Blindflug bei Dunkelheit

Defocused picture of night street car traffic - view from road. Colorful night life background.
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Nachtblindheit kann viele Ursachen haben. 

Nachts sind alle Katzen grau – so sagt es das Sprichwort. Man verwendet es, um auszudrücken, dass im Dunkeln vieles gleich erscheint und vor allem Mängeln Farben nicht mehr so gut zu erkennen sind. Die Wahrheit hinter dem Spruch hängt mit unserem Sehvermögen und den zwei Arten von Sehzellen zusammen. Denn die für die Farben zuständigen Zapfen arbeiten bei Dämmerung und Dunkelheit nicht. Dann treten die Stäbchen in Aktion, die uns hell und dunkel unterscheiden lassen – aber eben weitgehend farblos und grau. Bei manchen Menschen ist die Funktion dieser Stäbchenzellen allerdings eingeschränkt oder gar nicht vorhanden. Sie können schon in der Dämmerung kaum mehr etwas sehen und sind ab einem gewissen Grad von Dunkelheit nachtblind.

Ein sehr schlechtes oder gar ganz fehlendes Sehvermögen ist das Hauptmerkmal der Nachtblindheit. Je nach Ursache der Erkrankung kommen noch andere Symptome wie Augenzittern, ein eingeschränktes Sehfeld, eine Blendempfindlichkeit oder eine Farbenblindheit hinzu.

Die Gründe für einen Nachtblindheit sind unterschiedlich. In den seltensten Fällen ist sie eine eigenständige, erblich bedingte Erkrankung. Bei dieser „essentiellen“ Nachtblindheit, die nur eine Person von rund 22.000 betrifft, können die Patienten bei Dämmerung oder Dunkelheit nichts mehr sehen. Im Hellen haben sie hingegen kaum oder gar keine Sehbeschwerden. Weitaus häufiger ist die Nachtblindheit ein Symptom anderer Augen- bzw. Netzhauterkrankungen. Dazu zählen beispielsweise die kongenitale stationäre Nachtblindheit, die Leber‘sche-Amaurose, eine erbliche bereits im Kindes- oder Heranwachsendenalter zur vollständigen Erblindung führende Degeneration der Sinneszellen, oder die Retinitis pigmentosa, bei der die lichtempfindlichen Zellen der Netzhaut langsam zugrunde gehen.

Auch Diabetespatienten können nachtblind werden, da die Zuckerkrankheit die Gefäße in der Netzhaut schädigen kann. Zudem können Erkrankungen wie der Grüne Star oder sogar ein Augentumor (malignes Aderhautmelanom) für das schlechte Sehvermögen bei wenig Licht verantwortlich sein. Auch Erkrankungen, die nicht direkt das Auge betreffen, können Nachtblindheit hervorrufen. Dazu zählen die Lungentuberkulose, eine Schilddrüsenüberfunktion oder eine Fadenwurm-Infektion (Onchozerkose).

Manchmal steckt auch ein Mangel an Vitamin-A hinter der Nachtblindheit, da der Körper das Vitamin A für den Aufbau wichtiger Photopigmente im Auge benötigt. Dieser Mangel tritt oft im Zusammenhang mit Erkrankungen des Darms, bei Leberleiden oder in der Schwangerschaft auf. Ein ernährungsbedingter Mangel ist in Europa äußerst selten.

Vor allem wegen der Vielzahl von Ursachen, die teils schwerwiegenden Erkrankungen zugrunde liegen, sollte man eine Nachtblindheit also dringend vom Augenarzt abklären lassen. Dem Augenarzt stehen verschiedene Methoden zur Verfügung, um die Funktionstüchtigkeit von Stäbchen und Zapfen zu überprüfen und die Zeit, die das Auge zur Anpassung von Hell nach Dunkel benötigt (Dunkeladaption) zu messen.

Die Nachtblindheit selbst ist nicht behandelbar. Als eigene Erkrankung ist sie damit meist ein Leben lang in ihrer Ausprägung konstant. Eine Therapie kann nur in Bezug auf die Ursprungserkrankungen erfolgen. Je nach Therapie oder unterlassener Behandlung kann sich die Nachtblindheit dann verbessern oder verschlechtern.

In manchen Fällen von Nachtblindheit hilft eine neue Sehhilfe. Denn Brillen haben nicht nur Auswirkungen auf die Sehschärfe, sondern auch auf die Fähigkeit, in der Dämmerung zu sehen. Vor allem Autofahrer sollten eine schlechte Sicht bei Dunkelheit als Warnsignal verstehen. Wer im Dunkeln unscharf sieht oder im Gegenlicht Menschen am Fahrbahnrand nicht mehr erkennen kann, sollte dringend einen Termin beim Augenarzt vereinbaren. Schlechtes Sehen in der Dämmerung und leichtes Blenden treten nämlich meist zusammen auf. Verbindliche Augentests gibt es in Deutschland für Autofahrer nur beim Erwerb des Führerscheins, später nicht mehr. Fest steht aber: Wer schlechter sieht, kann schlechter reagieren. Der Berufsverband der Augenärzte Deutschlands (BVA) schätzt, dass jedes Jahr 300.000 Verkehrsunfälle durch mangelnde Sehleistung verursacht werden.

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