betroffenen für eine Zungenschrittmacher-Therapie geeignet sein, stehen aktuell zwei Systeme zur Verfügung. Bei der unilateralen, atemsynchronen Stimulation des Unterzungennervs wird ein kleiner Generator im rechten Brustbereich eingesetzt, der während des Schlafs über eine unter der Haut verlaufende Elektrode die Zungenmuskulatur elektrisch stimuliert und gleichzeitig über einen weiteren Sensor die Atmung registriert. Bei der bilateralen kontinuierlichen Stimulation des Unterzungennervs wird der Stimulator unter dem Kinn implantiert. Die Elektroden werden mit beiden Unterzungennerven in Kontakt gebracht. Nachts wird der Generator durch einen externen Aktivierungschip betrieben, der mit einem Pflaster unter dem Kinn befestigt wird.
„Beide Therapien verfolgen das gleiche Ziel: die Verbesserung des Schweregrads der Schlafapnoe und die Verbesserung der schlafbezogenen Lebensqualität. Der Schrittmacher ist in beiden Fällen einfach zu bedienen und stimuliert mittels eines leichten Stromimpulses bestimmte Muskeln in der Zunge und im Rachen, damit sich die Atemwege nicht verengen. Diese sanfte Stimulation sorgt dafür, dass sich die Zunge nach vorne bewegt und nicht in den Rachen zurückfällt“, ergänzt Dr. Renson.
Da viele Patientinnen und Patienten die Überdruckmasken als unangenehm oder störend empfinden, erfordert der Zungenschrittmacher in der Regel keine zusätzlichen Geräte während des Schlafs. „Vor der Nachtruhe aktiviert man das Gerät per Knopfdruck oder durch Anbringen des Klebpflasters. Es arbeitet dann die gesamte Nacht über automatisch und man kann es am Morgen wieder ausschalten. Die Stärke der elektrischen Impulse lässt sich individuell anpassen, damit diese nicht als unangenehm empfunden werden. Durch die gezielte Stimulation des Unterzungennervs bleibt die Atmung in der Nacht stabil, das Schnarchen reduziert sich und Betroffene können in den meisten Fällen endlich wieder erholsam schlafen“, fasst die Expertin zusammen.