„Wir wollen dem Leben nicht mehr Tage, sondern den Tagen mehr Leben geben.“ – so lautet das Credo der englischen Pflegefachkraft, Sozialarbeiterin und Ärztin Cicely Saunders, die heute als Begründerin der modernen Hospizbewegung und der Palliative Care gilt. Die Palliativmedizin beschäftigt sich mit dem Erhalt und der Verbesserung der Lebensqualität von Menschen mit unheilbaren Erkrankungen. Dabei steht nicht die Verlängerung der Lebenszeit um jeden Preis im Vordergrund, sondern die Lebensqualität, eine Behandlung der Schmerzen sowie die Wünsche und Ziele der Patientinnen und Patienten. apropos erklärt am Beispiel der Klinik für Palliativmedizin an der Uniklinik RWTH Aachen, wie die Lebensqualität schwerkranker Menschen am Lebensende verbessert werden kann.
Krebserkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder chronische Lungenerkrankungen sind in Deutschland verbreitet und nehmen einen großen Einfluss auf die Leistungsstärke, die Lebensqualität und insbesondere die Sterblichkeit. Gerade im höheren Lebensalter kann es zunehmend zu Mehrfacherkrankungen kommen, die sogenannte Multimorbidität. Auch wenn sich die Überlebensrate insbesondere bei Krebserkrankungen in den vergangenen Jahren konstant durch medizinische Fortschritte in der Diagnostik und Therapie verbessert hat, bleibt doch ein Teil schwerkranker Menschen, die den Kampf gegen ihre Erkrankung nicht gewinnen können. Sind die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten zur Heilung einer Erkrankung ausgeschöpft und die Lebenserwartung eines Patienten ist begrenzt, kommt die Arbeit der Palliativmedizin zum Tragen. Im Fokus stehen dabei nicht die technischen Möglichkeiten, sondern vielmehr die Wünsche und Wertvorstellungen des Patienten. Das bedeutet zum Beispiel auch, dass im Einverständnis mit dem Betroffenen und den Angehörigen auf lebensverlängernde Maßnahmen verzichtet werden kann.
Palliativmedizin: So viel mehr als eine medikamentöse Behandlung
Das Team der Klinik für Palliativmedizin an der Uniklinik RWTH Aachen behandelt Menschen im Erwachsenenalter mit den unterschiedlichsten Erkrankungen. Dazu gehören Patientinnen und Patienten mit einer Krebsdiagnose, fortgeschrittenen neurologischen Erkrankungen oder Herzerkrankungen, Lungenerkrankungen wie eine COPD oder eine Lungenfibrose sowie Leber- und Nierenerkrankungen. Belastende Symptome können zum Beispiel Schmerzen, Luftnot, Übelkeit, Erbrechen oder psychische Probleme wie Depressionen, Ängste oder Schlafstörungen sein. Ein wesentlicher Baustein der palliativen Behandlung ist es, neben diesen körperlichen und psychischen Beschwerden auch soziale Herausforderungen wie Isolation und spirituelle Probleme zu lindern, die Sinnfragen im Leben betreffen.
„Viele Patientinnen und Patienten haben große Angst davor, starke Schmerzen erleiden zu müssen. Heute muss das kein Betroffener mehr – wir können zum Beispiel bei den allermeisten Patientinnen und Patienten deren Tumorschmerzen zu behandeln, dass diese auf nur eine kleine Schmerzstärke gelindert werden. Eine wirksame Behandlung von Schmerzen ist eine wesentliche Voraussetzung, um bei schwerkranken Menschen eine gute Lebensqualität zu erhalten“, sagt Univ.-Prof. Dr. med. Roman Rolke, Direktor der Klinik für Palliativmedizin an der Uniklinik RWTH Aachen. Die Palliativmedizin schließt neben der medikamentösen Therapie auch die psychischen und sozialen Gegebenheiten der Patientinnen und Patienten ein – denn diese nehmen ebenfalls einen Einfluss auf das Schmerzempfinden. Studien konnten aufzeigen, dass bei Tumorpatientinnen und -patienten zwar ein Großteil der Schmerzen durch den Tumor selbst bedingt wird, diese jedoch auch durch psychische Zustände wie Ängste und Depressionen beeinflusst werden können.
