Erste Hilfe bei Zahnunfällen

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Beim Schulsport, auf dem Spielplatz oder zu Hause im Garten: Unfälle mit Zahnverletzungen sind bei Kindern und Jugendlichen schnell passiert und kommen häufiger vor – laut Angaben der BARMER ist ungefähr jedes dritte Kind bis zum 16. Lebensjahr von Zahnunfällen betroffen. Aber was tun, wenn ein Stück Zahn abbricht oder der Zahn sogar ganz ausgeschlagen wurde? Wie Sie sich bei Zahnunfällen richtig verhalten, erklärt Ihnen apropos.

Mit dem Begriff „Zahntrauma“ bezeichnet man die Verletzung, Lockerung oder den Verlust eines Zahns oder mehrerer Zähne durch eine äußere Einwirkung. Bei den meisten Zahnunfällen sind die Schneidezähne betroffen, da sie durch ihre Position am wenigsten geschützt sind – Expertinnen und Experten bezeichnen das auch als Frontzahntrauma. Besonders anfällig sind Kinder im Alter von sieben bis zwölf Jahren. Insbesondere für Kinder stellen Zahnunfälle ein großes Risiko dar, da sich das Gebiss noch in der Entwicklung befindet. Gebissverletzungen müssen daher möglichst schnell in einer Zahnarztpraxis oder in einer Zahnklinik behandelt werden. Die moderne zahnmedizinische Versorgung bietet heute viele Behandlungsmöglichkeiten, der Erfolg der Behandlung ist jedoch von dem Zustand des Zahns abhängig.

Die Zahnrettungsbox – der Helfer in der Not
Im ersten Schritt sollte immer das Zahnbruchstück oder der verlorene Zahn gesucht werden. „Dabei ist es ganz wichtig, den ausgeschlagenen Zahn nur an der Krone anzufassen und die Oberfläche der Wurzel nicht zu berühren, um die Zellen nicht zu beschädigen. Zudem sollte der Zahn nicht gesäubert oder desinfiziert werden“, erklärt Univ.-Prof. Dr. med. dent. Stefan Wolfart, Direktor der Klinik für Zahnärztliche Prothetik und Biomaterialien, Zentrum für Implantologie an der Uniklinik RWTH Aachen. Eine gute Methode, um den Zahn sicher aufzubewahren, ist eine sogenannte Zahnrettungsbox. „Ausgeschlagene Zähne trocknen innerhalb weniger Minuten aus. Infolgedessen sterben die Zellen an der Wurzeloberfläche ab, der Zahn kann dann nicht wieder in den Kiefer eingesetzt werden. Eine Zahnrettungsbox unterstützt das Überleben mit einer speziellen Flüssigkeit für die Zellen. Ein ausgeschlagener Zahn kann darin bis zu 48 Stunden überleben“, führt Univ.-Prof. Dr. med. dent. Michael Wolf, Direktor der Klinik für Kieferorthopädie an der Uniklinik RWTH Aachen, aus.

Aber was tun, wenn man keine Zahnrettungsbox zur Hand hat? Prinzipiell bieten sich auch andere Aufbewahrungsmöglichkeiten an – diese sind jedoch deutlich weniger effektiv und können das Austrocknen der Zellen nicht lange verhindern. „Eine mögliche Alternative ist die Aufbewahrung in einer Kochsalzlösung, diese ist in der Apotheke erhältlich. Auch H-Milch bietet sich als Übergangslösung an. In beiden Fällen kann der Zahn jedoch nur Minuten bis wenige Stunden erhalten werden – oft ist das nicht genügend Zeit. Ich würde daher bei Kindern und Jugendlichen immer empfehlen, vorzusorgen und eine Zahnrettungsbox bereit zu halten. Die Boxen sind zum Beispiel in der Apotheke erhältlich und kosten circa 20 Euro“, sagt der Kieferorthopäde.

