Optimaler Zahnersatz: Implantat oder Brücke

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Im Laufe eines Lebens muss unser Gebiss einiges aushalten. Unfälle, Erkrankungen oder auch mangelnde Zahnhygiene können zu Schädigungen oder gar zum Verlust eines oder gleich mehrere Zähne führen. All das beeinflusst nicht nur das äußere Erscheinungsbild, sondern wirkt sich auch ganz unmittelbar auf die Zahngesundheit aus. Implantate und Zahnbrücken bieten hier eine effektive Möglichkeit, um Lücken zu schließen. Wann welche Behandlungsmethode sinnvoll ist und wie diese funktionieren, verrät Univ.-Prof. Dr. med. dent. Stefan Wolfart, Direktor der Klinik für Zahnärztliche Prothetik und Biomaterialien, Zentrum für Implantologie an der Uniklinik RWTH Aachen, im Gespräch mit apropos.

Die Seekuh hat es gut. Denn im hinteren Teil ihres Kiefers wachsen kontinuierlich neue Zähne, die die gesamte Zahnreihe stetig nach vorne schieben. Sind die vorderen Beißerchen abgenutzt und fallen aus, rücken die hinteren sogleich nach. Von diesem besonderen Zahnersatz kann der Mensch nur träumen. Denn: Gehen seine Zähne kaputt, steht kein Nachrücker parat, und ein künstlicher Zahnersatz muss her. „Glücklicherweise bietet die Zahnmedizin heute ausreichend Möglichkeiten für einen bleibenden Zahnersatz, um die ursprüngliche Kaufunktion, Sprachfunktion und dentale Ästhetik wieder herzustellen“, so Prof. Wolfart. Zahnersatz hat sich durch moderne vollkeramische Werkstoffe, im Mund anwendbaren Klebetechniken und der Verwendung von künstlichen Zahnwurzeln (Implantaten) in den letzten Jahrzehnten sehr stark weiterentwickelt. Mit der Vollprothese im Wasserglas auf Omas Nachtisch hat das nichts mehr zu tun.

Warum fehlende Zähne ersetzen?
Leuchtend weiße und gerade Zähne strahlen Vitalität und Gesundheit aus und hinterlassen einen attraktiven ersten Eindruck – fast jeder hat diese hohen Ansprüche an sein Äußeres. Doch nicht jeder ist mit gesunden Zähnen gesegnet. Fehlende Zähne verursachen langfristig Probleme, die über die reine Ästhetik hinausgehen. „Hierbei sprechen wir von Lücken, die durch einen oder mehreren verloren gegangenen Zahn entstanden sind, beziehungsweise die Zähne sind von vorne herein bei dem Patienten gar nicht angelegt gewesen“, betont der Zahnexperte. Kleinere Zahnlücken, die lediglich einen natürlichen, größeren Abstand zweier benachbarten Zähne darstellen, bedürfen nicht zwingend einer medizinischen Behandlung. „Ein Zahnverlust mit einer richtigen Zahnlücke in der Breite mindestens eines Zahnes kann schwerwiegende gesundheitliche Komplikationen verursachen. Die verbliebenen Nachbarzähne können ihre Statik verändern und in den leeren Raum kippen. Die Zähne im gegenüberliegenden Kiefer können sich ebenfalls nach oben oder nach unten verschieben, da ihnen der Gegenspieler fehlt“, erklärt Prof. Wolfart die Konsequenzen. „Dies kann die Kaufunktion, die Aussprache und den Zusammenbiss beeinflussen. In speziellen Fällen kann dies auch zu Beschwerden am Kiefergelenk und der Kaumuskulatur führen. Auch Kopfschmerzen sind bei diesen funktionellen Erkrankungen als Folgeerscheinung zu finden. Zudem beobachten wir, dass Zahnverschiebungen die Mundhygiene erschweren. Patientinnen und Patienten haben Schwierigkeiten, ihre Zähne und Zahnzwischenräume zu reinigen, was wiederum zu Karies und Zahnfleischerkrankungen führen kann“, führt der Experte aus. Nur in wenigen Ausnahmesituationen kann beziehungsweise sollte man Zahnlücken unversorgt lassen. In der Regel ist eine bleibende Zahnlücke keine gute Option, eine geeignete Behandlung muss her.

Möglichkeiten für Zahnersatz: eine individuelle Entscheidung
Ästhetisch, komfortabel und gesund – das soll Zahnersatz sein. Sowohl Implantate als auch Brücken gehören zum festsitzenden Zahnersatz und gelten als hochwertige Versorgungen bei Zahnverlust. Doch nicht jede der beiden Behandlungsmethoden ist für jeden Menschen geeignet. Das wichtigste Kriterium bei der Wahl ist die aktuelle Zahnsituation der Patientinnen und Patienten. „Aus diesem Grund sind eine präzise zahnärztliche Befundung und Diagnosefindung die Grundlage einer umfassenden Beratung. Eine Abwägung der fachlichen und persönlichen Vor- und Nachteile jeder Maßnahme, die Invasivität der Behandlungsmaßnahmen und die Risikoeinschätzungen muss erfolgen, um im individuellen Patientenfall die bestmögliche patientenorientierte Therapieentscheidung zu treffen“, macht Prof. Wolfart deutlich. In bestimmten Fällen kann auch die Kombination von Implantat- und zahngetragenen Brücken die sinnvollste Lösung sein.

