Wenn der Juckreiz zur Qual wird

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Hautexpertin Prof. Dr. med. Verena von Felbert, Oberärztin in der Klinik für Dermatologie und Allergologie – Hautklinik an der Uniklinik RWTH Aachen, spricht über Ursachen, Anzeichen und Therapie von Neurodermitis.

Die beiden häufigsten entzündlichen Hautkrankheiten sind die Schuppenflechte (Psoriasis) und die Neurodermitis. Beide sind durch eine Überreaktion des Immunsystems verursacht und nicht ansteckend. Juckreiz ist bei beiden Erkrankungen häufig, aber insbesondere die Neurodermitis geht meist mit starkem Juckreiz einher. Nicht nur Kinder und Jugendliche leiden unter den Qualen dieses Symptoms, auch Erwachsene und Senioren sind betroffen. Die Diagnose und die effektive Behandlung sind eine Herausforderung, die auch dank neuer Systemtherapeutika meist bewältigt werden kann.

Sowohl die Psoriasis als auch die Neurodermitis können in jedem Lebensalter vorkommen. Während die Schuppenflechte meist erst im Erwachsenenalter auftritt, ist das erste Lebensjahr der Zeitpunkt im Leben,
in dem die meisten Menschen an Neurodermitis leiden. Die Symptome sind unterschiedlich, je nach Mensch, aber auch je nach Lebensalter.

Vielfältige Beschwerden, unterschiedliche Ursachen

„Allen Lebensaltern gemeinsam ist die trockene, gerötete Haut, viele leiden an stark juckendem Hautauschlag oder eingerissenen Mundwinkeln“, erläutert Prof. Dr. med. Verena von Felbert, Oberärztin in der Klinik für Dermatologie und Allergologie – Hautklinik an der Uniklinik RWTH Aachen. „So vielfältig die Beschwerden sind, so unterschiedlich sind auch die Ursachen von Neurodermitis, zu denen neben der gestörten Hautbarriere auch eine Fehlfunktion des Immunsystems gehört. „Beim Ausbruch der Neurodermitis, die wir auch atopische Dermatitis nennen, wirken zahlreiche Faktoren zusammen, die gemeinsam zu einer trockenen, entzündeten Haut führen“, erklärt die Professorin weiter. Durch die gestörte Hautbarriere wird der Haut Feuchtigkeit entzogen, was zur Trockenheit der Haut führt. Der durchlässige Schutzmantel begünstigt aber auch das Eindringen von Bakterien, Allergenen und anderen schädigender Stoffe, die dann eine Immunreaktion hervorrufen. Diese Immunreaktion wird verstärkt durch eine genetisch geprägte Fehlfunktion des Immunsystems, die dann zum Vollbild der Erkrankung führen kann. Doch die Veranlagung allein entscheidet nicht über den Verlauf der Erkrankung. „Kommen ungünstige Einflüsse wie trockene Luft, Schwitzen oder psychische Belastungen hinzu und greifen mehrere Mechanismen ineinander, können Schübe ausgelöst werden“, so Prof. von Felbert.

Die Veranlagung für atopische Ekzeme tragen Betroffene ein Leben lang.

Therapeutisch nutzen die Experten der Klinik für Dermatologie eine Kombination aus äußerlicher und in schweren Fällen innerlicher Therapie in Form einer Stufentherapie, die sich am Schweregrad der Erkrankung orientiert. Die Grundsäule der Therapie ist die sogenannte „Basistherapie“. Hier muss durch die regelmäßige Anwendung pflegender Externa die Hautbarriere, der Schutzmantel der Haut, hergestellt werden. Individuelle Bedürfnisse müssen hier berücksichtigt werden, da je nach Patient, Lokalisation oder Jahreszeit unterschiedliche Präparate zur Anwendung kommen. „Im Bereich der Basistherapie kommt es neben dem Fettgehalt, der von einer sehr fetthaltigen Salbe über eine Creme bis zu einer Milch reicht, auch auf die Inhaltsstoffe an. So stehen uns glycerinhaltige, harnstoffhaltige oder ceramidhaltige Substanzen zur Verfügung, die wichtige Bausteine der Hautoberfläche günstig beeinflussen“, erklärt
Univ.-Prof. Dr. med. Amir Yazdi, Direktor der Klinik für für Dermatologie und Allergologie – Hautklinik.

Die Haut proaktiv vor Schüben schützen

In Ergänzung zur Basistherapie werden Kortison- und andere wirkstoffhaltige Externa eingesetzt, die teils in der akuten Phase, in den letzten Jahren aber auch vermehrt proaktiv angewandt werden. „Das seltene, aber regelmäßige Auftragen einer wirkstoffhaltigen Substanz schützt so proaktiv vor Schüben“, berichtet Prof. von Felbert.

Neue Erkenntnisse

Bei schweren Formen kann auch eine Phototherapie mit UV-Licht unter ärztlicher Aufsicht indiziert sein, während sehr schwere Verläufe zunehmend durch Systemtherapien behandelt werden. „Neue Erkenntnisse der Forschung zu Mechanismen von Juckreiz und Hautentzündung führten in den letzten Jahren zu einigen neuen effektiven Substanzen. Einzelne Medikamente wurden bereits zugelassen, andere werden derzeit in klinischen Studien auch an unserer Klinik erprobt“, erklärt Prof. Yazdi

Neurodermitis in Zahlen:
» In Deutschland sind Babies und Kleinkinder mit rund 23 % die am stärksten betroffene Altersgruppe 
» Weltweit leiden schätzungsweise 3 Prozent der Erwachsenen an Neurodermitis.
» In Deutschland liegt die Zahl der betroffenen Erwachsenen bei etwa 1 bis 3 % bis drei Prozent
» Neurodermitis kommt bei Männern und Frauen etwa gleich häufig vor.

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