Es war der 1. Juni 2011, der Internationale Weltkindertag, als Sabine und Jörg Däsler das Schlimmste erleben mussten, was Eltern widerfahren kann: Ihr Sohn Lukas starb im Alter von nur elf Jahren. Von Geburt an litt er an einem schweren Herzfehler und wurde mehrfach operiert. Doch obwohl lange alles gut aussah, gab sein junges Herz an diesem Tag auf.
Erst kurz vor der Geburt hatten die Eltern von seinem schweren Herzfehler erfahren. Lukas litt unter dem Criss-Cross-Heart, einer Anomalie, bei der die Zuflüsse beider Ventrikel sich – wegen einer Verdrehung des Herzens um seine Hauptachse – überkreuzen. Zusätzlich, und das war entscheidend, war der rechte Ventrikel kaum angelegt (hypoplastisch) und der Aortenbogen und die distale Aorta ebenfalls hochgradig hypoplastisch.
„Papa, bringst du mich bitte nach oben in den Himmel?“
Nur wenige Tage alt, wurde Lukas erstmals von Univ.-Prof. Dr. med. Jaime Vázquez-Jiménez, Direktor der Kinderherzchirurgie an der Uniklinik RWTH Aachen, operiert. Da hing sein Leben noch an einem seidenen Faden. Doch Lukas und die Mediziner kämpften um jeden Tag. Mit vier Monaten folgte die zweite OP. Insgesamt wurden bei Lukas drei große Herzoperationen durchgeführt, zudem eine Schrittmacherimplantation, um die sehr müde, einzige große Herzkammer zu unterstützen. In der Klinik erfuhren die Eltern nicht nur die Unterstützung von Ärzten und Pflegepersonal, sondern lernten schnell auch den Verein Herzkrankes Kind Aachen e. V. kennen, der sie ab diesem Moment in ihrem Leben mit einem herzkranken Kind unterstützten sollte.
Ein lebenslustiger Junge
Trotz der Diagnose, trotz aller gegenteiliger Prognosen, gesundheitlicher Tiefen und immer wieder auftretender Probleme wuchs Lukas zu einem lebenslustigen, aktiven Jungen heran, der ein fast normales Leben führen konnte. Sogar am Schulsport nahm er teil, konnte Radfahren, machte sein Schwimmabzeichen. „Beim Sport mussten wir ihn zwar zügeln, aber ansonsten lief alles bestens. Die Ärzte konnten es sich kaum erklären“, berichtet Sabine Däsler.
Lukas kickte gerne im Garten, liebte den Fußball auch als Fan des 1. FC Köln. Ein normaler Junge eben, bis Anfang 2011. Lukas wurde ruhiger, zurückgezogener. Irgendetwas stimmte nicht. Doch seine Werte waren unauffällig, das Herz laut aller Untersuchungen in Ordnung. Mitte Mai verschlechterte sich dann sein Zustand rapide, er kam wieder in die Uniklinik. „Lukas selbst wusste da bereits, was passieren würde“, erinnert sich Jörg Däsler. Er sagte nur: „Papa, ich werde nicht mehr lange leben. Bringst du mich bitte nach oben in den Himmel?“ Eine Woche später starb er.
„Ein Kind zu verlieren, das begleitet einen ein Leben lang.“
Sabine Däsler
Arbeit zu Lukas‘ Andenken
Auch heute, acht Jahre später, ist es für die Eltern und Lukas‘ große Schwester Lena kraftraubend, ohne ihren geliebten Sohn und kleinen Bruder zu leben. Mal gibt es bessere Tage, mal schlechtere. „Ein Kind zu verlieren, das begleitet einen ein Leben lang“, sagt Mutter Sabine. Doch die Däslers verstecken sich nicht hinter dem schweren Schicksal ihrer Familie, sondern gehen in die Offensive. Als Ehrenamtliche leisten sie wertvolle Arbeit im Verein Herzkrankes Kind Aachen e. V. Vater Jörg ist im Vorstand, seine Frau kümmert sich um Verwaltung und Buchhaltung. „Wir tun das, um anderen Familien in ähnlichen Situationen zu helfen und um Lukas‘ Andenken in Ehren zu halten“, sagen sie.
