Vom Nationalspieler zum Businessman

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Zwar ist Simon Rolfes seit drei Jahren vor allem Geschäftsmann, doch in den Räumen seiner Firma „Rolfes & Elsässer – The Career Company“ in einem Eschweiler Industriegebiet ist seine erste Karriere als Fußballprofi allgegenwärtig. Die Büroräume sind gesäumt von Trikots und Bildern aus der Zeit bei Werder Bremen, Alemannia Aachen, der deutschen Nationalmannschaft und natürlich Bayer Leverkusen. Dass Simon Rolfes in jeder Hinsicht ein erfolgreicher Mensch zu sein scheint, ist hier deutlich spürbar. Seine Firma, die er mit Geschäftspartner Dr. Markus Elsässer führt, berät Profispieler in finanziellen Fragen und Karriere­planung und hält zudem 100 Prozent der Anteile an Goal Control, einem der zwei großen Anbieter von Torlinientechnik. Mit apropos sprach der sympathische Businessman über sein neues Leben ohne den Profifußball, über die Investition in seine Gesundheit und die kommende Fußball-WM.

Sie haben vor drei Jahren mit gerade einmal 33 Jahren Ihre aktive Profikarriere beendet. Wie geht es Ihnen heute als Fußball-Rentner?

„Ich fühle mich freier als damals.“

Simon Rolfes: Mir geht es ausgesprochen gut. Zwar bin ich wider Erwarten heute mehr unterwegs als zu Profizeiten, aber trotzdem fühle ich mich freier als damals. Der Tagesablauf als Profispieler ist sehr, sehr strukturiert, der Rhythmus fest vorgegeben. Der Trainer bestimmt, was man wann zu tun hat, der Spielplan, wo man ist. Dass diese vollkommene Fremdbestimmung heute weg ist, schätze ich sehr.

War „Fußballprofi“ für Sie der Traumberuf, für den ihn alle halten?

Simon Rolfes: Ja, das war schon eine absolut überwältigende Zeit. Auch wenn es wie in jedem Beruf schwierige Situationen gab, war es unglaublich schön, in so jungen Jahren so erfolgreich in etwas zu sein. Normalerweise braucht man ja viel länger, um beruflichen Erfolg zu haben. Als Fußballer geht es schnell und man erlebt in kürzester Zeit sehr schöne Dinge.

Vermissen Sie heute etwas aus diesem Leben?

Simon Rolfes: Im Nachhinein vermisse ich vor allem den Adrenalinkick, der einen vor einem großen Spiel durchfährt. Man arbeitet eine Woche auf diese zwei Stunden hin, in denen man alles gibt. Und: Nach dem Spiel steht sofort das Ergebnis fest und man kann sich wieder auf die nächste Partie konzentrieren. Dieser schnelle Wechsel von Anspannung und Entspannung hat einen ganz besonderen Reiz. Im normalen Berufsleben ist das heute völlig anders. Da braucht man mehr Geduld und Durchhaltevermögen.

Sie sind dafür bekannt, schon zu aktiven Zeiten sehr genau Ihre Karriere nach dem Fußball vorbereitet und geplant zu haben – mit Erfolg. Viele Profisportler bekommen nach dem Leistungssport gesundheitliche Probleme, da durch die extremen Belastungen ein gewisser Raubbau am Körper stattfindet. Haben Sie auch in dieser Hinsicht vorgesorgt?

Simon Rolfes: Nach meiner Knieverletzung 2010, wegen der ich fast ein Jahr lang aussetzen musste, war für mich klar, dass ich gut auf mich achten muss. Daher habe ich auch recht früh meine Karriere beendet, obwohl ich sicher noch zwei, drei Jahre auf hohem Niveau hätte spielen können. Aber das war mein Investment in eine gesunde Zukunft. Schließlich möchte ich auch noch mit 50 fit sein und zum Beispiel mit meinen Töchtern Fahrrad fahren oder Tennis spielen.

Treiben Sie heute noch viel Sport?

„Mein Herz ist durch den Spitzensport sehr groß geworden, mein Ruhepuls lag in Spitzenzeiten bei 35 Schlägen pro Minute.“

Simon Rolfes: Ja, ich versuche vier Mal in der Woche Sport zu treiben. Am liebsten fahre ich Fahrrad, wozu unsere Region und die Eifel wunderbare Bedingungen bieten. Zum einen möchte ich fit bleiben. Die Bilder aus Profizeiten motivieren mich immer wieder, mir dieses sehr befriedigende Gefühl zu bewahren, gut trainiert zu sein. Zum anderen muss ich immer noch „abtrainieren“. Mein Herz ist durch den Spitzensport sehr groß geworden, mein Ruhepuls lag in Spitzenzeiten bei 35 Schlägen pro Minute. Das muss behutsam normalisiert werden. Da wäre es fahrlässig, einfach mit dem Sport aufzuhören. Aber er macht mir natürlich in erster Linie Spaß. Ich brauche die Bewegung einfach.

Nach Ihrer Verletzung 2010 war es ein langer Weg zurück. Wie schwer war der Genesungs­prozess?

