Wenn sich im Körper an einer Stelle der Bauchwand ein Durchbruch bildet, können sich durch diese kleine Lücke Teile des Bauchfells oder der Eingeweide schieben. Diese Ausstülpungen können sehr schmerzhaft und gefährlich sein. Ärzte sprechen hierbei von einem sogenannten Leistenbruch. apropos zeigt Symptome sowie Diagnose- und Therapiemöglichkeiten auf.
Wenn sich zwischen Bauch und Oberschenkel sichtbar eine Beule unter der Haut bildet, ist meistens ein Leistenbruch, eine sogenannte Leistenhernie, dafür verantwortlich. Bei einem Leistenbruch handelt es sich um eine Lücke in der Bauchwand, die bereits seit der Geburt bestand, oder erst im Verlauf des Lebens der Betroffenen entstanden ist. Durch diese Lücke, auch als Bruchpforte bezeichnet, kann sich das Bauchfell, der sogenannte Bruchsack, hindurchschieben. In dem Bruchsack können sich zusätzlich Baucheingeweide wie der Darm befinden, die sich ebenfalls durch die Lücke geschoben haben.
Männer sind häufiger betroffen
Statistisch gesehen erleiden rund 27 Prozent aller Männer, aber nur drei Prozent aller Frauen einen Leistenbruch in ihrem Leben. Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko noch einmal deutlich an. Aufgrund der Anatomie des männlichen Körpers sind Männer neunmal häufiger als Frauen betroffen.
„Problematisch bei einer Leistenhernie ist in der Regel nicht die Lücke selbst, sondern die Gefahr, dass sich darin Teile der Baucheingeweide und des Darms einklemmen könnten. Das bereitet den Betroffenen nicht nur große Schmerzen, sondern kann im schlimmsten Fall zu einer massiven Schädigung oder sogar zum Absterben des Organs führen. Je nach Größe und Lage des Bruchs verspüren die Patienten einen unterschiedlich starken Schmerz in der Leistengegend. Häufig treten die Schmerzen auf, wenn man etwas bewegt oder hochhebt“, weiß Univ.-Prof. Dr. med. Ulf Peter Neumann, Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie an der Uniklinik RWTH Aachen. Viele Patienten berichten von Schmerzen beim Niesen und Husten oder stellen Veränderungen fest – je nachdem, ob sie stehen oder sitzen. Auch eine äußere Ausbeulung an der Stelle des Bruchs ist oftmals zeitweise oder dauerhaft zu erkennen – diese lässt sich in der Regel wieder nach innen hineinschieben. Ärzte können einen Leistenbruch größtenteils sehr gut durch ein Abfragen der Symptome, eine klinische Untersuchung und eine Ultraschall-Bildgebung diagnostizieren. Lässt sich kein eindeutiges Ergebnis feststellen, kommen eine MRT oder eine CT zum Einsatz.
Wenn Darmteile bei einem Leistenbruch eingeklemmt sein sollten, leiden Betroffene typischerweise unter deutlich stärkeren Schmerzen. Zusätzlich kann es zu Übelkeit, Erbrechen und Fieber kommen. „In diesen Fällen ist eine notfallmäßige Operation unumgänglich. Betroffene sollten umgehend einen Arzt aufsuchen oder den Rettungsdienst alarmieren. Solange ein Leistenbruch nur leichte Schmerzen verursacht, sind sie meistens für den Moment als harmlos zu betrachten. Allerdings besteht jederzeit die Gefahr, dass innere Organe eingeklemmt werden“, so Prof. Neumann. Um kein Risiko einzugehen, sollten Betroffene daher in jedem Fall ihre Beschwerden ärztlich abklären lassen.
Direkter und indirekter Leistenbruch
Die Leiste bildet den Übergang zwischen Bauch und Oberschenkel. Hier befindet sich der sogenannte Leistenkanal, durch den die Gefäße, Nerven und das Mutterband beziehungsweise der Samenstrang durch die Bauchwand aus dem Bauch heraus zu den Geschlechtsorganen geführt werden. Deshalb unterscheiden Ärzte zwei Formen des Leistenbruchs – den indirekten und den direkten.
Die indirekte Leistenhernie ist meistens angeboren oder erworben und betrifft häufiger Kinder und junge Menschen. Hierbei verläuft der Bruch durch den Eingang des Leistenkanals. Dieser kann von Geburt an ein leicht erweitert sein, denn bei Jungen müssen anfangs noch die Hoden aus der Bauchhöhle in den kühleren Hodensack wandern. Danach bildet sich der Hohlraum zurück und die umgebenen Muskeln schließen den Leistenkanal. Bei Männern ist der Kanal daher länger ausgebildet als bei Frauen, er verschließt sich allerdings nicht immer vollständig. In der Folge entstehen bei Männern öfters kleine Lücken, die die Bildung eines Leistenbruches begünstigen.