Helfen im Großen und Kleinen
Für den Verein ist diese Haltung ein Glücksfall, denn die Däslers wissen, wovon sie sprechen und was Familien mit herzkranken Kindern brauchen. Sie kennen das Leben mit einem kranken Kind. Sie haben selbst erfahren, dass es alles auf den Kopf stellt: Immer wieder viele Wochen in der Klinik, die ständigen Sorgen, die emotionalen Berg- und Talfahrten, dazu die finanziellen Belastungen.
„Mit dem Verein können wir ganz schnell und individuell Hilfe leisten. Manchmal fehlt Familien schlicht das Geld für die Parkgebühren oder eine Unterkunft in Aachen, wenn das Kind wieder einmal längere Zeit in der Uniklinik verbringen muss. Manchmal finden sie für ein krankes Kind keinen Kitaplatz oder benötigen spezielle Hilfsmittel“, erklärt Jörg Däsler. „Wir begleiten durch den Behördendschungel, sorgen für einen Austausch mit anderen Betroffenen oder ermöglichen einen – vielleicht letzten – besonderen Ausflug mit der Familie vor einer schweren Operation. Manchmal wünscht sich ein Kind, das seit Wochen in der Klinik liegt, auch einfach nur ein spezielles Spielzeug. Alles ist möglich. Mal sind es ganz kleine Dinge, die helfen, mal unterstützen wir mit größeren Spenden. Und manchmal reicht es auch, Zuhörer zu sein, der mitfühlt und Sorgen und Nöte der Familien nachempfinden kann.“
Begegnung mit anderen Betroffenen
Jeden Monat veranstaltet der Verein Eltern-Kind-Nachmittage und Treffen der Jugendgruppe. Unter Gleichgesinnten ist vieles leichter. „Letztens traf ein junger Mann in der Herz-Gruppe auf die Mutter eines kleinen Jungen, der genau den gleichen Herzfehler hat. Diesen erwachsenen Mann zu sehen und von seinem guten und erfolgreichen Leben zu erfahren, war für die Mutter mehr wert als die Berichte von 30 Ärzten“, sagt Jörg Däsler. Und auch wenn ihre eigene Geschichte kein gutes Ende genommen hat, können die Däslers Mut machen. Denn sie durften elf wunderbare Jahre mit ihrem Lukas verbringen, dem man anfangs sein Leben gar nicht zugetraut hatte.
Wichtige Kraft zurückgeben
Mit ihren Mitstreitern aus dem Verein, von denen viele ebenfalls betroffene Eltern sind oder in der Kinderkardiologie der Uniklinik RWTH Aachen arbeiten, entwickeln die Däslers stetig neue Angebote. „Demnächst möchten wir verstärkt die Familien der betroffenen Kinder in den Blick nehmen“, berichtet Jörg Däsler. „Als Eltern und Geschwister mit der ständigen Angst um das Kind und Geschwisterkind zu leben, ist wahnsinnig anstrengend. Die Fürsorge und die Aufmerksamkeit, die kranke Kinder benötigen, rauben der ganzen Familie Kraft. Wir wollen helfen, etwas von dieser Kraft zurückzugeben.“ Und so sind Sabine und Jörg Däsler voller Tatendrang, auch wenn ihnen ihre Arbeit manchmal mehr als schwerfällt. Aber sie machen weiter. Und Lukas ist stets dabei. In ihren Herzen und ihren Gedanken – und mit seiner Unterschrift, die als Tattoo die Handgelenke seiner Eltern ziert.
Herzkrankes Kind Aachen e. V
Tel.: 0241 99 74 10 74
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