Essstörungen: Wenn Essen zum Zwang wird

Essstörung
© lalexkich – stock.adobe.com

Essstörungen zählen zu den häufigsten psychosomatischen Erkrankungen im frühen Erwachsenenalter. Laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sind unter etwa 1000 betrachteten Personen rund 30 bis 50 Betroffene. Ersten Studien zufolge hat auch die Corona-Pandemie zuletzt für einen Anstieg an Erkrankungen gesorgt. Meistens handelt es sich dabei um Mädchen und junge Frauen, auch Männer können betroffen sein. Doch wie erkennt man essgestörtes Verhalten? Welche Möglichkeiten zur Beratung und Behandlung gibt es? apropos beschäftigt sich mit diesen Fragen und zeigt Ursachen, typische Symptome und Therapiemöglichkeiten auf.

Die ständige Sorge um das eigene Gewicht und Essen – nur eines von vielen Symptomen, unter denen die Betroffenen von Essstörungen leiden. Wer ein essgestörtes Verhalten aufweist, leidet an einer Störung der eigenen Körperwahrnehmung. Unabhängig von dem eigenen Normal- oder sogar Untergewicht sind die Betroffenen davon überzeugt, zu dick zu sein. Fachleute unterteilen Essstörungen in vier Hauptformen, die Magersucht (Anorexia nervosa) zählt zu den bekanntesten. Betroffene Personen versuchen durch Hungern, Erbrechen, exzessiven Sport oder Medikamente einen Gewichtsverlust herbeizuführen, der zu Untergewicht führt. Im Unterschied dazu zeichnet sich die Bulimia nervosa, auch als Bulimie bekannt, durch wiederkehrende Heißhungerattacken aus, bei denen die Betroffenen in kurzer Zeit unkontrolliert große Mengen an Nahrung zu sich nehmen. Um eine Gewichtszunahme zu vermeiden, versuchen die Betroffenen mithilfe von Erbrechen, Fasten oder Bewegung die aufgenommenen Kalorien zu verbrennen. Dem Krankheitsbild der Bulimie ähnlich ist die bisher weniger bekannte Binge-Eating-Störung, die sich ebenfalls durch übermäßige, wiederkehrende Essanfälle auszeichnet. Im Gegensatz zur Bulimie übergeben sich die Betroffenen im Anschluss jedoch nicht. Die Vermeidende/restriktive Essstörung (ARFID) zeichnet sich durch die Einschränkung oder Vermeidung der Nahrungsaufnahme aus. Zu den Folgen gehören ein erheblicher Gewichtsverlust, ein Mangel an Nährstoffen, eine gestörte psychosoziale Funktionsfähigkeit und die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln oder in manchen Fällen die Abhängigkeit einer enteralen Ernährung. Anders als bei der Bulimia nervosa oder der Magersucht zeichnet sich das Krankheitsbild nicht dadurch aus, dass sich die Betroffenen intensiv mit dem eigenen Körperbild auseinandersetzen. Die verschiedenen Formen von Essstörungen lassen sich nicht immer zweifellos voneinander abgrenzen, auch Mischformen können auftreten.

Ursachen und Symptome

Die Faktoren, die zur Entstehung von Essstörungen beitragen können, sind sehr vielfältig. Psychische Faktoren wie gesellschaftliche Einflüsse durch das Schlankheitsideal, Mobbing, emotionale Labilität oder traumatische Erlebnisse können eine Erkrankung begünstigen. Auch biologische Einflüsse, wie erbliche Veranlagung, geraten immer mehr in den Fokus. Insbesondere neuere Forschungen seit Anfang des Jahrtausends zeigen auf, dass die Anorexia nervosa wahrscheinlich auch auf einer erblich beeinflussten Stoffwechselveränderung der Darmflora beruht. Zusätzlich findet man Veränderungen der Darmflora, die Einfluss auf die Immunlage und sogar das Gehirn nehmen kann.

Die Grenze zwischen normalem und auffälligem Essverhalten ist oft fließend, was zur Folge hat, dass krankhafte Züge nicht immer leicht zu erkennen sind. Trotzdem ist nicht gleich jede Unregelmäßigkeit im gewohnten Essverhalten auf eine Essstörung zurückzuführen, zum Beispiel wenn jemand in einer vorübergehenden Stresssituation mehr Nahrung zu sich nimmt als üblich. Setzt man sich jedoch ständig und zwanghaft mit Essen und dem eigenen Gewicht auseinander, vermeidet gemeinsame Mahlzeiten und zieht sich sozial zurück, kann dies auf eine mögliche Erkrankung hindeuten. Betroffene weisen ein auffälliges Essverhalten auf, was sich durch eine eingeschränkte Nahrungsauswahl, ständige Diäten oder Fasten äußern kann. Auch ein extremer Bewegungsdrang und gesteigerte sportliche Aktivitäten können auf eine Erkrankung hindeuten. Zwanghafte Kontrollen, wie die des Gewichts oder der Tagesplanung können ebenso Symptome sein.