Zahnbrücke: bewährte Regelversorgung
Bei der konventionellen Brückenversorgung wird eine Zahnlücke mit einem Zwischenglied, das idealerweise so aussieht wie der fehlende Zahn, geschlossen. Dieses künstliche Mittelstück ist mit zwei Kronen verbunden, die an den Nachbarzähnen, auch „Pfeilerzähne“ genannt, befestigt werden. „Für eine stabile Brücke müssen die angrenzenden Zähne über gesunde Zahnwurzeln verfügen“, so Prof. Wolfart. Daher sind nicht alle Zähne gleichermaßen für einen Ersatz durch Zahnbrücken geeignet. Um den nötigen Halt zu gewährleisten, müssen die als Träger dienenden Pfeilerzähne vorab beschliffen werden. „Wir beschleifen die Zähne rechts und links neben der Lücke und versorgen diese mit den Kronen, an denen das sogenannte Zwischenglied befestigt ist. Diese Zahnkronen sind die Brückenanker. Um ein strapazierfähiges Tragegefühl zu generieren, wird die Brücke auf die Pfeilerzähne definitiv zementieren, ab dann ist die Brücke nicht mehr lösbar“, erklärt der Mediziner das Vorgehen. Bis zu vier fehlende Zähne im Frontzahnbereich und bis zu drei fehlende Zähne im Seitenzahnbereich lassen sich so in der Regel überbrücken.

Zahnbrücken können aus Keramik, Metallkeramik oder unterschiedlichen Metallen gefertigt werden. „Die meisten Patientinnen und Patienten bevorzugen eine vollkeramische Lösung. Sie kommt den natürlichen Zähnen in puncto Ästhetik am nächsten und ist gut verträglich “, weiß der Klinikdirektor. Diese Behandlungsmethode ist sehr gut untersucht und hält in den meisten Fällen weit über 10 Jahre. Dabei ist zu berücksichtigen, dass mit steigender Größe der Brücke und bei Veränderung des Gesundheitszustandes der überkronten Zähne die Haltbarkeit abnimmt.

Unterschiede zwischen Front- und Backenzahnbereich
Das Beschleifen der Zähne stellt für einige Betroffene ein Ausschlusskriterium dar. Denn dabei gehen bis zu 60 Prozent der gesunden Zahnsubstanz verloren, was einer irreversiblen Schädigung entspricht. Im schlimmsten Fall (Schleiftrauma) kommt es sogar zum Absterben des Zahns. „Aus diesem Grund ist bei intakten Nachbarzähnen aus medizinischer Sicht meist dem Zahnersatz mittels Implantats den Vorzug zu geben, denn dabei müssen die Nachbarzähne nicht beschliffen werden“, sagt Prof. Wolfart. In manchen Fällen kann das Abschleifen der Zähne aber auch unproblematisch sein. Beispielsweise dann, wenn die Brückenzähne ohnehin schon überkront, stark geschädigt und behandlungsbedürftig sind, etwa durch Karies.

Während im von außen kaum sichtbaren Bereich der Backenzähne die Funktionalität bei hohen Kaukräften im Vordergrund steht, ist bei den Frontzähnen die Ästhetik bei gleichzeitig niedrigeren Kaukräften von zentraler Bedeutung. „Dank moderner Klebetechniken und Hochleistungskeramiken gibt es heutzutage eine sehr schonende und ästhetische Alternative zur klassischen Zahnbrücke: die einflügelige Klebebrücke“, so der Zahnmediziner. Diese in der Fachsprache genannten Adhäsivbrücken werden direkt an die benachbarten Zähne mit einem speziellen Kleber ohne Zement befestigt. Voraussetzung hierfür sind gesunde Nachbarzähne mit intaktem Zahnschmelz, an denen die Flügel angeklebt werden. Dabei muss man keine Zähne beschleifen, benötigt keine Anästhesie des Zahnes und man muss auch kein Implantat in den Knochen einbringen.

Implantat für langfristige Zahngesundheit
Als Alternative zur Zahnbrücke trat in den letzten Jahrzehnten vermehrt die Implantologie in den Vordergrund. „Bei dieser Methode pflanzen wir eine künstliche Zahnwurzel aus einem körperverträglichen Material wie Keramik oder Titan direkt in den Kiefer ein. Die später darauf befestigte Implantatkrone füllt dann die Zahnlücke aus“, erklärt Prof. Wolf. Ein Implantat ist eine komfortable und langlebige Lösung, um einen oder auch mehrere Zähne dauerhaft zu ersetzen. Die gesunden Nachbarzähne bleiben dadurch verschont und der Kiefer erhält die entsprechende Belastung. „Während des anspruchsvollen operativen Eingriffs setzen wir das Zahnimplantat in eine speziell dafür geschaffene Bohrung in den Kieferknochen ein. Nach einer Einheilphase von wenigen Monaten, in der der Knochen mit dem Implantatkörper verwächst, können wir den Zahnersatz draufschrauben“, fasst der Implantologe das Prozedere zusammen. Für dieses Verfahren ist eine gründliche Vorausplanung mittels zwei- oder dreidimensionaler Röntgenbilder notwendig.

