Psychopharmaka: Wie Medikamente bei psychischen Erkrankungen helfen können

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Ebenso vielschichtig wie psychische Erkrankungen sind auch ihre Behandlungsmöglichkeiten: Als wesentliche Bausteine gelten dabei die Psychotherapie und die Pharmakotherapie. Während bei manchen psychischen Erkrankungen eine psychotherapeutische Behandlung zu einer Besserung der Symptome führt, ist bei schweren Störungen eine zusätzliche medikamentöse Therapie unabdingbar. Medikamente, die einen Einfluss auf Stoffwechselprozesse im Gehirn haben und damit das Denken und Handeln beeinflussen, bezeichnen Expertinnen und Experten als Psychopharmaka. Je nach Anwendungsgebiet und Wirkung lassen sie sich in verschiedene Gruppen unterteilen. Ein Überblick.

Psychopharmaka haben einen Einfluss auf den sogenannten Neurotransmitterstoffwechsel des Gehirns und damit auf Botenstoffe, die für unsere Emotionen und Wahrnehmung verantwortlich sind. Im Fachjargon werden sie auch psychotrope Substanzen genannt. Heilen können Psychopharmaka psychische Erkrankungen nicht – aber sie können mit ihrer Wirkung auf den Stoffwechselprozess Krankheitssymptome gezielt beeinflussen und ein seelisches Gleichgewicht wiederherstellen. Verschrieben werden sie zum Beispiel bei Depressionen, Schizophrenie, bipolarer Störung aber auch bei ausgeprägten Angst- und Zwangsstörungen. In Abhängigkeit von ihrer Wirkung unterscheiden Expertinnen und Experten sieben Gruppen: Antidepressiva, Stimmungsstabilisierer (Phasenprophylaktika), Antipsychotika (Neuroleptika), Anxiolytika/Hypnotika, Antidementiva, Psychostimulanzien sowie sonstige Psychopharmaka.

Insbesondere bei schweren psychischen Störungen sind sie ein unverzichtbarer Baustein der Therapie, denn sie schaffen die Grundlage für die weitere Behandlung: „Ein Beispiel hierfür ist die Schizophrenie, eine Störung des Denkens und der Gefühlswelt, die sich bei den Betroffenen unter anderem durch eine wahnhafte Realitätsverkennung und Wahrnehmungsstörungen äußert. Da Antipsychotika die Wirkung des Botenstoffs Dopamin hemmen, können sie psychotische Symptome und Reize dämpfen. Je nach Zustand des Patienten oder der Patientin, versuchen wir nach Möglichkeit parallel mit einer Psycho- und Soziotherapie anzusetzen, um das seelische und soziale Wohlbefinden zu verbessern. Zu welchem Zeitpunkt wir mit einer ergänzenden Psychotherapie beginnen, ist natürlich eine individuelle Entscheidung,“, erklärt Univ.-Prof. Dr. med. Natalya Chechko, Oberärztin in der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik an der Uniklinik RWTH Aachen.

Psychopharmaka sind besser als ihr Ruf

In den letzten Jahrzehnten hat sich die Forschung zu Wirkungsweisen und Nebenwirkungen von Psychopharmaka rasant weiterentwickelt. Heute sind sie nicht mehr aus der Therapie psychischer Erkrankungen wegzudenken, erklärt die Professorin für Experimentelle Neuropsychiatrie: „Gerade bei Betroffenen mit schweren psychischen Erkrankungen können sie seelisches Leid lindern, mehr Stabilität schaffen und letztlich in Kombination mit einer Psychotherapie für mehr Lebensqualität und eine Rückkehr in den Alltag sorgen.“ Dennoch sind viele Menschen misstrauisch gegenüber Psychopharmaka, haben Vorurteile. Hier ist viel Aufklärungsarbeit gefragt: „Ich halte es für sehr wichtig, Patientinnen und Patienten das Misstrauen zu nehmen, indem wir sie intensiv über die Vor- und Nachteile von Psychopharmaka und die Auswirkung auf die psychische Verfassung aufklären.“

Mögliche Wechsel- und Nebenwirkungen

Welche Nebenwirkungen Psychopharmaka haben, hängt von der jeweiligen Substanzgruppe und Dosis ab. Allgemeine Nebenwirkungen sind zum Beispiel Gewichtszunahme, Magenbeschwerden, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Antriebslosigkeit sowie Herz-Kreislauf-Probleme. Diese lassen sich in der Regel durch eine intensive ärztliche Beratung und eine mögliche Anpassung des Präparats oder der Dosis, erheblich reduzieren. Wie bei anderen Medikamenten gibt es auch Patientinnen und Patienten, die keine Nebenwirkungen verspüren.

Einige Substanzgruppen, wie Hypnotika und Psychostimulanzien, können zu einer körperlichen wie geistigen Abhängigkeit führen. Bei der Einnahme von Psychopharmaka sind zudem Wechselwirkungen mit anderen Substanzen, insbesondere Alkohol zu beachten: So werden nicht nur die Auswirkungen des Konsums stärker wahrgenommen, der Alkohol verstärkt auch die Wirkung der Medikamente und umgekehrt.

Individuelle Entscheidung nach ärztlicher Beratung

Ob Psychopharmaka zur Behandlung einer psychischen Erkrankung eine sinnvolle Maßnahme sind, sollte immer nach einer ausführlichen Betrachtung des Einzelfalls entschieden werden. Bei leichten Formen einer Depression ist in der Regel eine nicht-medikamentöse Behandlung sinnvoller – auch vor dem Hintergrund, dass Psychopharmaka bei milden Formen psychischer Erkrankungen meist nicht die gewünschte Wirkung zeigen. Prof. Chechko erklärt: „Grundlage einer Behandlung mit Psychopharmaka sollte immer ein vertrauensvolles ärztliches Gespräch mit dem Patienten oder der Patientin und eine Einbeziehung der allgemeinen Lebenssituation und möglicher Begleiterkrankungen sein, um den möglichen Nutzen des Medikaments zu evaluieren. Auf diese Weise können wir die Patientinnen und Patienten möglichst gut einstellen, Nebenwirkungen kontrollieren und – in Kombination mit einer Psychotherapie – einen Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität leisten.“

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