Leukämie bei Kindern: häufig, aber nicht aussichtslos

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Die Diagnose Leukämie bei einem Kind ist ein Schock für die gesamte Familie. Wie geht es jetzt weiter, was kommt da auf uns zu? Wie sind die Überlebenschancen? Quälende Fragen, die sich Eltern unmittelbar stellen. Die gute Nachricht ist, dass Blutkrebs dank moderner Therapiekonzepte heute in fast 90 Prozent aller Fälle geheilt werden kann. Im Gespräch klärt Univ.-Prof. Dr. med. Udo Kontny, Leiter der Sektion Pädiatrische Hämatologie, Onkologie und Stammzelltransplantation an der Uniklinik RWTH Aachen, über Ursachen, Diagnoseverfahren und Behandlungsmöglichkeiten bei Leukämie im Kindes- und Jugendalter auf.

Mit rund 600 Neuerkrankungen im Jahr ist die Leukämie, im Volksmund auch Blutkrebs genannt, die häufigste Krebsart bei Kindern. Sie umfasst verschiedene bösartige Erkrankungen des blutbildenden Systems. Dabei kommt es im Knochenmark zu einer Fehlentwicklung der weißen Blutkörperchen. Diese entarteten weißen Blutkörperchen vermehren sich unkontrolliert und verdrängen die gesunden Blutbestandteile. Abhängig von der betroffenen Blutzelllinie unterscheidet man hierbei zwischen lymphatischen und myeloischen Leukämien, die akut oder chronisch verlaufen können. „Bei Kindern und Jugendlichen handelt es sich meist um eine akute Leukämie mit einem raschen Krankheitsverlauf. Die häufigste Form ist die sogenannte Akute lymphoblastische Leukämie, kurz ALL, die überwiegend im Alter von zwei bis fünf Jahren auftritt“, weiß Prof. Kontny, der sich bereits seit mehr als 30 Jahren mit onkologischen und hämatologischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen beschäftigt.

URSACHEN WEITESTGEHEND UNBEKANNT

Leukämien gehen mit Veränderungen im Erbgut der betroffenen Zellen einher. Eine eindeutige Ursache hierfür gibt es bislang nicht. In einigen Fällen liegen bestimmte genetische Veränderung vor, die eine Leukämie begünstigen können, so wie beispielsweise beim Down-Syndrom oder seltenen schweren Immundefekten. „In den meisten Fällen lässt sich allerdings kein auslösender Faktor nachweisen“, macht Prof. Kontny deutlich.

MÖGLICHE SYMPTOME ERKENNEN

Das Tückische an Leukämie ist, dass sie zunächst gar keine spezifischen Beschwerden verursacht. Was schließlich auffällt, sind die Folgen der gestörten Blutbildung: „Beim Voranschreiten der Krankheit zeigen betroffene Kinder Symptome wie Abgeschlagenheit und Blässe, fieberhafte Infektionen, die nicht ausheilen, Haut- und Schleimhautblutungen und nicht selten Knochenschmerzen“, so der Experte. Auch kann sich die Krankheit aufgrund der Ausbreitung der Leukämiezellen im gesamten Körper durch weitere, organbezogene Beschwerden wie eine vergrößerte Milz und Leber oder geschwollene Lymphknoten bemerkbar machen.

GEWEBEPROBE BRINGT KLARHEIT

Besteht der Verdacht auf eine Leukämie, erfolgt nach der Anamnese sowie einer gründlichen körperlichen Untersuchung durch die Ärztin oder den Arzt eine umfassende Blutuntersuchung, die Hinweise über veränderte Blutwerte gibt. Erhärtet sich der Verdacht, werden in einem auf Krebs- und Bluterkrankungen bei Kindern und Jugendlichen spezialisierten Krankenhaus wie der Uniklinik RWTH Aachen weitere Untersuchungen durchgeführt. „Sicher nachweisen können wir eine Leukämie letztlich nur durch eine sogenannte Knochenmarkpunktion, bei der wir eine kleine Flüssigkeitsprobe aus dem Knochenmark des Kindes entnehmen und im Labor analysieren lassen“, erklärt Prof. Kontny das Vorgehen. „Bestätigt sich die Vermutung und wird eine Blutkrebserkrankung diagnostiziert, ist schnelles Handeln gefragt“, betont der Mediziner. Denn unbehandelt verläuft eine akute Leukämie innerhalb weniger Wochen oder Monate tödlich.

DREI MAßNAHMEN, EIN ZIEL: ÜBERLEBEN

Für die Versorgung krebskranker Kinder sowie deren Angehörigen steht im zertifizierten kinderonkologischen Behandlungszentrum an der Uniklinik RWTH Aachen ein multiprofessionelles Team aus erfahrenen und hoch qualifizierten Fachärztinnen und Fachärzten, Kinderkrankenpflegefachkräften, Psychologinnen und Psychologen, Sozialarbeiterinnen und -arbeitern sowie Physiotherapeutinnen und -therapeuten zur Verfügung. Wie die Behandlung von Blutkrebs im Kindesalter im Detail aussieht, hängt von mehreren Faktoren ab. Entscheidend ist vor allem der Leukämietyp, die genetischen Veränderungen in den Leukämiezellen und vorallem wie die Erkrankung auf die Behandlung anspricht.

Ziel jeder Therapie ist es, die Tumorzellen möglichst vollständig zu vernichten, damit das Knochenmark seine Funktion als blutbildendes Organ wieder aufnehmen kann. Grundsätzlich kommen hierfür drei Behandlungsmaßnahmen infrage: Chemotherapie, Strahlentherapie und eine Stammzelltransplantation.
„Die Chemotherapie gilt als wichtigste Therapiemethode bei Kindern mit akutem Blutkrebs, bei der Medikamente, sogenannte Zytostatika, meist in mehreren Zyklen verabreicht werden. Je nach Art und Schwere der Krebserkrankung kann sich die Behandlung über einen Zeitraum von sechs Monaten bis zu zwei Jahren hinziehen“, so der Spezialist. Bei manchen Patienten muss die Chemotherapie durch eine Bestrahlung ergänzt werden. Erzielen diese beiden Maßnahmen nicht den gewünschten Erfolg, empfiehlt sich eine Stammzelltherapie. „Hierbei handelt es sich meist um eine allogene Stammzelltransplantation, bei der Knochenmarkstammzellen von einem gesunden Menschen auf einen kranken Menschen übertragen. Dieses Verfahren ist komplizierter als es zunächst klingt“, sagt Prof. Kontny. Voraussetzung hierfür ist, dass ein passender Stammzellspender gefunden wird. Am einfachsten ist es, wenn die Geschwister passende Stammzellen besitzen.

HOFFNUNG AUF EIN HAPPY END

Die Überlebenschancen von Kindern mit einer akuten lymphatischen Leukämie sind in den letzten Jahrzehnten stark gestiegen. Bedeutete die Diagnose Leukämie vor rund 50 Jahren für die Betroffenen fast immer das Todesurteil, überleben heute in Deutschland fast 90 Prozent der Kinder die Erkrankung. „Natürlich hängt die Überlebenschance immer vom individuellen Krankheitsfall ab. Doch dank eines enormen Fortschritts in der Forschung, der sich in modernen, maßgeschneiderten Therapieansätzen niederschlägt, können wir Kinder und Jugendliche in unserer Klinik gut behandeln und in den meisten Fällen heilen“, ermutigt der Kinderonkologe.

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