Leben mit einem halben Herzen: Piets Geschichte

Wenige Tage nach der Geburt kam der große Schock für Anne und Kai Hennes: Bei einem Routinebesuch der Hebamme kollabiert ihr kleiner Sohn Piet. Die Diagnose: Piet hat das hypoplastische Linksherzsyndrom, ein schwerer angeborener Herzfehler. Heute ist er sechs Jahre alt und kann dank der Behandlung durch die Klinik für Kinderkardiologie und Angeborene Herzfehler an der Uniklinik RWTH Aachen ein fast normales Leben führen. apropos hat die Familie getroffen.

Piet ist ein aufgewecktes Kind. Er tobt und klettert gerne, spielt mit seiner großen Schwester – wie ein ganz normaler Sechsjähriger. Auf den ersten Blick verrät nur die Narbe auf seinem Brustkorb, dass er einen Herzfehler hat. Piet ist mit dem sogenannten hypoplastischen Linksherzsyndrom zur Welt gekommen; seine linke Herzkammer, die das Blut in den Körperkreislauf pumpen soll, ist stark unterentwickelt. Ohne Behandlung können betroffene Kinder nicht überleben, da sich in den ersten Tagen nach der Geburt wie bei allen Neugeborenen üblich eine Verbindung zwischen der Haupt- und Lungenschlagader verschließt und damit nicht mehr genug Blut in den Körperkreislauf gelangt.

GROßER SCHOCK FÜR DIE FAMILIE

In der Regel können Ärztinnen und Ärzte das hypoplastische Linksherzsyndrom ab der 20. Schwangerschaftswoche diagnostizieren. Bei Piet ist der Herzfehler im Ultraschall jedoch nicht aufgefallen, da seine linke Herzkammer zu Beginn der Schwangerschaft nur leichtgradig unterentwickelt ist. Dass Piet unter einem schweren Herzfehler leidet, zeigt sich wenige Tage nach der Geburt. Als er bei einem Routinebesuch der Hebamme kollabiert und blau anläuft, wird er umgehend in die Uniklinik RWTH Aachen eingeliefert. Ein Schock für die Familie: „Die Diagnose hat uns völlig unvorbereitet getroffen. Ich habe bei Herzfehlern immer an ältere Menschen gedacht, ich habe das nicht bei Kindern verortet. Für uns war das eine schreckliche Situation, denn der Arzt hat uns damals vor die Wahl gestellt, Piet ohne Schmerzen einschlafen zu lassen oder den Herzfehler zu operieren, sodass er weiterleben kann. Aber auch bei letzterer Option war klar, dass eine Heilung nicht möglich ist“, erzählt die zweifache Mutter.

Anne und Kai Hennes entscheiden sich für Piet und damit für die Operationen zur Behandlung des Herzfehlers. „Ziel der Operationen ist es, den Herz- und Lungenkreislauf so umzubauen, dass die rechte Herzkammer die Arbeit der unterentwickelten linken Herzkammer übernehmen kann. Dafür führen wir in den ersten Lebenswochen und -jahren drei Operationen durch“, erklärt Univ.-Prof. Dr. med. Ulrike Herberg, Direktorin der Klinik für Kinderkardiologie und Angeborene Herzfehler, das Verfahren. „Wir konnten Piet erfolgreich operieren. Heute ist dieser Eingriff dank des auf alle Formen von angeborenen Herz- und Kreislauferkrankungen spezialisierte Team der Kinderkardiologie und Kinderherzchirurgie der Uniklinik RWTH Aachen ein Routineverfahren.“

VERTRAUENSVOLLES VERHÄLTNIS

Piet ist nun schon seit sechs Jahren in der Uniklinik RWTH Aachen in Behandlung. Die ganze Zeit über hat sich die Familie in der Klinik immer gut aufgehoben gefühlt: „Das ganze Team arbeitet sehr eng und vertrauensvoll mit uns zusammen, die Kommunikation ist auf Augenhöhe und wir fühlen uns ernst genommen. Und auch untereinander arbeitet das Team über die verschiedenen Disziplinen hinweg Hand in Hand“, sagt die Aachenerin. Zwischen dem Klinikpersonal und der Familie ist während dieser Zeit eine enge Bindung entstanden. Das ist bei vielen Patientinnen und Patienten der Fall, wie Oberarzt Dr. med. Stefan Ostermayer berichtet: „Die Zeit von der Diagnosestellung über die Operation bis hin zur ambulanten Nachsorge ist für viele Familien eine sehr prägende und intensive Zeit. Und auch wir bauen währenddessen ein enges Verhältnis zu unseren Patientinnen und Patienten auf und nehmen Anteil an den Familiengeschichten, so natürlich auch bei Piet.“ 

BLICK IN DIE ZUKUNFT

Heute führt Piet ein fast ganz normales Leben, nur morgens und abends muss er Medikamente nehmen. Er hat sich gut entwickelt und wird ab dem Sommer 2024 regulär zu Schule gehen. Dafür ist Anne Hennes sehr dankbar. Sie versucht ihm viele Dinge zu ermöglichen: „Ich sage mir immer, dass er schon Restriktionen durch seinen Herzfehler erfährt, deshalb muss ich ihn nicht noch zusätzlich einschränken“, erzählt sie.

Da das hypoplastische Linksherzsyndrom nicht heilbar ist, wird die Klinik für Kinderkardiologie und Angeborene Herzfehler Piet weiterhin regelmäßig betreuen und seinen Gesundheitszustand überwachen. Für die Zukunft wünscht Anne Hennes sich, dass es ihrem Sohn möglichst lange gut geht – und hofft, dass sich die Forschung im Bereich der Herzmedizin irgendwann so weiterentwickelt, dass Herzfehler wie das hypoplastische Linksherzsyndrom geheilt werden können.

Mehr über die Geschichte von Piet können Sie in unserem Videoclip erfahren.

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