Die direkte Leistenhernie wird im Verlauf des Lebens erworben. Eine Bindegewebsschwäche in der Bauchwand begünstigt einen Bruch im Bereich der Hinterwand des Leistenkanals. Aufgrund der Tatsache, dass sich an dieser Stelle keine Muskeln befinden, bildet sich eine Schwachstelle: Unter zu starker Belastung gibt die Hinterwand nach. Hierfür ist im Besonderen das Alter der Betroffenen entscheidend, denn mit zunehmendem Alter wird das Bindegewebe schwächer und hält Belastungen weniger Stand. Grundsätzlich wird durch alle Faktoren die Entstehung eines Leistenbruchs begünstigt, die den Druck auf die Bauchwand erhöhen. Dies können beispielsweise eine chronische Verstopfung, eine Vergrößerung der Prostata oder eine Schwangerschaft sein. Auch chronische Lungenkrankheiten, die ein dauerhaftes Husten auslösen, können die Entwicklungen befördern.
Minimalinvasive Operation ist der Standard
Haben die Ärzte einen Leistenbruch diagnostiziert, bleibt das Mittel der Wahl die Operation, um den Bruch zu verschließen. Denn auch durch ein Training der Bauchmuskulatur lässt sich eine Leistenhernie nicht wieder verschließen. Kleinere, selten schmerzende Brüche könnten zwar auch eine Zeit lang aufmerksam beobachtet werden, doch auch bei ihnen besteht jederzeit die Gefahr, dass beispielsweise eine Darmschlinge eingeklemmt werden könnte. „Ein Leistenbruch sollte daher nach Möglichkeit stets operiert werden, bevor er zu einem Notfall wird. Die OP gehört in Deutschland zu den häufigsten Eingriffen der Bauchchirurgie und ist bestens erprobt. Dennoch ist es wichtig, dass Betroffene von erfahrenen Chirurginnen und Chirurgen operiert werden, die sich auf die existierenden Operationsverfahren spezialisiert haben“, rät Prof. Neumann.
Welche der vorhandenen Operationsmethoden gewählt wird, hängt von dem jeweiligen Einzelfall und einigen Faktoren ab: Hierfür sind insbesondere das Alter des Betroffenen, sowie die Lage und die Größe des Bruchs entscheidend. Zudem ist von Bedeutung, ob die Leistenhernie erstmalig oder erneut aufgetreten ist. Außerdem muss der Patient bei manchen Methoden eine Vollnarkose bekommen, was – je nach Fall – mit einem zu hohen Risiko verbunden wäre. Man kann die potenziellen Operationsverfahren vereinfacht in drei Möglichkeiten unterteilen:
- Offene Operation ohne Netz: Möglich ist eine offene Operation ohne den Einsatz eines Netzes. Die Bruchpforte wird hierbei mit einem Bauchschnitt von außen operiert und mit dem benachbarten Bindegewebe vernäht.
- Offene Operation mit Netz: Der zuvor beschriebene Eingriff kann um den Einsatz eines Kunststoffnetzes ergänzt werden, das die Bruchstelle zusätzlich verschließen und stabilisieren soll.
- Laparoskopische (minimalinvasive) Operation: Über kleine Hautschnitte werden eine Kamera und die Operationsinstrumente in den Bauchraum eingeführt. Die Bruchpforte wird von innen mithilfe eines Netzes abgedeckt.
„Wir entscheiden immer gemeinsam mit unseren Patienten, welches Verfahren für sie persönlich in Frage kommt und was in ihrem Fall jeweils die beste Entscheidung wäre. Insbesondere der allgemeine Gesundheitszustand, das Alter und mögliche Begleiterkrankungen spielen für uns eine Rolle. Alle Verfahren haben letztendlich Vor- und Nachteile. Nur durch eine sehr gute Aufklärung können wir dann gemeinsam die bestmögliche Entscheidung treffen“, sagt Prof. Neumann. Leistenbruch-Operationen zählen dabei zu meistens komplikationsfrei verlaufenden Eingriffen. Schmerzen und Entzündungen können nach dem Eingriff auftreten, klingen aber meistens einige Tage später wieder ab, sodass die Betroffenen sich wieder beschwerdefrei bewegen können.
Anlaufstellen bei Beschwerden
• Weitere Informationen zu den Operationsverfahren finden Sie auf den Seiten der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie an der Uniklinik RWTH Aachen.
• Der Verein Hernien-Selbsthilfe Deutschland e. V. bietet Betroffenen einer Hernie die Möglichkeit, sich zu vernetzen und untereinander auszutauschen.