Um eine feste Verankerung des Implantats zu gewährleisten, muss der Kieferknochen unbedingt gesund und stabil sein. Ist der Kiefer in seiner Ausgangssituation aufgrund einer zu geringen Knochendichte nicht für die Versorgung mit einem Zahnimplantat geeignet, kann ein Knochenaufbau Abhilfe schaffen. Denn liegt der Verlust des Zahnes bereits längere Zeit zurück oder lag eine große Entzündung an dem zu entfernenden Zahn vor, ist es möglich, dass sich der Knochen bereits zurückgebildet hat.

Das Zahnimplantat ist das derzeit beste verfügbare Hilfsmittel zur Unterstützung von Ersatzzähnen und ermöglicht, dass sich die künstlichen Zähne natürlich anfühlen, aussehen und wie echte Zähne funktionieren. Allerdings ist es im Gegensatz zur Brücken-Alternative mit hohen Kosten verbunden. „Patientinnen und Patienten sollten bedenken, dass alle Eingriffe um das Implantat herum von den gesetzlichen Krankenkassen bezuschusst werden. Lediglich für die spätere Krone ist mit einem kleinen Zuschuss zu rechnen. Es handelt sich somit vorwiegend um eine rein privat zu zahlende Versorgung“, stellt Prof. Wolfart klar.

Für kleine Lücken, bei denen die angrenzenden Nachbarzähne stabil sind, stellt ein Implantat oder eine feste Brücke immer eine gute Lösung dar. Beide Behandlungsmethoden haben ihre Vor- und Nachteile, die es individuell abzuwägen gilt. Generell lässt sich sagen, dass Zahnimplantate als bewährte Form des Zahnersatzes gelten, da sie den gesamten Kieferapparat bis ins Alter intakt halten. Trotzdem ist es wichtig, die Situation der Patientinnen und Patienten im Einzelfall durch erfahrene Zahnexpertinnen und -experten richtig beurteilen zu lassen.

Fächerübergreifende Expertise
Um Patientinnen und Patienten mit komplexen Erkrankungen und Defekten effizient und zielorientiert beraten und behandeln zu können, kooperieren die Klinik für Zahnärztliche Prothetik und Biomaterialien und die Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie unter Leitung von Univ. Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Frank Hölzle unter dem Dach des Zentrums für Implantologie an der Uniklinik RWTH Aachen. Im Rahmen der eigens für das Zentrum für Zahnärztliche Implantologie eingerichteten „Implantatboards“ besprechen die Expertinnen und Experten einmal wöchentlich medizinisch anspruchsvolle Implantationsfälle. „Neben der Zusammenarbeit mit meinem geschätzten Kollegen Herrn Prof. Hölzle ziehen wir zusätzlich auch andere Kliniken wie die Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, die Neurochirurgie und die Unfallchirurgie zu den problematischen Fällen hinzu, um so das bestmögliche Behandlungsresultat erzielen zu können“, erläutert Prof. Wolfart.

Aktuelle klinische Studien zu Implantaten

Aktuell führt die Klinik für Zahnärztliche Prothetik und Biomaterialien zwei klinische Studien durch, für die noch Patientinnen und Patienten gesucht werden. Die Teilnehmenden erhalten dabei die Implantate kostenfrei. Auch der Zahnersatz wird sehr stark vergünstigt angeboten:

  1. Falls bei Ihnen einzelnen Zahnlücken im Seitenzahnbereich vorliegen, können wir diese mit Implantaten und mit Kronen versorgen. Dabei werden alle Behandlungskosten für Sie übernommen. Weiterer zahnmedizinischer Behandlungsbedarf darf zum Studieneinschluss nicht vorliegen beziehungsweise muss im Vorfeld durchgeführt werden.
  2. Falls bei Ihnen alle großen Backenzähne und eventuell auch die kleinen Backenzähne im Ober- oder Unterkiefer fehlen, können wir sie im Rahmen einer klinischen Studie mit einer implantatgestützten Prothese versorgen. Durch die Implantate wird die Prothese stabiler im Mund gehalten, als es ohne Implantate der Fall wäre. Damit wird ein besserer Prothesenhalt und Kaukomfort gewährleitet.

Um abzuklären, ob Sie für die Studien in Frage kommen, können Sie bezüglich der weiteren Ein- und Ausschlusskriterien und für einen Untersuchungstermin unsere Aufnahmeambulanz unter 0241-80-36232 kontaktieren. Alternativ können Sie uns per E-Mail unter mkost@ukaachen.de erreichen.

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