Simon Rolfes: Fußballer sind nicht für ihre Geduld bekannt und ich bin da keine Ausnahme. Daher war es mit viel Disziplin verbunden, diese Zeit zu überstehen. Ich musste sehr hart an mir arbeiten, um ruhig zu bleiben und gleichzeitig etwas für die Gesundung zu tun. Ich habe täglich fünf bis sechs Stunden mit Krafttraining und Behandlungen verbracht, durfte aber auf keinen Fall über meine Grenzen gehen. Das alles musste sehr behutsam und langsam geschehen. Jupp Heynckes und Dr. Holger Broich, damaliger Fitnesscoach bei Bayer Leverkusen, haben mir viel Zeit eingeräumt, mich sauber auszukurieren. Sicher hätte man auch schneller wieder fit werden können, aber mein Weg hat sich für mich ausgezahlt. Ich hatte in den fünf Jahren nach der Verletzung keinen Folgeschaden und bin bis heute gut belastbar. Da gibt es auch ganz andere Beispiele, wenn Leute nach einer Verletzung zu schnell Gas geben.

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Sie haben zehn Jahre für Bayer Leverkusen gespielt, waren davor bei Alemannia Aachen. Welche Erinnerungen haben Sie an das Jahr in Aachen?

Simon Rolfes: Es war eine großartige Zeit, an die ich sehr gerne zurückdenke. Wir haben damals als Zweitligist im Europapokal gespielt und die Euphorie, die im Verein und in der ganzen Stadt herrschte, war einfach unbeschreiblich. Wir waren wirklich elf Freunde auf Profiniveau, es passte alles.

Seitdem leben Sie auch in Eschweiler, nicht wahr?

Simon Rolfes: Ja, zu dieser Zeit habe ich meine wundervolle Frau kennengelernt. Sie kommt aus Eschweiler, ist hier tief verwurzelt. Seitdem ist dies auch meine Heimat. Mir gefällt die rheinische Mentalität, dieses Lockere, Ungezwungene. Ich fühle mich hier sehr wohl. Und die Region hat noch einen Vorteil: Zu vielen Bundesligaclubs ist es nicht weit, als Fußballfan hat man die große Auswahl.

Welche Rolle spielt Fußball heute noch in Ihrem Leben?

„Heute sehe ich mit echter Leidenschaft Fußballspiele im Fernsehen und im Stadion.“

Simon Rolfes: Gleich nach meinem Rücktritt habe ich vor allem gerne Jugendfußball geguckt. Bis ich mit Leib und Seele vom Bundesligaspieler zum Bundesligafan wurde, hat es seltsamerweise etwas gedauert. Aber heute sehe ich mit echter Leidenschaft Fußballspiele im Fernsehen und im Stadion. Als Experte für das ZDF muss ich natürlich auch beruflich schauen, tue das aber mit großer Freude. Und natürlich spiele ich selbst noch gerne Fußball, zum Beispiel in der Traditionsmannschaft von Bayer Leverkusen.

Und in welches Stadion zieht es Sie am Wochenende?

Simon Rolfes: Der Bezug zu Leverkusen ist natürlich sehr groß. Dort bin ich öfters im Stadion. Aber auch Europapokalspiele schaue ich mir gerne von der Tribüne aus an.

Die Fußball-WM in Russland steht vor der Tür. Mit welchen Gefühlen blicken Sie als ehemaliger Nationalspieler und Vizeeuropameister auf dieses Event?

Simon Rolfes: Die verpasste Weltmeisterschaft 2010 war für mich der absolute Tiefpunkt meiner Karriere. Das schmerzt immer noch. Aber wenn ich mich an die vielen schönen Momente mit der Nationalelf erinnere, dann kribbelt es auch heute noch.

Gewähren Sie uns einen Einblick. Wie erleben die Spieler die letzten Tage und Stunden vor einem Turnier?

Simon Rolfes: Nach der intensiven Vorbereitung im Trainingslager folgt eine letzte Regenerationsphase. Man merkt Tag für Tag, wie man fitter und frischer wird, wie die Power wächst. Wenn man dann ins Camp reist, die Medienpräsenz steigt, wird auch die Anspannung Tag für Tag größer. Die Fokussierung auf das erste Spiel wächst, aber das alles verläuft meist in großer Ruhe. Die Spieler sind oft für sich, jeder ist mit der eigenen Leistung und Vorbereitung beschäftigt. Erst in der Kabine, direkt vor dem Spiel, machen sich die Spieler richtig heiß, stacheln sich gegenseitig an. Dann ist die Spannung riesig und es muss endlich losgehen … (Fühlt sich über den Arm und grinst:) Jetzt kribbelt es schon wieder.

Wie schauen Sie die Spiele in den kommenden Wochen?

Simon Rolfes: Wahrscheinlich ganz in Ruhe mit der Familie oder Freunden vor dem heimischen Fernseher. Entspannt und nett. Ich gehe davon aus, dass an schönen Tagen zeitgleich auch der Grill läuft …

Wie sieht Ihr Tipp für die WM aus?

Simon Rolfes: Ich sehe die deutsche Mannschaft auf jeden Fall im Halbfinale, mit Chancen auf den Titel. Ebenfalls heiße Titelkandidaten sind die Franzosen. Mein Favorit heißt allerdings Spanien. Die Mannschaft hat in der letzten Partie gegen Deutschland fantastisch gespielt. Es war eine Freude, sie zu sehen. Gespannt bin ich auf Brasilien. Mein Herz schlägt aber natürlich nur für ein Team!

Herr Rolfes, herzlichen Dank für das Gespräch.


Steckbrief Simon Rolfes

Geburtstag: 21.01.1982

Geburtsort: Ibbenbüren

Wohnort: Eschweiler

Familienstand: Seit 2009 verheiratet mit Jennifer Rolfes, das Paar hat drei Töchter

Stationen seines Fußballerlebens:

1999 bis 2004:
SV Werder Bremen

2004 bis 2005:
Alemannia Aachen

2005 bis 2015:
Bayer 04 Leverkusen

2007 bis 2012:
Deutscher Nationalspieler, 2008 Vizeeuropameister


 

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