Wie beschädigte Zähne behandelt werden können
Ist nur ein einzelnes Stück abgebrochen, kann diese Zahnscherbe in der Zahnarztpraxis wieder an den Zahn angeklebt werden. „Ist die abgebrochene Scherbe nicht auffindbar, kann der Defekt entweder mit einer Kunststofffüllung korrigiert werden, beziehungsweise eine passende Keramikscherbe, ein Veneer, im zahntechnischen Labor angefertigt und anschließend mit dem Zahn dauerhaft verklebt werden. Da diese Keramikschalen in der passenden Zahnfarbe angefertigt werden, ist mit dem bloßen Auge kein Unterschied zwischen den natürlichen Nachbarzähnen und dem Veneer sichtbar“, erklärt Prof. Wolfart. Die Behandlung von herausgeschlagenen Zähnen hingegen ist von verschiedenen Faktoren abhängig: Wenn der verlorene Zahn rechtzeitig in einer Zahnarztpraxis oder einer Klinik ankommt, kann er unter bestimmten Umständen wieder in den Kiefer eingesetzt werden. Bei Kindern und Jugendlichen sind die Voraussetzungen dafür am besten, da bei ihnen das Wachstum der Wurzeln noch nicht abgeschlossen ist. Bis der Zahn wieder fest mit dem Kiefer verwachsen ist, wird er mit einer Drahtschiene gestützt.

Zahnärztinnen und -ärzte können durch Zahnunfälle entstandene Lücken jedoch nicht immer mit dem natürlichen Zahn schließen. Handelt es sich um einen ausgeschlagenen Milchzahn, wird dieser aufgrund des Risikos das bleibende Kauwerkzeug zu beschädigen, in der Regel nicht zurück in das Gebiss eingefügt. Sind die Zellen an der Wurzeloberfläche bereits abgestorben, ist eine Re-Transplantation mit erfolgreicher Einheilung ebenfalls oft nicht mehr möglich. In diesen Fällen ist ein Zahnersatz notwendig, um die Lücke zu schließen. „Bei Erwachsenen verwenden wir in der Regel Zahnimplantate. Es handelt sich dabei um eine Titanschraube, die direkt im Kieferknochen verankert wird. Das Implantat fungiert also als Befestigungshilfe für den künstlichen Zahn“, erklärt Prof. Wolfart. Da die im Kiefer befestigte Schraube das Wachstum behindern kann, ist diese Methode für Kinder und Jugendliche nicht geeignet. „In einigen Fällen kann nach genauer Abklärung ein Lückenschluss durch kieferorthopädische Zahnbewegung oder sogar die Transplantation von überschüssigen Zähnen eine gute Lösung darstellen“, sagt Prof. Wolf.

Moderner Zahnersatz: Adhäsivbrücken
Eine weitere, häufige Lösung ist die sogenannte Adhäsivbrücke: ein moderner Zahnersatz, der immer häufiger in der Zahnprothetik Anwendung findet. Die Brücke besteht aus einem keramisch individuell hergestellten Zahn und einem oder zwei seitlich angebrachten keramischen oder metallischen Flügeln, die auf der Rückseite des Nachbarzahns verklebt werden. „Ein wesentlicher Vorteil von Adhäsivbrücken ist, dass dafür keine Nachbarzähne abgeschliffen werden müssen und auch kein Implantat im Knochen verankert werden muss. Die Brücke wird einfach mit den Nachbarzähnen verklebt. Hierfür ist nicht einmal eine Lokalanästhesie notwendig. Außerdem sind keine Einschränkungen oder Komplikationen im Zusammenhang mit dem beim Jugendlichen und jungen Erwachsenen noch vorliegenden Kieferwachstums zu erwarten. Bei dem Verlust von Zähnen sind Adhäsivbrücken mit ihrem sicheren Halt und abgesicherten Langzeitbewährung von mehr als zehn Jahren eine sehr gute Therapieoption“, sagt Prof. Wolfart.

Zum Nachschauen
Sie möchten mehr zum Thema „Zahnnotfälle“ erfahren? Dann schauen Sie gerne in die neue Folge unserer YouTube-Serie „Die Zahnprof(i)s“ rein. Unsere beiden Experten erklären, was bei Zahnnotfällen zu beachten ist und welche Behandlungsmöglichkeiten infrage kommen.

Das Video finden Sie auf dem YouTube-Kanal der Uniklinik RWTH Aachen.

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