Kleine Wunden, Schnitte oder Hautverletzungen sind im Alltag schnell geschehen. Meist heilen solche Wehwehchen zügig und unproblematisch ab. Ist die Wunde jedoch größer, muss sie gelegentlich genäht werden – die Heilungsdauer verzögert sich. Doch manche Wunden wollen einfach nicht heilen. Die Haut wächst nicht nach, die Wunde verschließt sich nicht. Stattdessen: Schmerzen, Juckreiz, nässende Sekretion, farbliche Beläge und mitunter ein unangenehmer Geruch. Eine Wunde wird als chronisch bezeichnet, wenn sie nach vier bis zwölf Wochen trotz Behandlung nicht abheilt. apropos fasst zusammen, wie chronische Wunden entstehen und wie Betroffene ihr Leid lindern können.
Häufige Gründe für die Entstehung von chronischen Wunden sind Gefäßerkrankungen wie Durchblutungsstörungen, Diabetes („Zuckerkrankheit“) oder eine Schwäche des Immunsystems. Am häufigsten treten das „offene Bein“ (Ulcus cruris), Wundliege-/Druckgeschwüre (Dekubitus) sowie das diabetische Fußsyndrom auf. „Gerade Menschen mit Diabetes haben ein erhöhtes Risiko, chronische Wunden zu entwickeln. Der jahrelang erhöhte Blutzuckerspiegel verursacht schwere Schädigungen der Nerven und Blutgefäße in den Beinen. Die Folge: Selbst kleinste Verletzungen heilen nur schlecht ab, sie infizieren sich leicht und es entwickeln sich oft große Geschwüre, die sich bis auf den Knochen ausbreiten können“, weiß Priv.-Doz. Dr. med. Laurenz Schmitt, Oberarzt in der Klinik für Dermatologie und Allergologie – Hautklinik und Ärztlicher Koordinator der interdisziplinären Wundsprechstunde an der Uniklinik RWTH Aachen. Aber auch andere Systemerkrankungen können das Auftreten von Wunden begünstigen. „Eine akute Wunde, die nicht fachgerecht behandelt wird, kann ebenfalls chronisch werden. Verschlechtert wird die Wundheilung zusätzlich durch Lebensstilfaktoren wie Rauchen oder Übergewicht“, ergänzt Dr. Schmitt.
Der erste Schritt: die richtige Diagnose
Bei chronischen Wunden gilt es, immer zunächst die Ursache zu finden. „Neben der Wundversorgung ist es unerlässlich, dass die Ursache oder die begünstigende Grunderkrankung behandelt wird, die die Entstehung der Wunde verursacht hat“, betont Univ.-Prof. Dr. med. Amir Yazdi, Direktor der Klinik für Dermatologie und Allergologie – Hautklinik und Leiter des Wundzentrums an der Uniklinik RWTH Aachen. „Nur so können wir zielgerichtet eine fachgerechte Wundtherapie einleiten“, fügt er hinzu. Das bedeutet, dass die Experten beispielsweise bei einer gestörten Durchblutung erst den Blutfluss verbessern müssen, damit in einem nächsten Schritt auch die Wunde erfolgreich abheilen kann. „Wird die Ursache nicht behoben, besteht kaum eine Chance auf Heilung“, so der Klinikdirektor.
Multiprofessionelles Vorgehen
Um Patientinnen und Patienten eine moderne patientengerechte und qualitätsgesicherte Diagnostik und Therapie zu gewährleisten, arbeitet im interdisziplinären Wundzentrum ein umfassendes Netzwerk an Spezialisten zusammen. „Es bedarf Diabetologen, die beispielsweise den Blutzucker richtig einstellen. Gefragt sind aber auch Radiologen, Angiologen und Gefäßchirurgen, die unter anderem die Durchblutung weitestgehend wiederherstellen können. Dermatologen, Plastische Chirurgen und zertifizierte Wundexperten sind dann dafür zuständig die Wunden von abgestorbenem Gewebe zu befreien, zu reinigen und operativ zu versorgen“, erklärt Prof. Yazdi. Auf diese Weise kann das interdisziplinäre Team einen bestmöglichen Heilungsverlauf sicherstellen.
Moderne Wundversorgung lindert Leid
Eine zerstörte Hautbarriere begünstigt den Eintritt von Erregern. Daher besteht bei chronischen Wunden ein besonders hohes Risiko für Infektionen. Aus diesem Grund ist eine sorgfältige Säuberung, etwa mit medizinischen Spüllösungen, erforderlich. „Ist im Wundbereich das Gewebe bereits abgestorben, müssen wir es mittels verschiedener Verfahren entfernen, damit die Verletzung ausheilen kann“, erläutert Dr. Schmitt. Welches Verfahren dafür geeignet ist, hängt von der Art und der Größe der Verletzung ab. Gelangen Bakterien in die Wunde, droht eine Entzündung. Da sich chronische Wunden, solange sie infiziert sind, nicht verschließen lassen, müssen sie milieu- und stadiengerecht versorgt werden. Das verhindert nicht nur erneute Infektionen, sondern auch das Austrocknen des Wundgrundes. „Die richtige Wundauflage spielt hierbei eine wichtige Rolle. Am Zentrum arbeiten wir im Rahmen der Wunderversorgung mit modernsten Wundauflagen: von interaktiven und inaktiven bis hin zu bioaktiven Wundauflagen“, so der Oberarzt. Ohne eine fachgerechte Behandlung können sich Bakterien und Krankheitserreger weiter ausbreiten und es besteht die Gefahr einer Blutvergiftung (Sepsis). Eine chronische Wunde kann dazu führen, dass sich der Patient unwohl fühlt, Scham empfindet oder aus dem sozialen Leben zurückzieht. „Aus diesem Grund ist eine gute persönliche und medizinische Unterstützung so wichtig“, macht Prof. Yazdi deutlich.
Begleitende Maßnahmen zur Unterstützung der Wundheilung
Da Betroffene in der Regel nicht nur seelisch, sondern auch körperlich aufgrund starker Schmerzen unter ihren chronischen Wunden leiden, ist neben der Behandlung der Grunderkrankung und der Wundversorgung eine adäquate Schmerztherapie ein wichtiger Bestandteil der Therapie. Grundsätzlich ist die Therapie chronischer Wunden komplex, langwierig und vor allem belastend. Meist vergehen Monate oder gar Jahre bis zu einer Heilung – auf die dann eventuell rasch ein Rückfall folgt. „Das Ziel jeder Behandlung ist, die Lebensqualität durch einen Wundschluss wiederherzustellen, bestehende Schmerzen zu lindern und die für die Wunde ursächliche Grunderkrankung zu behandeln“, betont der Klinikdirektor. Dies kann entweder konservativ über lokale Maßnahmen oder auch durch operative Eingriffe erfolgen.
Ziel der interaktiven Wundversorgung ist es, die Wunde vor dem Austrocknen zu schützen. Dafür wir ein feuchtwarmes Milieu geschaffen, welches gleichzeitig das Verkleben der Wunde mit dem Auflagen-material verhindern soll.
Inaktive Wundauflagen werden vor allem bei der Behandlung von trockenen Wunden eingesetzt, da sie das Wundsekret gut aufnehmen.
Bei aktiven Wundmaterialien handelt es sich um bioaktive Materialien wie gezüchtete Hautzellen oder Hauttransplantate. Diese Wundauflagen werden in der Regel zur temporären Wundabdeckung bei Brand-wunden eingesetzt.