Univ.-Prof. Dr. med. Norbert Wagner im Interview: „Kinder in schwierigen Phasen ihrer Entwicklung unterstützen zu können, ist eine herausfordernde und dankbare Aufgabe“

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Eingebettet in die Uniklinik RWTH Aachen verfügt die Klink für Kinder- und Jugendmedizin über vielfältige Diagnostik- und Therapiemöglichkeiten, um pädiatrischen Patientinnen und Patienten optimale medizinische Leistungen zu bieten. Im Interview erklärt Univ.-Prof. Dr. med. Norbert Wagner, Direktor der Klinik, was ihn dazu bewogen hat, sich in diesem Bereich zu spezialisieren und worin die Besonderheiten bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen liegen.

Herr Prof. Wagner, aus welcher Motivation heraus haben Sie sich für die Pädiatrie entschieden?

Prof. Wagner: Die Kinder- Jugendmedizin beschäftigt sich mit der inneren Medizin und der Neurologie des wachsenden Organismus. Damit ist die Pädiatrie nicht zentriert auf ein Organ wie zum Beispiel das Herz oder den Bewegungsapparat, sondern vertritt einen ganzheitlichen Anspruch und bezieht sich auf die spezifische Eigenschaft des Kindes im Unterschied zum Erwachsenen – und das umfasst das Wachstum aller Organe einschließlich des Zentralnervensystems.

 Dieser Anspruch ist hoch, dem sollen Kinderärztinnen und Kinderärzte gerecht werden, dazu bilden wir sie aus. Das gesunde Aufwachsen und Durchlaufen der Entwicklungsstufen vom Kind über den Jugendlichen zum Erwachsenen hat mich immer fasziniert. Daraus resultierte dann das Interesse, Erkrankungen des Kindes zu verstehen und die Heilung zu unterstützen – und diese Begeisterung hat mich inzwischen über fast 40 Jahre ärztliche Tätigkeit begleitet.

Was erfüllt Sie in Ihrer täglichen Arbeit als Pädiater?

Prof. Wagner: An jedem Tag der Woche visitiere ich die uns anvertrauten Patientinnen und Patienten auf ein oder zwei Stationen der Kinderklinik. Die Diagnostik und Therapie zu unterstützen und zudem die jungen Ärzte und Studenten für das Fach Pädiatrie zu begeistern und aus- sowie weiterzubilden, ist der schönste Teil meiner täglichen Arbeit. Ich sehe ambulante Patienten und ihre Eltern in meiner Sprechstunde und verbringe viel Zeit mit Gesprächen mit den Eltern und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Klinik. Mein wissenschaftliches Interesse gilt der Immunologie, in meinem Labor erforschen wir seit vielen Jahren, wie Immunzellen an den Ort einer Entzündung gelangen und wie sich dieser Mechanismus therapeutisch nutzen lässt. Die notwendigen Verwaltungstätigkeiten des Klinikdirektors sind vermutlich der weniger attraktive Anteil am Tagesgeschäft.

Welche Besonderheiten gibt es in der Behandlung von Kindern und Jugendlichen?

Prof. Wagner: Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, ihre körperlichen und seelischen Bedürfnisse unterscheiden sich von denen adulter Personen. Sie kommunizieren anders, haben oft Schwierigkeiten, ihre Symptome klar zu äußern oder bedürfen in belastenden Situationen mehr Zuwendung und Sicherheit, da sie in vielen Fällen zum ersten Mal ihre vertraute Umgebung verlassen. Daher ist es wichtig, die körperlichen, psychischen und sozialen Aspekte in den unterschied-lichen Entwicklungsstadien zu berücksichtigen und die Behandlungsmaßnahmen entsprechend individuell anzupassen. Zu unserem Auftrag gehört selbstver-ständlich auch die Einbindung der Eltern, die den Behandlungsverlauf in der Regel eng begleiten.

Können Sie uns einen Einblick in diese ganzheitlichen Behandlungsansätze liefern?

Prof. Wagner: Wir setzen moderne medizinische Verfahren ein und arbeiten eng mit anderen Kliniken oder Fachbereichen zusammen, um die bestmögliche Versorgung sicherzustellen. Das gelingt uns gut, obwohl Kinderkliniken heutzutage unter erschwerten Bedingungen wirtschaftlich und medizinisch gefordert werden. Wir verfügen über fünf Stationen mit verschiedenen Schwerpunkten und eine Intensivstation. Gemeinsam mit der Kinder- und Jugendpsychiatrie halten wir eine Tagesstation für psychosomatisch Erkrankte vor. Das hat sich insbesondere für Kinder, die aus verschiedensten Gründen den Schulbesuch nicht mehr geschafft haben, bewährt. Unsere Psychologinnen und Sozialarbeiterinnen unterstützen die Patienten und ihre Eltern bei der Krankheitsbewältigung. Durch unseren Kinder- und Jugendtreff, der von Erzieherinnen geleitet wird, möchten wir den Aufenthalt so angenehm wie möglich gestalten. Zweimal die Woche besucht zudem Therapiehund Lino die kleinen Patientinnen und Patienten auf der onkologischen und der kinderkardiologischen Station, um Abwechslung in den Alltag zu bringen. Wenn Eltern während des Aufenthalts gerne bei ihren Kindern bleiben möchten, stellen wir eine Übernachtungsmöglichkeit zur Verfügung – entweder in unmittelbarer Nähe zum Kind oder im Ronald McDonald Haus, nur wenige Gehminuten von der Uniklinik entfernt.

Was würden Sie Eltern raten, um die gesunde Entwicklung der Sprösslinge zu fördern?

Prof. Wagner: Liebe Eltern, beschäftigen Sie sich mit Ihren Kindern, spielen Sie mit Ihnen, lesen Sie Ihnen vor, nehmen Sie sich Zeit für die kleinen und größeren Sorgen der Kinder und Jugendlichen, ernähren Sie sie ausgewogen und nehmen Sie soweit möglich die Mahlzeiten gemeinsam als Familie ein. Begrenzen Sie die Bildschirmzeiten der mobilen oder stationären technischen Geräte Ihres Kindes altersgemäß. Diese Aufgabe ist nicht leicht, aber sie hilft Ihrem Kind bei der Entwicklung einer eigenständigen Persönlichkeit und in der Schule. Nutzen Sie bei der Erziehung Ihres Kindes die Angebote von Großeltern, Verwandten, Freunden, Sportvereinen oder anderen Gemeinschaftseinrichtungen, in denen das soziale Miteinander geübt wird – getreu dem nigerianischen Sprichwort: „Um ein Kind aufzuziehen, braucht es ein ganzes Dorf“. Und last but not least tragen auch regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen inklusive der von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlenen Impfungen zu einer gesunden Entwicklung bei.

Klinik für Kinder- und Jugendmedizin an der Uniklinik RWTH Aachen

E-Mail: kinderklinik@ukaachen.de
Website: www.kinderklinik.ukaachen.de
Terminvergabe Klinik für Kinder- und Jugendmedizin:
Tel.: 0241 80-88773

Univ.-Prof. Dr. med. Norbert Wagner, Direktor der Klinik für Kinder - und Jugendmedizin
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