Beckenbodentraining: für eine starke Körpermitte

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Eins vorweg: Beckenbodentraining ist nicht nur Frauensache! Auch Männer können von einer kräftigen Beckenbodenmuskulatur profitieren. apropos verrät, warum ein starker Beckenboden Ihr Leben verändern kann und mit welchen Übungen er sich einfach und gezielt trainieren lässt.  

Auch wenn man ihn im Alltag kaum wahrnimmt, ist der Beckenboden ein sehr wichtiger Muskel. Egal ob beim Lachen, Husten, Niesen, Springen oder bei körperlicher Anstrengung, der Beckenboden muss tagtäglich dem hohen Druck, der im Bauchraum entsteht, standhalten. Eine starke Beckenbodenmuskulatur stabilisiert die Bauch- und Beckenorgane und bewahrt uns dadurch nicht nur vor verschiedenen Beschwerden wie beispielsweise Inkontinenz oder Rückenschmerzen, sondern sorgt unter anderem auch für eine aufrechte Körperhaltung. Und dennoch wird die Relevanz eines gesunden und funktionsfähigen Beckenbodens bei Frauen und Männern, besonders im fortgeschrittenen Lebensalter, häufig immer noch unterschätzt.

Was Sie über den Beckenboden wissen sollten

Viele Menschen wissen nicht einmal genau, wo im Körper sich der Beckenboden befindet. Und selbst wer ihn kennt, lässt ihn meist außer Acht. Erst wenn die Beckenbodenmuskulatur schlapp macht, wird uns klar, was sie alles für uns leistet. Bestehend aus drei Muskelschichten, Bändern und Bindegewebe hängt die Muskelgruppe wie eine straff gespannte Hängematte im unteren Beckenausgang und gibt dort den Organen und Strukturen im Unterbauch Halt. Der Beckenboden verbindet die Beine mit dem Oberkörper und sorgt dafür, dass wir unseren Körper stabil aufrecht halten können. Ein echtes Powerbündel! Seine drei Gewebeschichten sind  übereinander gelagert und insgesamt etwa drei Zentimeter dick. Dabei ist die obere Muskelschicht die stabilste und breiteste, denn sie trägt die Hauptlast der Organe und reicht fächerartig vom Schambein bis zum Steißbein. Die mittlere Schicht erstreckt sich quer zwischen den beiden Sitzbeinhöckern. Die untere Schicht führt wie eine achtförmige Muskelschlinge um die Körperöffnungen herum. Während sie bei Frauen vorn die Harnröhre und die Scheide umschließt, verläuft sie bei Männern entlang der Penisbasis. Bei beiden Geschlechtern umschließt die untere Muskelschicht zudem den After. Auch der Damm ist Teil des Beckenbodens. Ist die Beckenbodenmuskulatur in ihrer Funktion gestört oder geschwächt, kann das Folgen für den gesamten Körper haben.

Warum und für wen ist Beckenbodentraining sinnvoll?

Bereits durch Bewegungsmangel und vieles Sitzen wird die Beckenbodenmuskulatur geschwächt. Auch eine schlechte Körperhaltung, Übergewicht, chronischer Husten, wiederholtes schweres Heben und Pressen oder Bindegewebsschwäche können sich negativ auf sie auswirken. Bei Frauen werden  die Muskeln zusätzlich durch Schwangerschaft und Geburt stark beansprucht. Auch durch Rückgang der allgemeinen Fitness und sportlichen Aktivität sowie durch normale Alterungsprozesse wird die Muskulatur im Becken immer schwächer. Daher ist das Training sowohl für Frauen als auch für Männer empfehlenswert.

Denn wer seinen Beckenboden stärkt, hat viele Vorteile: Ein kräftiger Beckenboden hilft nicht nur bei einer ganzen Reihe gesundheitlicher Beschwerden wie Rücken-, Nackenschmerzen oder Inkontinenz, insbesondere bei Frauen nach einer Schwangerschaft und Geburt. Männer können damit auch möglichen Folgen von Prostata- und Darmoperationen sowie einer Impotenz aktiv vorbeugen. Zudem sorgt ein gut trainierter Beckenboden für eine starke Körpermitte und einen aufrechten Gang. Letztlich verbessert es die Lebensqualität. Gerade weil das Risiko einer gesundheitlichen Beeinträchtigung durch einen schwachen Beckenboden im Laufe des Lebens durch natürliche Alterungsprozesse steigt, ist es umso wichtiger, frühzeitig mit dem Training zu beginnen.