Ganzheitliche Pflege
Daher wird das Wohlbefinden der Patientinnen und Patienten durch eine individuelle, ganzheitliche Pflege verbessert: „Wir unterstützen zum Beispiel bei der Physiotherapie, der psychologischen Behandlung oder anderen Therapieformen. Zudem beraten wir bei sozialen oder rechtlichen Fragen, wie der Erstellung einer Patientenverfügung oder einer Vorsorgevollmacht im Rahmen einer gesundheitlichen Versorgungsplanung. In Zusammenarbeit mit dem SAPV-Team ‚Home Care Aachen e.V.‘ der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung sowie Expertinnen und Experten der allgemeinen ambulanten Palliativversorgung (AAPV) sichern wir die Überleitung in eine palliative Weiterbetreuung zuhause. Um die Lebensqualität schwerkranker Menschen bestmöglich zu erhalten, braucht es eine ganzheitliche Betreuung“, erklärt der Klinikdirektor.
Um das zu ermöglichen, ist vor allem eine enge Zusammenarbeit verschiedener Fachrichtungen gefragt. In der Klinik für Palliativmedizin arbeiten Ärztinnen und Ärzte und Pflegekräfte mit Psychologen, Physiotherapeuten, Seelsorgern und Sozialarbeitern Hand in Hand. Mithilfe des Fördervereins der Palliativmedizin (PalliA-Verein) werden zusätzlich Musiktherapie und tiergestützte Therapie mit den Therapiehündinnen Daika und Lotte angeboten. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, alle diagnostischen und therapeutischen Leistungen der Uniklinik RWTH Aachen hinzuzuziehen.
Wohlbefinden, Ziele und Wünsche fördern
Die erste Palliativstation wurde 1983 in Köln eröffnet. Seitdem wurden die Versorgungsstrukturen der stationären und ambulanten Palliativbehandlung in Deutschland deutlich ausgebaut. Heute gibt es bundesweit über 300 Palliativstationen in Krankenhäusern und Kliniken und rund 1.500 ambulante Hospizdienste. „Der demografische Wandel zeigt, dass es künftig zu einer Zunahme von Menschen, die eine palliative Versorgung brauchen, kommen wird. Schon lange konnte aufgezeigt werden, dass eine möglichst frühe Einbeziehung der Palliativmedizin für die Betroffenen und Angehörigen von großer Wichtigkeit ist. Wir fördern Selbstständigkeit, wo es möglich ist, achten Würde und zeigen Offenheit, Respekt und Verständnis – und können unsere Patientinnen und Patienten damit bestmöglich auf ihrem letzten Weg begleiten“, sagt Prof. Rolke.
Palliativmedizinischer Dienst (PMD) der Klinik für Palliativmedizin
Der palliativmedizinische Dienst der Klinik für Palliativmedizin soll die spezialisierte palliativmedizinische Mitbehandlung von Patientinnen und Patienten in allen anderen Abteilungen der Uniklinik ermöglichen, bei denen die Übernahme auf die Palliativstation zu diesem Zeitpunkt nicht möglich oder sinnvoll ist. Die Kontaktaufnahme zum Konsildienst ‚PMD‘ erfolgt im Allgemeinen durch die behandelnden Ärztinnen und Ärzte der Fachklinik oder des Zentrums, wo sich der Patient oder die Patientin befindet. Wir helfen gerne mit, schneller eine bessere Symptomlinderung und raschere Entlassung nach Hause zu ermöglichen oder eine Übernahme in weitere stationäre oder ambulante Palliativ- oder Hospizstrukturen.
Kontakt
Tel.: 0241 80-85718
palliativkonsildienst@ukaachen.de