Die Suchterkrankung: eine Begleiterin fürs Leben?

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Betroffene, die an einer Abhängigkeit erkrankt sind, leiden unter einem Konsumverlangen, das sie nur schwer bis gar nicht mehr beherrschen können. Sofern Betroffene ihrer Abhängigkeit nicht nachgehen können, entwickeln sie Entzugssymptome und verspüren ein starkes Bedürfnis ihrem Suchtverlangen wieder Folge zu leisten. Es beginnt ein Teufelskreis. apropos zeigt die Entstehung, Arten und Auswege aus der Abhängigkeit auf.

„Suchterkrankungen sind kein gesellschaftliches Randphänomen, sondern betreffen Millionen von Menschen in Deutschland, die Krankheit kann fatale Auswirkungen auf das Privat- und Berufsleben haben und den Alltag bestimmen“, weiß Dr. med. univ. Yvonne Chikere, verantwortliche Oberärztin der Sprechstunde für Alkoholentwöhnung der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik an der Uniklinik RWTH Aachen. Nicht jeder, der Suchtmittel konsumiert, ist abhängig. Dennoch besteht für einige Menschen, die Gefahr, die Kontrolle über den Konsum zu verlieren. Die Entwicklung einer schweren Abhängigkeit ist hierbei ein Prozess, die Übergange sind oft fließend.

Ein typischer Fall: Ein Betroffener leidet aufgrund von Stress unter Schlafstörungen und beginnt diese mit dem Konsum von Alkohol oder Cannabis zu behandeln. Nach und nach muss er die Dosis erhöhen, damit die erwünschte Wirkung anhält. Mit der Zeit ist ein Einschlafen ohne Substanzkonsum nicht mehr möglich, der Betroffene gerät in die Abhängigkeit.

Häufige Motive für die Einnahme von Suchtmitteln sind u. a. Schmerzlinderung, Leistungssteigerung, Stimmungsaufhellung oder der Wunsch nach Betäubung und Verdrängung von Konflikten. Die unbefriedigende Situation wird durch das Suchtmittel zunächst scheinbar gebessert, nach Abklingen der Substanzwirkung folgt die Ernüchterung durch die Konfrontation mit der Realität, das Verlangen nach erneutem Konsum steigt. Auf neurobiologischer Ebene wird durch den Konsum abhängigkeitserzeugender Substanzen das Belohnungssystem aktiviert, es kommt zu einer erhöhten Dopaminausschüttung. Das Gehirn verknüpft den positiven Reiz mit der Konsumhandlung und „fordert“ diesen wiederholt ein.

Diagnose

Ärztinnen und Ärzte sprechen von einem schädlichen Substanzgebrauch (Alkohol, Drogen, Medikamente), wenn der Konsum für körperliche oder psychische Konsequenzen verantwortlich ist und eine klar beschreibbare Schädigung vorliegt. Bei regelmäßigem Alkoholkonsum können beispielsweise bereits geringe Trinkmengen zu körperlichen Folgeerkrankungen führen (bei Männern ab ca. 30g/Tag, bei Frauen ab ca. 20g/Tag, 20g Alkohol entsprechen z. B. 0,5 l Bier oder 0,25 l Wein). Eine Substanzabhängigkeit wird diagnostiziert, wenn mindestens drei der folgenden Kriterien für mindestens einen Monat lang zusammen bestanden haben oder innerhalb von zwölf Monaten wiederholt aufgetreten sind:

  • Starkes Verlangen nach einer Substanz (z. B. Alkohol) oder eine Art Zwang, die Substanz zu konsumieren
  • Verminderte Kontrolle über den Substanzgebrauch
  • Körperliche Entzugserscheinungen bei Absetzen oder Reduktion der Konsummenge
  • Toleranzentwicklung gegenüber den Wirkungen der Substanz; die Wirkung lässt nach und Betroffene benötigen eine immer höhere Dosis, um mindestens die gleiche Wirkung zu erzielen
  • Vernachlässigung oder Aufgabe anderer Aktivitäten zugunsten des Konsums
  • Anhaltender Substanzgebrauch trotz auftretender schädlicher Folgen

Eine formal eigene Kategorie stellen die sogenannten stoffungebundenen Süchte (z. B. Glücksspiel, Kaufsucht, Computerspielsucht) dar. Ähnlich wie bei den Substanzabhängigkeiten besteht jedoch auch hier ein intensiver und kaum kontrollierbarer Drang, bestimmte Handlungen oder Verhaltensweisen trotz negativer psychosozialer Folgen ständig und ohne sinnvolle Motivation zu wiederholen. Die Betätigungen können exzessive Formen annehmen und das Leben der Betroffenen zunehmend bestimmen.

