Ulcus cruris venosum: Wenn offene Wunden nicht heilen

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Wenn Wunden am Unterschenkel auftreten, die schlecht oder gar nicht heilen, sprechen Expertinnen und Experten von einem Ulcus cruris, im Volksmund besser bekannt als „offenes Bein“. Die Entstehung der offenen Wunde ist ein schleichender Prozess, der sich infolge einer chronischen Durchblutungsstörung der Venen und oder Arterien entwickeln kann. Die häufigste Ursache für ein offenes Bein ist eine Venenschwäche. Im Gespräch mit apropos gibt Priv.-Doz. Dr. med. Houman Jalaie, stellvertretender Direktor der Klinik für Gefäßchirurgie an der Uniklinik RWTH Aachen, einen Einblick in das Krankheitsbild.

Die Beinvenen haben die Aufgabe, das sauerstoffarme Blut aus den Beinen zurück zum Herzen zu transportieren. Bei diesem Prozess spielen die Venenklappen eine wichtige Rolle, denn sie sorgen dafür, dass das Blut nicht wieder in die Beine zurückfließt. Bei Patientinnen und Patienten mit einer Venenschwäche schließen die Venenklappen nicht mehr richtig, es entsteht ein Reflux. Dies bedeutet, dass das Blut immer wieder in die Beine zurückfließt.  Durch die Funktionsstörung staut sich das Blut in den Venen, der Druck auf die Gefäße nimmt zu, die Betroffenen leiden unter einer verminderten Sauerstoff- und Nährstoffversorgung in den Beinen. Risikofaktoren für eine Venenschwäche sind zum Beispiel Übergewicht, Bewegungsmangel, häufiges und langes Stehen oder Sitzen, ein schwaches Bindegewerbe oder eine Schwangerschaft. Oft ist auch eine genetische Veranlagung ursächlich.

„Venöse Erkrankungen können sich sowohl am oberflächlichen als auch am tiefen Venensystem durch Krampfadern oder venöse Thrombosen zeigen. Zudem können chronische venöse Erkrankungen als Folge einer tiefen Beinvenenthrombose entstehen, wie das postthrombotische Syndrom. Die Ursache hierfür sind Vernarbungen der tiefen Beinvenen und Venenklappen, die den Abfluss des Blutes behindern“, erklärt Dr. Jalaie, der neben seiner Funktion als stellvertretender Klinikdirektor das Venenzentrum der Uniklinik RWTH Aachen leitet.

Ausgangspunkt ist oft eine chronische Venenschwäche
Eine chronische Venenschwäche zeigt sich bei Patientinnen und Patienten durch Beschwerden wie Schwellungen, schwere und müde Beine, Hautverfärbungen, sichtbare Krampfadern – und im späteren Verlauf durch chronische Wunden, die durch die wegen der Unterversorgung angegriffenen und dünnen Haut begünstigt werden. „Wichtig ist zu betonen, dass ein venöses offenes Bein immer im Zusammenhang mit einer chronischen Venenschwäche, im Fachjargon auch als chronisch venöse Insuffizienz (CVI) bezeichnet, steht. Die Entstehung eines offenen Beins ist ein schleichender Prozess, der sich im Falle einer unbehandelten Venenerkrankung entwickeln kann“, ergänzt der erfahrene Mediziner. Charakteristisch für das Ulcus cruris venosum sind tiefe, offene Wunden, die nicht wie andere Verletzungen von selbst verheilen. Meist bilden sie sich im Bereich der Knöchel und vergrößern sich in Richtung des Unterschenkels. Typisch ist neben einer gelb bis bräunlichen Verfärbung des betroffenen Bereichs auch, dass die Wunden dauerhaft feucht sind und nässen.

Zweistufige Behandlung
„Bei der Behandlung einer offenen Wunde ist neben der sorgfältigen Wundversorgung die Therapie der Ursprungserkrankung, der venösen Störung, essenziell – andernfalls würde die Wunde weiterhin nicht heilen“, führt Dr. Jalaie aus. Grundlage zur Behandlung eines postthrombotischen Syndroms sind beispielsweise konservative Therapiemaßnahmen. Darüber hinaus können die Venen – je nach Ausprägung und Art des Befundes – mittels Katheter-Interventionen, Ballondilatation und dem Einbringen von speziellen venösen Stents wiedereröffnet werden. In manchen Fällen ist zusätzlich eine offene operative Behandlung des Venenbereichs in der Leistenregion erforderlich. „Die jeweils zutreffenden Behandlungsmöglichkeiten und Erfolgsaussichten besprechen wir im Einzelfall ausführlich mit den Patientinnen und Patienten“, so der Gefäßmediziner.

In der Klinik für Gefäßchirurgie gehört sowohl im ambulanten Bereich über die Poliklinik als auch in der stationären Behandlung eine entsprechende Mitbetreuung mit modernem Wundmanagement zum Standard. Neben einer konservativen Wundbehandlung mit Verbänden, ist in manchen Fällen zusätzlich eine operative Säuberung der Wunde (Ulcusshaving) erforderlich.

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