Die Ironwoman

Frau Stienen, Sie sind recht spät zum Triathlon gekommen. Wann haben Sie angefangen?
Stienen: Die Idee, einen Triathlon zu machen, spukte schon lange in meinem Kopf herum. Nachdem ich diese erstmal begraben hatte und mich auf meine berufliche Ausbildung konzentriert habe, habe ich sie 2011 wieder hervorgekramt und mich für meinen ersten Triathlon angemeldet, den ich dann im Sommer 2012 im Alter von 32 Jahren gemacht habe. Mit dem Training dafür habe ich im Winter davor angefangen.

Was kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie an Ihre Anfangszeit als Langdistanz-Triathletin denken?
Stienen: Wie soll ich 180 Kilometer Radfahren und danach auch noch laufen?

Sie scheinen ja einen Weg dafür gefunden zu haben. Welche Wettkämpfe haben Sie zuletzt bestritten und was sind Ihre Pläne für die Zukunft?
Stienen: Im vergangenen Jahr habe ich insgesamt acht Wettkämpfe bestritten. Besondere Erlebnisse waren dabei der erste Platz beim Indeland Triathlon im Mai und der Sieg beim Ironman Barcelona im Oktober mit acht Stunden, 54 Minuten und 27 Sekunden. Dieses Jahr steht die Weltmeisterschaft auf Hawaii im Fokus. Leider habe ich mir nach einer langen Verletzung im Winter im Juni einen Muskelfaserriss im Oberschenkel zugezogen, sodass ich Wettkämpfe im Sommer absagen musste.

Was sind Ihre größten sportlichen Erfolge?
Stienen: Das waren zum einen der Gewinn des Weltmeistertitels der Altersklasse 30 2013 auf Hawaii, dann aber auch die beiden Ironman-Siege in Schweden 2015 und Barcelona 2016.

Haben Sie Erinnerungen an das damalige Rennen in Barcelona? Und können Sie daraus „Lehren” für Ihren Start beim Ironman auf Hawaii im Oktober ziehen?
Stienen: Ich erinnere mich gut daran, dass es sehr warm war. Das wird im Oktober auf Hawaii auch so sein, dazu kommt dann noch die hohe Luftfeuchtigkeit. Letztes Jahr hatte ich eine gute Strategie, meinen Körper während des Wettkampfes zu kühlen. „Lehren” musste ich zum Glück keine ziehen, sondern kann meiner Strategie, die ich in den letzten Jahren entwickelt habe, was die Kühlung und Ernährung betrifft, treu bleiben.

Bereiten Sie sich denn speziell auf die Hitze vor?
Stienen: Ich werde mich zu Hause vorbereiten, für ein längeres Trainingslager fehlt einfach Zeit und Geld. Ich werde sicherlich einige Tage bei uns zu Hause im Keller trainieren und gegebenenfalls auch mal das Fenster zulassen.

Und wie trainieren Sie?
Stienen: Ich trainiere oft alleine, genieße aber auch mal Gesellschaft und freue mich darüber, wenn es zeitlich passt, dass mein Mann und ich zusammen trainieren können. Außerdem genieße ich das Schwimmtraining im Verein.

Kümmern Sie sich eigentlich selbst um Ihren Trainings- und Wettkampfplan oder haben Sie dabei professionelle Hilfestellung?
Stienen: Teilweise kümmere ich mich selber darum, hauptsächlich übernimmt aber mein Mann die Trainings-planung für mich. Er betreut auch noch weitere Triathleten.

Worauf werden Sie in der Rennwoche ernährungstechnisch besonders achten?
Stienen: Da achte ich besonders auf ausreichende Flüssigkeits- und Elektrolytzufuhr. In den letzten Tagen vor dem Rennen vermeide ich zunehmend ballaststoffreiche Ernährung. Je näher der Wettkampf kommt, desto kohlenhydratreicher wird meine Ernährung.

Und in mentaler Hinsicht?
Stienen: Das Rennen werde ich immer häufiger visualisieren; die Strecke an sich, aber auch mögliche Höhen und Tiefen.

Können Sie denn auch mal zwischendrin relaxen? Womit verbringen Sie Ihre trainingsfreie Zeit?
Stienen: Mit Arbeiten (zwinkert). Da bleibt tatsächlich nicht viel Freiraum und wenn doch mal, dann lege ich gerne die Beine hoch und lese, höre Musik oder schlafe, damit mein Kör-per regenerieren kann.

Neben Ihrem Leben als Triathlonprofi arbeiten Sie weiterhin als Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin in der Uniklinik RWTH Aachen. Wie sieht ein ganz normaler Tag bei Ihnen aus?
Stienen: Zum Beispiel so: 6:30 Uhr – aufstehen, duschen, frühstücken. Um 7:30 Uhr klingelt die NADA, Doping-kontrolle steht an – natürlich nicht jeden Tag (zwinkert). Dadurch verzögert sich der für 8:30 Uhr geplante Beginn des Trainings. Um 9:30 Uhr Radfahren für 150 Minuten, Rolleneinheit im Keller mit wettkampfspezifischen Intervallen. Im Anschluss direkt 60 Minuten laufen, sechs Kilometer Wettkampf tempo, duschen, Mittagessen, Lunchbox packen, um 15:30 Uhr Dienstbeginn, um 22:30 Uhr Dienstende.

Wow, wir sind angesichts dieses Tagesablaufs beeindruckt! Wie lässt sich Arbeit, Familie und Profisport unter einen Hut bringen?
Stienen: Mit jeder Menge Disziplin und Spaß an der Sache. Und man muss flexibel sein.

Werden Sie auf Ihrer Reise nach Hawaii von Freunden und Ihrer Familie begleitet?
Stienen: Nach Hawaii wird mich mein Mann, der ja auch gleichzeitig mein Trainer, Masseur, mentaler Beistand ist, begleiten. Er wird mein Trainingspartner sein und mich am Wettkampftag unterstützen, wo er kann.

Was für ein Gefühl ist das, nach so vielen Kilometern ins Ziel einzulaufen?
Stienen: Egal wie es läuft, ob man eine guten oder schlechten Tag hat, man ist am Ende froh, im Ziel zu sein. Wenn es richtig gut lief, dann kullern auch gerne mal Freudentränen. Worte hierfür zu finden, ist schwer, aber es ist etwas ganz Besonderes. Den Moment muss man genießen.

Vielleicht bekommt der eine oder andere beim Lesen dieses Interviews auch Lust: Haben Sie Tipps für Triathlon-Einsteiger?
Stienen: Einfach ausprobieren. Es gibt jede Menge Veranstaltungen, bei denen man mitmachen kann. Ach ja, und am Anfang erst mal mit kurzen Distanzen anfangen und sich dann langsam hocharbeiten. Wer noch nicht schwimmen kann beziehungsweise keine korrekte Kraultechnik beherrscht, dem empfehle ich, dafür einen Kurs zu belegen.

Frau Stienen, wir danken Ihnen für das Gespräch und wünschen Ihnen viel Erfolg für den anstehenden Ironman auf Hawaii!


Der Ironman

ist eine bestimmte Wettkampfdistanz des Triathlons: ein Langdistanz-Triathlon.
Das heißt 3,86 km Schwimmen, 180 km Radfahren und 42,2 km Laufen.

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