Wie Darmbakterien uns beeinflussen

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Unser Darm besteht aus Billionen von Bakterien. Sie unterstützen nicht nur die Verdauung der Nahrung, sondern haben wohl auch auf die Entstehung vieler Erkrankungen einen Einfluss. Immer mehr Menschen beschäftigen sich daher ausführlicher mit ihrer eigenen Darmgesundheit. Eine entscheidende Rolle spielen hierbei die sogenannten Probiotika. Für diese Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel geben Menschen zum Teil viel Geld aus, weil sie sich von der Einnahme eine gesündere Darmflora versprechen. Doch was können diese Produkte leisten und sind sie wirklich immer gesundheitsfördernd? apropos gibt Antworten.

Viele Erkrankungen, die unseren Darm betreffen, geben Medizinern und Forschern noch etliche Rätsel auf. Geschätzt bereiten vier bis zehn Prozent der Deutschen wiederkehrender Durchfall, Verstopfung, Blähungen und Krämpfe regelmäßig Probleme. Diese Beschwerden lassen sich zwar in der Regel gut diagnostizieren, aber Forscherinnen und Forscher kennen die Hintergründe der Beschwerden nur zum Teil. Genetische Veranlagungen, Infektionen, Stress, psychische Belastungen oder die Einnahme von Antibiotika gelten als bekannte Auslöser. Doch die vielfältigen Ursachen machen die Therapie oft schwierig, denn nicht jede Behandlung schlägt bei allen Patienten an. In den Fokus der Forschung rückt daher immer häufiger das sogenannte Mikrobiom – die Gesamtheit aller im Darm vorkommenden Mikroorganismen. Darunter versteht man die rund 100 Billionen Bakterien, die auf und in dem menschlichen erwachsenen Körper leben. Die Bakterien besiedeln die Haut, die Schleimhäute, den Mund, die Scheide, den Magen und natürlich den Darm. Insbesondere im Dickdarm lassen sich bis zu 1.400 verschiedene Arten nachweisen.

Das Zusammenspiel der Bakterien: Probiotika als Lösung?

Die winzigen Organismen wecken seit längerem das Interesse vieler Forscherinnen und Forscher. Lange nahm man an, dass die Bakterien ausschließlich für die Verdauung zuständig wären. Mittlerweile zeigen die wissenschaftlichen Untersuchungen aber, dass sie offensichtlich vielfältigere Aufgaben im Körper übernehmen. Sie beeinflussen wohl das psychische Wohlbefinden, das Körpergewicht, das Immunsystem und spielen anscheinend bei der Entstehung bestimmter Erkrankungen eine gewichtige Rolle. Forschende untersuchen hierbei beispielsweise den Einfluss auf Krankheiten wie Depression, Diabetes, Rheuma und das Reizdarm-Syndrom. Fest steht: Gerät das Mikrobiom aus dem Gleichgewicht, leidet bei Betroffenen die Gesundheit. Wie genau einzelne Wirkmechanismen ablaufen, muss die Wissenschaft aber noch genauer untersuchen. Die Mikrobiom-Forschung steht dabei noch am Anfang.

Tritt ein Ungleichgewicht in der Darmflora ein, greifen immer mehr Menschen zu dem Einsatz von Probiotika. Diese Nahrungsergänzungsmittel und Lebensmittel enthalten „gute“ Bakterien, die eine Gesundung der Darmflora fördern sollen. Die Wirkung der Probiotika im Körper kann laut Forschungsergebnissen vielfältig sein: Beispielsweise hemmen sie das Wachstum schädlicher Keime und deren Anhaftung an der Darmschleimhaut, stärken das Immunsystem, können Entzündungen lindern und verbessern die Darmtätigkeit. Reicht es also, bestimmte Gemüsesorten oder im Supermarkt erhältliche Joghurts zu essen, die mit einer entsprechenden Wirkung werben? In der Regel nicht, denn diese enthalten zwar Millionen der gewünschten Bakterien. Für eine nachhaltige Wirkung bedarf es dabei aber in der Regel höherer Dosierungen, damit ausreichend lebende Bakterien den Darm überhaupt erreichen können. Probiotika sind in der Apotheke erhältlich, aber vor allem die Wahl des richtigen Bakterienstammes ist teilweise nicht ausreichend erforscht. In der Regel fehlen fundierte Studien in der der Einsatz bei bestimmten Beschwerden einen positiven Effekt zeigt, Betroffene sollten sich daher unbedingt fachärztlichen Rat einholen, bevor sie einen Therapieversuch starten, um ihre Beschwerden zu lindern. Manche Bakterienstämme helfen beispielsweise bei Blähungen und Verstopfungen, während andere wiederum bei Durchfall angeschlagen haben. Da fundierte Studien fehlen, kann meist der Effekt bei dem jeweiligen Patienten nicht sicher vorausgesagt werden. „Trotzdem ist das Potential der Modulation der Darmflora enorm. Allerdings stehen wir mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen noch ganz am Anfang einer langen Entwicklung. Daher sollte aktuell die Therapie mit Probiotika noch sehr vorsichtig angegangen werden. Wir können daher aktuell nur feststellen, dass bei manchen die Therapie wirklich anschlägt, während sie bei anderen wiederum völlig wirkungslos ist“, so Prof. Univ.-Prof. Dr. med. Christian Trautwein, Direktor der Klinik für Gastroenterologie, Stoffwechselerkrankungen und Internistische Intensivmedizin (Med. III) an der Uniklinik RWTH Aachen.

Keine Universallösung

Für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bleibt hier also noch einiges zu erforschen. Oft stecken die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu einzelnen Bakterienstämmen noch zu sehr am Anfang, um allgemeine Therapieempfehlungen aussprechen und wissenschaftlich fundiert unterfüttern zu können. Einige Studien zeigen zudem, dass einzelne Probiotika bei gestörten Darmbarrieren problematische Folgen haben können und – beispielsweise bei dem Einsatz nach der Gabe von Antibiotika – die Gesundung der Darmflora verzögern oder gar schädigen können. Die natürliche Regenerierung des Darms lieferte bei Kontrollgruppen in diesen Studien ebenfalls genauso gute bis bessere Ergebnisse. Probiotika sollten daher nicht als ein Allheilmittel betrachtet werden, sondern ihr Einsatz sollte immer durch eine fachmännische Beratung und Behandlung begleitet werden. Insbesondere aber bei Antibiotika-assoziierten Durchfallerkrankungen ließen sich in Studien eine hohe Wirksamkeit auf den Krankheitsverlauf nachweisen. Der Einsatz von Probiotika zur Prävention und Behandlung kann hier nach Abklärung sinnvoll sein.

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