Den Beckenboden bewusst spüren

Bevor man mit speziellen Beckenbodenübungen beginnt, ist es wichtig, den Muskel erst einmal zu spüren, um ihn dann gezielt an- und entspannen zu können. Dies gelingt am einfachsten, wenn Sie sich vorstellen, während des Wasserlassens den Harnstrahl anzuhalten. Spüren Sie dabei eine sanfte schließende und hebende, nach vorne gerichtete Bewegung. Spannen Sie den Schließmuskel sanft an und entspannen wieder. Machen Sie eine kurze Pause, bevor Sie den Vorgang wiederholen. Zur Wahrnehmungsförderung kann diese Methode bedenkenlos ausgeübt werden. Achtung: Ein Stoppen des Harnstrahls beim tatsächlichen Wasserlassen sollte hingegen auf gar keinen Fall durchgeführt werden, da es sich negativ auf die Blasenfunktion auswirken kann.

Den Beckenboden aktivieren

Versuchen Sie nun den Beckenboden ausatmend auf ein sanftes „cch“ (wie beim Wortlaut „ich“) anzuspannen und mit der Einatmung wieder kontrolliert zu entspannen. Machen Sie eine kurze Pause, bevor Sie den Vorgang wiederholen. Wenn Ihnen das gelingt, können Sie die Beckenbodenspannung auch über mehrere Atemzüge halten, bevor Sie ihn wieder entspannen.

In den Alltag integrieren

Wiederholen Sie diese Anspannungsübungen so oft wie es Ihnen möglich ist, indem Sie sie in den Alltag einbauen. Nutzen Sie doch Wartezeiten beispielsweise an der Bushaltestelle, beim Bäcker oder an der Supermarktkasse, um Ihren Beckenboden mehrfach hintereinander anzuspannen und wieder loszulassen. Beim Autofahren oder im Büro in Sitzposition kann ebenso gut geübt werden. Probieren Sie es einfach mal aus. Ihr Beckenboden wird es Ihnen danken!

Beckenbodenübungen

Wenn Sie den Beckenboden gut wahrnehmen und bewusst anspannen können, können Sie mit folgenden Beckenbodenübungen fortfahren. Der Beckenboden wird im Verbund mit der Rumpf- und Beckenmuskulatur trainiert, die aufgrund Ihrer anatomischen Nähe und ihrem funktionellem Zusammenspiel einen großen Einfluss auf die Beckenbodenaktivität haben.

Wichtig ist, dass Sie während des Trainings nicht den Atem anhalten, sondern die Übungen mit der Atmung kombinieren.

Übung 1:

Setzen Sie sich in eine aufrechte Position. Legen Sie das Theraband vorne um die Unterschenkel, halten es seitlich mit den Händen fest und bringen es in leichte Vorspannung. Spannen Sie ausatmend den Beckenboden sanft an und ziehen Sie das Band nach hinten. Achten Sie dabei auf eine aufrechte Sitzposition. Halten Sie am Ende der Bewegung die Spannung über 3 bis 5 Atemzüge und bewegen dann langsam zurück in die Ausgangsposition und entspannen kontrolliert den Beckenboden.

Wiederholen Sie die Übung mindestens 10 Mal.

Übung 2:

Sie sitzen in einer aufrechten Position. Legen Sie das Theraband vorne um die Unterschenkel herum, überkreuzen es auf der Rückseite der Beine und führen es jeweils von außen um die Oberschenkel herum auf die Vorderseite. Hier verknoten Sie es zweimal. Heben Sie nun die Vorfüße an, sodass Sie auf den Fersen stehen. Spannen Sie ausatmend den Beckenboden sanft an und ziehen Sie das Band auseinander. Halten Sie am Ende der Bewegung die Spannung über 3 bis 5 Atemzüge und bewegen Sie sich dann langsam wieder zurück in die Ausgangsposition und entspannen dabei wieder den Beckenboden. Während der gesamten Bewegungsausführung bleibt das Band unter Spannung.

Mit dieser Übung stärken Sie zusätzlich die Außenrotatoren der Hüftgelenke, die als wichtige Stabilisatoren des Beckenbodens dienen.

Wiederholen Sie die Übung 10 Mal.

Übung 3:

Legen Sie das Theraband mittig auf einen Stuhl und setzen sich gerade darauf. Überprüfen Sie, ob Sie auf Ihren Sitzbeinhöckern sitzen. Greifen Sie nun mit der rechten und linken Hand jeweils das Ende des Therabandes. Bringen Sie es in eine leichte Vorspannung. Ausatmend spannen Sie nun den Beckenboden an und ziehen Sie das Band symmetrisch Richtung Decke. Achten Sie darauf, dass Ihre Schultern unten bleiben. Halten Sie am Ende der Bewegung die Spannung über 3 bis 5 Atemzüge und bewegen Sie dann die Arme wieder zurück in die Startposition und entspannen langsam den Beckenboden.

Insgesamt sollte das Ganze 10 Mal wiederholt werden.

