Angst hat eine wichtige Funktion: Sie schützt uns und hilft uns dabei, sich nicht unvorsichtig zu verhalten und so in schwierige oder gar lebensbedrohliche Situationen zu geraten. Doch wo endet Angst und beginnt eine Erkrankung? apropos klärt diese Frage und zeigt Symptome, Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten auf.
Gerade die Corona-Pandemie vergegenwärtigt uns, was es heißt, Angst zu haben: um unsere eigene Gesundheit, aber auch um das Wohl unserer Liebsten. Jeder Mensch verspürt zwischendurch Ängste. Dieser Zustand ist normal und warnt uns vor Gefahren, damit wir diese vermeiden oder ausschließen können. Wenn die Ängste jedoch unbegründet sind, ein normales Maß überschreiten, die Betroffenen dauerhaft belasten und ihre Lebensqualität massiv einschränken, werden sie problematisch – man spricht in diesen Fällen von einer Angststörung. Forschende gehen davon aus, dass rund ein Viertel aller Menschen einmal im Leben unter einer solchen seelischen Erkrankung leidet.
Ursachen und Symptome
Die Ursachen von Angststörungen lassen sich nicht immer in Gänze klären. Oftmals spielen sowohl körperliche als auch psychische Faktoren eine entscheidende Rolle, wie Univ.-Prof. Dr. med. Thomas Frodl, Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik an der Uniklinik RWTH Aachen, weiß: „Viele Betroffene haben Traumata, Lebenskrisen, Verluste oder andere belastende Erfahrungen erlitten. Aber auch biologische und erbliche Faktoren spielen eine Rolle. Ebenfalls bedeutsam sind auch die eigenen Ressourcen sowie die vorhandene Unterstützung aus dem Umfeld. “
Angstpatientinnen und -patienten empfinden übersteigerte Angstgefühle vor Dingen oder Situationen, die für andere Menschen normal und völlig unbedenklich sind. Es handelt sich in der Regel also nicht um echte Bedrohungen, aber die Betroffenen nehmen diese Momente als solche wahr. Angststörungen äußern sich typischerweise mit psychischen Symptomen aber auch körperlichen Anzeichen wie Nervosität, Unruhe, Herzrasen, Atemnot, Schweißausbrüchen, Zittern, Übelkeit, Schwindel und einem Engegefühl in der Brust.
Diagnose
Wer Angst vor Insekten, Prüfungen oder beispielsweise vor dem Reden vor größeren Gruppen hat, ist deshalb meistens nicht gleich an einer Angststörung erkrankt. „Aufmerksam werden muss man, wenn man selbst oder Personen im Umfeld dauerhaft nur noch an ihre Ängste denken. Wenn sie ihre Lebensqualität und Bewegungsfreiheit durch die Sorgen als eingeschränkt empfinden, oder sich depressiv fühlen und Suizidgedanken entwickeln, muss dringend gehandelt werden“, rät Prof. Neuner. Wichtig ist, dass neben der Diagnose einer Angststörung andere körperliche Erkrankungen vor einer Behandlung ausgeschlossen werden. Nur so kann die individuelle Therapie an den richtigen Punkten ansetzen.
Insbesondere, wenn Personen ihre Angstzustände mit Alkohol, Drogen oder Tabletten zu lindern versuchen, sollten sie dringend eine professionelle Hilfe anstreben. Ob tatsächlich eine Angststörung vorliegt, sollte optimaler Weise von einem Facharzt oder einer Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie diagnostiziert werden. Die Expertinnen und Experten können in einem Untersuchungsgespräch typische Anzeichen der Erkrankung erkennen und individuell passende Behandlungsmöglichkeiten vorschlagen.
Therapie
Zur Behandlung von Angststörungen stehen heute erfolgsversprechende psychotherapeutische Verfahren sowie Medikamenten wie Antidepressiva zur Verfügung. Hierbei ist jedoch eine vertrauensvolle und offene therapeutische Beziehung besonders wichtig. Die Behandlung braucht Zeit und Geduld: Je länger die Erkrankung bereits besteht, desto schwieriger wird es, sie zu behandeln. Hier gilt aber auch: Besser spät als nie. Ohne eine wirksame Therapie verlaufen Angststörungen häufig chronisch und bilden sich nicht wieder selbstständig zurück. Es besteht sogar die Gefahr, dass sich die Symptome mit der Zeit noch verschlimmern. „Niemanden müssen seine Ängste unangenehm sein. Jede Angstpatientin und jeder Angstpatient hat ein Recht auf Hilfe. Es handelt sich hier um ein weit verbreitetes Krankheitsbild, mit dem wir in Fachkreisen ohne Vorurteile umgehen, insofern ist jede Scham fehl am Platz“, so Prof. Neuner.
