Starkregen, Stürme, Dürre und Hitze: Die extremen Wetterphänomene nehmen zu, auch in Deutschland. Vor allem Hitzewellen haben dabei nicht nur Effekte auf die Umwelt, sondern auch auf die Gesundheit. Wie sie sich auf den Körper auswirken und was ältere oder kreislauflabile Patienten an heißen Tagen beachten müssen, erklärt Univ.-Prof. Dr. med. Jürgen Floege, Direktor der Klinik für Nieren- und Hochdruckkrankheiten, rheumatologische und immunologische Erkrankungen an der Uniklinik der RWTH Aachen und bis Mai 2020 Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM), im Interview mit apropos.
Herr Prof. Floege, wie wirkt extreme Hitze auf den menschlichen Körper?
Prof. Floege: Bei hohen Temperaturen oder körperlicher Anstrengung muss der Körper vermehrt Wärme abführen, um nicht zu überhitzen. Dazu produziert die Haut Schweiß, der über Verdunstung für Kühlung sorgt. Zusätzlich weiten sich die Blutgefäße in der Haut, um die Wärme noch effektiver nach außen zu leiten. Durch die Weitstellung der Gefäße sinkt bei den meisten Menschen der Blutdruck. In der warmen Umgebung ist außerdem der Blutdruckabfall, der beim Wechsel vom Liegen zum Stehen entsteht, ausgeprägter als bei kühlen Temperaturen. Je nachdem, wie stark der Blutdruck sinkt, können Beschwerden wie Schwindel, Müdigkeit oder Übelkeit auftreten. Gerade bei Senioren häufen sich an heißen Tagen aber auch schwerwiegendere Zwischenfälle wie Schwächeanfälle, Stürze oder Ohnmachten.
Lassen sich Todesfälle durch Hitze nachweisen?
Prof. Floege: Verschiedene Datenerhebungen zeigen, dass in besonders heißen Perioden mehr Menschen sterben. Hitze allein ist allerdings selten dafür verantwortlich – die Betroffenen leiden in der Regel an Vorerkrankungen wie einer Herzschwäche oder Bluthochdruck. Erhebungen aus den Jahren 1999 bis 2009 zeigen, welchen Effekt besonders heiße und kalte Tage auf die Sterberate und die Zahl der Krankenhauseinlieferungen in Deutschland hatten. Demnach stieg die Sterbequote an heißen Tagen mit mehr als 30 Grad Celsius um etwa zehn und die Krankenhauseinlieferungen um fünf Prozent. Der Effekt steigerte sich deutlich, wenn es mehrere Hitzetage in Folge gab.
Für wen ist Hitze besonders gefährlich und was können Betroffene vorbeugend tun?
Prof. Floege: Besonders gefährdet sind Menschen, die ohnehin einen sehr niedrigen Blutdruck haben. Sie sollten es vermeiden, an heißen Tagen zu rasch aufzustehen oder zu lange zu stehen. Außerdem ist es ratsam, sich nach dem Aufstehen noch kurz – etwa an der Stuhllehne – festzuhalten, um dem Körper Zeit für die Blutdruckanpassung zu geben. Doch auch wer eigentlich einen zu hohen Blutdruck hat, diesen aber medikamentös kontrolliert, kann bei hohen Temperaturen Kreislaufprobleme bekommen. Wer Blutdrucksenker einnimmt, sollte in Hitzeperioden seinen Blutdruck täglich überwachen. Wenn der obere, systolische Wert immer wieder oder gar dauerhaft unter 120 mmHg sinkt, sollte Rücksprache mit dem Arzt gehalten werden. Eventuell ist es dann ratsam, die Tablettendosis zu reduzieren oder die Einnahme ganz auszusetzen.
Es heißt immer, man solle bei Hitze viel trinken. Ist das richtig?
Prof. Floege: Ja, das stimmt. Neben dem Blutdruck kann an Hitzetagen auch der Flüssigkeitshaushalt in Schieflage geraten, denn durch das Schwitzen gehen dem Körper Flüssigkeit und Salze verloren. Besonders Menschen, deren Durstempfinden gestört ist oder die nicht oder nur eingeschränkt selbstständig trinken können, laufen Gefahr, einen ausgeprägten Flüssigkeitsmangel zu erleiden, der zu Kopfschmerzen, Verwirrtheit, Krampfanfällen und Bewusstseinseintrübungen bis hin zur Bewusstlosigkeit führen kann. Gerade ältere Menschen, die oft nur ein gedämpftes Durstgefühl haben, sollten in den Sommermonaten daher bewusst „über den Durst trinken“. Bei Pflegebedürftigen, Heimbewohnern und bei Neugeborenen sollten Angehörige und Betreuer darauf achten, dass die Flüssigkeitsversorgung auch in Hitzephasen gewährleistet ist. Ein erhöhtes Risiko besteht außerdem bei Bluthochdruckpatienten, die entwässernde Substanzen zur Blutdrucksenkung einnehmen. Diese sogenannten Diuretika verstärken den Wasser- und Salzverlust zusätzlich. Hier kann daher – in Absprache mit dem Arzt – eine Dosisanpassung sinnvoll sein.