Übung 4:

Sie befinden sich in einer aufrechten Sitzposition. Legen Sie eine Hand flach auf Ihr Brustbein, die andere Hand auf den Unterbauch. Spannen Sie ausatmend den Beckenboden an und neigen den aufgerichteten Oberkörper nach hinten, sodass der Abstand zwischen beiden Händen unverändert bleibt. Die Wirbelsäule ist stabil, während die Bewegung über die Hüftgelenke erfolgt. Halten Sie nun die Endposition für 3 bis 5 Atemzüge. Dann bewegen Sie ausatmend mit Beckenbodenspannung den Oberkörper wieder zurück in die Ausgangsposition und entspannen schließlich den Beckenboden.

 Wiederholen Sie die Übung 5 bis 10 Mal.

Steigerung:
Verschränken Sie während der Übung Ihre Hände am Hinterkopf, wobei die Ellenbogen nach außen zeigen.

Übung 5:

Legen Sie sich in die Rückenlage. Die Füße sind angestellt und die Knie schauen Richtung Decke. Die Arme befinden sich seitlich neben dem Körper, sodass die Handinnenflächen nach oben schauen. Spannen Sie ausatmend den Beckenboden sanft an, bewegen das Schambein leicht Richtung Bauchnabel, sodass sich das Becken aufrichtet und heben das Becken an, bis Rumpf, Becken und Oberschenkel zusammen eine Linie ergeben. Halten Sie die Endposition über 3 bis 5 Atemzüge. Dann rollen Sie langsam Wirbel für Wirbel wieder ab und entspannen den Beckenboden.

Wiederholen Sie die Übung 10 Mal.

Übung 6:

Begeben Sie sich in den Unterarmstütz. Die Ellenbogen befinden sich unter den Schultergelenken, die Knie unter den Hüftgelenken. Achten Sie darauf, dass der untere Rücken nicht durchhängt. Der Kopf befindet sich in Verlängerung der Wirbelsäule. Ausatmend spannen Sie den Beckenboden an,  spannen das Schambein Richtung Bauchnabel und heben die Knie 1 bis 2 Zentimeter von der Unterlage ab. Atmen Sie dabei weiter und halten diese Position über 3 bis 5 Atemzüge. Dann setzten Sie die Knie wieder ab und entspannen den Beckenboden.

Machen Sie anschließend eine kurze Pause und wiederholen die Übung 8 bis 10 Mal.

Husten und Niesen

Husten und Niesen stellen aufgrund der plötzlichen Druckerhöhung eine hohe Belastungsprobe für den Beckenboden dar. Schonen Sie diesen bzw. verbessern Sie dessen Stützkraft, indem Sie den Oberkörper aufrecht halten. Die Aufrichtung sichern Sie, indem Sie seitlich nach oben/hinten in die Ellenbeuge husten. Spannen Sie zusätzlich den Beckenboden an. Vermeiden Sie im Stand x-Beine.

Alternative Sportarten

Neben den Übungen gibt es auch Sportarten, die zusätzlich den Beckenboden stärken. Neben Gymnastikformen wie Yoga und Pilates eignen sich auch Ausdauersportarten wie Walking oder Fahrradfahren gut zur Kräftigung des Beckenbodens. Schwimmen kann ebenso dafür genutzt werden, einen ausgeprägten Beckenboden zu entwickeln. Vor allem bei Rücken- oder Gelenkproblemen sind das gute Alternativen.



Wenn Sie bereits unter Inkontinenz leiden, wenden Sie sich an Ihre/n Urologin/-en oder Gynäkologin/-en. Über die Arbeitsgemeinschaft für Geburtshilfe, Gynäkologie, Urologie und Proktologie (AG GGUP) finden Sie eine bundesweite Therapeutenliste von spezialisierten Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten, die Ihnen auf diesem Gebiet professionell weiterhelfen. 



10 Anzeichen für einen schwachen Beckenboden:

• Sie müssen ständig auf die Toilette.

• Beim Heben, Hüpfen, Husten oder Niesen entwischt Ihnen Urin.

• Schmerzen im Beckenbereich oder beim Urinieren

• Sie haben das Gefühl einer unvollständigen Entleerung der Blase oder des Darms.

• Sie haben Schwierigkeiten mit der Darmkontrolle.

• Beim Laufen verspüren Sie ein Druckgefühl nach unten.

• Sie haben ein Fremdkörpergefühl

• Sie haben häufig Rückenschmerzen, besonders im Bereich der Lendenwirbelsäule.

• Hoden-, Leisten- oder Beckenschmerzen

• Geringeres Lustempfinden beim Sex


Wann ist ein Beckenbodentraining hilfreich?

Bei Mann und Frau:
• Bindegewebsschwäche
• Körperhaltungsschwäche
• Übergewicht
• Blasenschwäche
• Darmschwäche

Bei Frauen:
• Vor und nach der Geburt
• Bindegewebsschwäche durch Hormonveränderungen in den Wechseljahren
• Gebärmuttersenkung
• Nach Operationen im Beckenbereich

Bei Männern:
• Nach Operationen an der Prostata
• Potenzprobleme

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