Weiterführende Hilfsangebote:
Eine unterstützende Möglichkeit, die Ängste zu behandeln, kann die Teilnahme an Selbsthilfegruppen sein: Dort können Betroffene sich austauschen und über die Erkrankung informieren.
Selbsthilfegruppen in der Nähe finden Sie unter: www.nakos.de.
Weitere Informationen zu Angststörungen erhalten Sie hier: www.patinfo.org
Die häufigsten Arten von Angststörungen
Panikstörung:
plötzlich anfallsartig auftretende „Panikattacken“, die üblicherweise mehrere Minuten dauern, bis hin zur Todesangst
Generalisierte Angststörung:
anhaltende Ängste als chronischer Dauerzustand, die bei Betroffenen Angespanntheit, Unruhe und Nervosität auslösen
Soziale Phobie:
Angst und Vermeidung von Interaktionen mit anderen Menschen, weil negative Erlebnisse befürchtet werden
Spezifische Phobien:
Angst vor einzelnen Objekten oder Situationen, wovor die Angst eher irrational und übertrieben ist – wie bei Spinnen, Blut oder großen Höhen
Agoraphobie („Platzangst“):
Angst, sich alleine in der Öffentlichkeit oder in öffentlichen Verkehrsmitteln zu bewegen – häufig auch in größeren Menschenmengen und auf öffentlichen Plätzen
Was kann man selber tun?
Die wichtigste Regel: Sie sollten sich Ihren angstauslösenden Situationen stellen und diese nicht vermeiden. Körperliche Symptome wie Herzrasen oder Unwohlsein führen dabei nicht zu schädlichen Folgen. Wenn Sie Hilfe benötigen, sollten Sie sich einer Vertrauensperson gegenüber öffnen und gemeinsam mit ihr weitere Schritte, wie eine professionelle Unterstützung, planen.
Vergessen Sie nicht: Es ist sehr schwer, sich angstauslösenden Situationen zu stellen, vor allem wenn Sie diese lange vermieden haben. Versuchen Sie kleine Schritte, denn je häufiger Sie sich Ihrer Angst stellen, desto weniger Raum nehmen die Ängste in Ihrem Leben ein. Feiern Sie sich für kleine Erfolge!
In Stresssituationen können Ihnen Entspannungsübungen weiterhelfen. Schauen Sie doch einmal in der nächsten Buchhandlung vorbei, dort finden Sie viele Ratgeber mit hilfreichen Tipps und anschaulich erklärten Übungen.
Informieren Sie sich über Angsterkrankungen: Das Wissen kann Ihnen dabei helfen, Ihre eigenen Ängste und Ihr eigenes Handeln besser zu verstehen.
Was können Angehörige tun?
Angstpatientinnen und -patienten verspüren häufig einen sehr hohen Leidensdruck und empfinden ihre Situation als ausweglos. Bedenken Sie, dass sich niemand seine Erkrankung aussucht: Ratschläge, dass Betroffene sich „nur zusammenreißen müssten“, sind nicht nur wirkungslos, sondern können die Lage verschlimmern.
Seien Sie offen und ansprechbar: Der erste Schritt auf dem Weg zu einer erfolgreichen Therapie ist für Betroffene häufig ein Gespräch mit nahestehenden Menschen, die sie bei der Bewältigung ihrer Erkrankung unterstützen.
Ermutigen Sie den Betroffenen, professionelle Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen. Begleiten Sie die Person auf ihrem Weg und helfen Sie insbesondere bei der Erstkontaktaufnahme zu ärztlichem und psychotherapeutischem Personal.
Informieren Sie sich über Angsterkrankungen: Das Wissen kann Ihnen dabei helfen, diese Krankheit besser zu verstehen, das Handeln der betroffenen Person einzuordnen und sie gezielter zu unterstützen.