Dauerzustand Schmerz: Wie die Schmerzambulanz hilft

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Es gibt Menschen, die leiden dauerhaft an unerträglichen Schmerzen. Zum Beispiel im Fuß. Mal brennen die Zehen wie Feuer, mal ist es die Fußsohle, mal ziehen die Schmerzen wie tausend Nadelstiche das Schienbein hinauf in den Oberschenkel. Und das, obwohl der Fuß, ja sogar das ganze Bein, schon vor Jahren amputiert werden musste. Wie kann ein Körperteil Schmerzen verursachen, das gar nicht mehr existiert? Für Außenstehende ist dieses Phänomen oft nicht zu begreifen und die Betroffenen erfahren aus ihrem Umfeld nicht selten Unverständnis. Doch in der Schmerzambulanz der Uniklinik RWTH Aachen kann Menschen mit diesem Schicksal geholfen werden.

In der Schmerzambulanz der Klinik für Anästhesiologie an der Uniklinik RWTH Aachen werden ambulante und stationäre Patientinnen und Patienten mit akuten und chronischen Schmerzen behandelt. Dazu zählen vor allem Kopf-, Rücken-, Gelenk-, Gesichts-, Tumor- oder Phantomschmerzen, wie die am amputierten Fuß. Aber auch Rheumaschmerzen, (Poly-) Neuropathien, Herpes Zoster, Schmerzen des Bewegungsapparates, Somatoforme Schmerzsyndrome und Schmerzen bei Durchblutungsstörungen werden hier therapiert. „Da man Schmerzen nicht objektiv messen kann, muss jeder Patient seine Schmerzen zunächst genau beschreiben und die Stärke einschätzen“, erklärt Dr. med. Christoph Mitschke, Ärztlicher Leiter der Schmerzambulanz. Das geschieht über Fragebögen und in ausführlichen Gesprächen, in denen alle Lebensbereiche des Patienten beleuchtet werden. Nach einer eingehenden Anamnese kann schließlich die Therapie beginnen.

Interdisziplinäre Arbeit
So vielseitig die Gründe und Einflussfaktoren chronischer Schmerzen sind, so komplex ist auch die adäquate Therapie. Die therapeutische Palette ist groß, Medikamente werden immer weiter verbessert, nicht-medikamentöse Strategien ständig erweitert. Darum gilt es für das Team aus speziell ausgebildeten Schmerzexperten, aus den verschiedenen Bausteinen für jeden Patienten das individuell wirksamste Therapiekonzept zu entwickeln. „Meist wird hierbei interdisziplinär gearbeitet“, sagt Dr. Mitschke. „In der Uniklinik kommen in sogenannten Schmerzkonferenzen behandelnde Ärztinnen und Ärzte verschiedener Fachbereiche – auch niedergelassene Kollegen – zusammen und besprechen den Krankheitsverlauf der Patienten, tauschen Befunde und Ideen zur bestmöglichen Behandlung aus.“ Denn so wie jeder Mensch verschieden ist, so individuell muss auch die Behandlung sein. Allerdings brauchen Patienten und Ärzte dazu Geduld. Oft dauert es einige Zeit, bis die individuell beste Therapie gefunden wird.

Verschiedene Therapieverfahren
Das gängigste Mittel der Behandlung ist heute die Gabe von Schmerzmedikamenten. Sie haben radikale Maßnahmen wie die Durchtrennung oder Zerstörung von Nerven, wie sie früher häufiger praktiziert wurden, fast vollständig ersetzt. Oft werden bei schweren chronischen Schmerzen schwache oder starke Opioide verwendet. Als Retardpräparate geben die Medikamente ihren Wirkstoff über einen längeren Zeitraum kontinuierlich ab. Neben Kapseln und Tabletten gibt es auch Pflaster, die den Wirkstoff unabhängig vom Magen-Darm-Trakt über die Haut abgeben. Weitere Behandlungsmethoden sind Nervenblockaden oder sogenannte Gegenirritationsverfahren wie die transkutane elektrische Nervenstimulation. Hierbei wird der Nerv betäubt beziehungsweise elektrisch stimuliert, damit die gesteigerte Sensitivität des schmerzverarbeitenden Systems im Rückenmark zumindest zeitweise normalisiert wird und das Gehirn auf diese Weise das Schmerzempfinden wieder „verlernt“.

Faktor Psyche
Auch Krankengymnastik, Akupunktur oder Entspannungsverfahren und gar Hypnose zählen zu den Therapieformen. Vielfach ist eine Kombination dieser Behandlungsmöglichkeiten effektiver als die Anwendung eines einzelnen Verfahrens. Eine lange unterschätzte Komponente bei Schmerzen ist die menschliche Psyche. Denn die bewusste Wahrnehmung und Bewertung der Intensität und Qualität der Schmerzen findet in unserem Gehirn statt und beeinflusst die gesamte Gefühlswelt. Dies äußert sich häufig in komplexen Begleitsymptomen wie Stimmungsschwankungen, Schlafstörungen etc., welche zunächst meist nicht in Zusammenhang mit chronischen Schmerzen gebracht werden. Aus diesem Grund gehört auch die Psychotherapie zum Therapiekonzept vieler Patientinnen und Patienten. Hier können sie über ihre Leiden offen sprechen, werden sie nach Tiefpunkten neu aufgebaut und lernen, ihr Leben nicht auf die Schmerzen zu reduzieren.

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