Verdacht auf eine Essstörung

Besteht als Angehörige/r oder nahestehende Person der Verdacht auf eine Essstörung, ist es zunächst ratsam, das Gespräch mit der betroffenen Person zu suchen. Um die Betroffene oder den Betroffenen nicht unter Druck zu setzen, sollte Kritik an der Figur nicht in den Vordergrund gestellt werden, sondern eher das veränderte Essverhalten thematisiert werden. Da eine sichere Diagnose nur ein Fachmann stellen kann, sollten Betroffene oder Angehörige in einem nächsten Schritt immer das Gespräch mit einer Expertin oder einem Experten suchen. Eine erste Anlaufstelle kann dafür der Hausarzt sein.

Behandlungsmöglichkeiten

Kann das Vorliegen einer Essstörung frühzeitig diagnostiziert werden, gibt es gute Aussichten auf eine vollständige Genesung. Je nachdem wie stark die Erkrankung ausgeprägt ist, können verschiedene Behandlungsmethoden angewendet werden:

  • Ambulante Therapie: Die Behandlung der Betroffenen erfolgt in einer ärztlichen Praxis und basiert maßgeblich auf der Psychotherapie in Einzel- oder Gruppensitzungen.
  • Teilstationäre Therapie: An fünf Tagen der Woche werden die Patientinnen und Patienten tagsüber in einer Tagesklinik behandelt, die Nächte und Wochenenden werden zuhause verbracht. In das Tagesprogramm der Kliniken fließen verschiedene Bereiche aus Psychotherapie, Ernährung und somatischer Behandlung.
  • Stationäre Therapie: Die Behandlungsform erfolgt vollständig im Krankenhaus. Die Patientinnen und Patienten verlassen das häusliche Umfeld für eine gewisse Zeit.

Die Behandlungsmethoden zielen im Allgemeinen auf die Linderung von Symptomen sowie die Unterstützung bei der Gewichtszunahme und der Entwicklung eines gesunden Essverhaltens ab.  Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der gemeinsamen Ausarbeitung von Strategien, um Rückfälle in essgestörtes Verhalten zu verhindern.

Das Konzept Home Treatment als Projekt einer teilstationären Therapie

Die Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Uniklinik RWTH Aachen bietet im Rahmen des Konzepts Home Treatment (HoT), die Möglichkeit, einer essstörungsspezifischen Therapie im eigenen häuslichen Umfeld. Das Projekt „folgt einem sogenannten Step-down-Behandlungsansatz. Jugendliche Patientinnen und Patienten werden nach spätestens acht Wochen aus der stationären Behandlung entlassen und in eine viermonatige stationsersetzende Behandlung zu Hause überführt“, erklärt die Klinikdirektorin Prof. Herpertz-Dahlmann. Die Therapie im häuslichen Umfeld sieht neben der psychologischen und medizinischen Begleitung auch eine praktische Ernährungsberatung und Integrationshilfen in den Alltag vor. Zu Beginn der Behandlung wird die Familie bis zu vier Mal wöchentlich zuhause besucht; die Anzahl der Besuche wird dann langsam reduziert. Die Bezugspersonen werden intensiv einbezogen.

Mögliche Wege der Beratung

Kontakt zu Beratungsstellen (telefonisch, online, persönlich)

Kontakt zur Hausarztpraxis, Praxis für Kinder- und Jugendmedizin, Praxis für Kinder- und Jugendpsychiatrie oder jugendpsychotherapeutische Praxis

Mögliche Wege der Behandlung

ambulante psychotherapeutische und somatische Behandlung

tagesklinische Betreuung oder stationäre Behandlung

Home Treatment

Regionale Ansprechpartner

Uniklinik RWTH Aachen
Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters
Institutsambulanz
Tel.: 0241-80-80138

Suchthilfe Aachen
Tel.: 0241-41356128
suchtberatung@suchthilfe-aachen.de

Überregionale Ansprechpartner

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
Tel.: 0221 89 20 31
www.bzga-essstoerungen.de

Bundesfachverband Essstörungen e.V. (BFE)
Tel.: +49 151 58850764
www.bundesfachverbandessstoerungen.de

Abo Abo
Newsletter Newsletter
stiftung Stiftung
AC Forscht Aachen forscht

Archiv