Therapie

Das primäre Behandlungsziel aller Therapien ist die Abstinenz. Eine Reduktion des Substanzkonsums im Sinne eines „kontrollierten Konsums“ sollte nur bei riskantem oder schädlichem Gebrauch geraten werden, wenn die genannten Abhängigkeitskriterien nicht zutreffen. Typischerweise müssen Betroffene zunächst eine (körperliche) Entgiftung bzw. Entzugsbehandlung durchmachen, die in der Regel stationär erfolgt. Im Anschluss werden im Rahmen der sogenannten Entwöhnungstherapie insbesondere Ursachen und Auslöser des Substanzkonsums erarbeitet und Maßnahmen zur Rückfallprophylaxe getroffen, um einem erneuten Substanzkonsum vorzubeugen. Meist unternehmen Betroffene mehrere Anläufe, bevor eine stabile und längerfristige Abstinenz tatsächlich erreicht wird. Oft ist es erforderlich, dass Betroffene ihren gewohnten Lebensstil verändern, wofür sie Hilfe bei der Wiedereingliederung in ihr Berufs- und Privatleben benötigen. In der Regel sind sie auf eine langfristige Nachbetreuung angewiesen. Auch körperliche Folgeschäden, die durch chronischen Substanzkonsum bedingt sind, erfordern oftmals eine kontinuierliche und langfristige Weiterbehandlung.

Zahlen und Fakten zu Suchterkrankungen in Deutschland:

Deutschland ist ein Alkohol-Hochkonsumland: Fast 3 Millionen Menschen in Deutschland trinken Alkohol in einem schädlichen Ausmaß. Mehr als 200 verschiedene Krankheiten, darunter Krebs- und Herz-Kreislauferkrankungen, können durch Alkohol mitverursacht werden.

Etwa 26 Prozent der Männer und 19 Prozent der Frauen (ab 15 Jahre und älter) rauchen. Die Zahlen sind seit Jahren rückläufig, der Konsum von Wasserpfeifentabak steigt allerdings stark an.

Etwa 1,5 bis 1,9 Millionen Menschen sind tablettenabhängig, insbesondere von Schlaf- und Beruhigungsmitteln.

Rund 15,2 Mio. Erwachsene im Alter von 18 bis 64 Jahren und etwa 481.000 Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren haben aktuellen Schätzungen zufolge zumindest einmal in ihrem Leben eine illegale Droge konsumiert. Cannabis ist dabei die meistkonsumierte illegale Droge.

Anlaufstellen für Betroffene und Angehörige:

Ambulante Anlaufstelle in der Region: www.suchthilfe-aachen.de

Beratungs- und Anlaufstellen für Betroffene und Angehörige von Mediensucht, wie Computerspiel- und Internetsucht (Hilfe finden: Fachverband Medienabhängigkeit e.V. (fv-medienabhaengigkeit.de))

Der Fachverband Sucht e. V. (FVS) listet Einrichtungen, die bei der Behandlung, Versorgung und Beratung von Betroffenen helfen (sucht.de)

Bundesweite Sucht & Drogen Hotline unter 01806 313031 (24 Stunden am Tag erreichbar)

Beratungstelefon für Betroffene von Glücksspielsucht: 0800 1372700 (Montag bis Donnerstag 10-22 Uhr, Freitag bis Sonntag 10-18 Uhr)

Selbsthilfegruppen in Ihrer Nähe finden Sie unter: https://www.nakos.de/

Tipps für Betroffene:

Damit eine Therapie anschlagen kann, müssen Sie den Willen haben, Ihre Situation verändern zu wollen.

Suchen Sie sich professionelle Hilfe, um Ihre Suchterkrankung zu verbessern. Sie brauchen sich nicht schämen, Sie haben sich Ihre Erkrankung nicht ausgesucht und haben das Recht, dass man Ihnen hilft!

Nutzen Sie die hier aufgeführten Anlaufstellen, um sich zu informieren und schauen Sie, welche Therapieoptionen für Sie in Frage kommen. Trauen Sie sich Kontakt aufzunehmen, die Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner sind auf diese Erkrankung spezialisiert und können Ihnen gezielt weiterhelfen ohne über Sie zu urteilen.

Haben Sie Geduld: Je länger Sie bereits mit Ihrer Sucht zu kämpfen haben, desto anspruchsvoller ist in der Regel die Therapie. Bleiben Sie dran und glauben Sie an sich!

Tipps für Angehörige:

Abhängigkeit ist eine körperliche und psychische Erkrankung: Betroffenen muss in allen Aspekten geholfen werden. Zeigen Sie der Person, dass Sie sie nicht alleine lassen und auch bei Rückfällen weiterhin unterstützen.

Geben Sie die Betroffenen niemals auf! Die Erkrankten fühlen sich oft hilflos und gegenüber ihrer Abhängigkeit ausgeliefert. Unterstützen Sie die Betroffenen, indem Sie mit Ihnen Anlaufstellen für eine professionelle Hilfe aufsuchen. Begleiten Sie sie gerne zu Erstgesprächen und zeigen Sie der betroffenen Person, dass sie den Weg nicht alleine gehen muss.

Sollte es zu Gewalttätigkeiten kommen, sollten Sie sich immer sofort zurückziehen und wenn notwendig, den Notruf 110 wählen.

Schwere Abhängigkeiten können dazu führen, dass die Person Verbrechen begeht, um ihre Sucht finanzieren zu können. Unterstützen Sie die Betroffenen nicht bei derartigen Handlungen und bedenken Sie, auch Sie können ein Opfer werden.

Auch Helfer können Hilfe gebrauchen: Wenn Sie merken, dass Sie Unterstützung brauchen, zögern Sie nicht, sich Hilfe zu besorgen. Der Hausarzt oder die Hausärztin ist ein guter erster Anlaufkontakt.

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