Zu Beginn dieser Zeilen muss mit einem Vorurteil gebrochen werden: Wer so über Krankheiten als eine Art Faszinosum schreibt – so könnte man meinen –, verliert automatisch die kritische Distanz zum Gegenstand und macht sich schnell eines Zynismus verdächtig. Wie kann man nur, mag man entgegnen, so schreiben! Hätte er selbst Krebs, würde Siddhartha Mukherjee das weihevolle Pathos doch sicher schnell vergehen. Wer so denkt, macht es sich zu leicht, viel zu leicht – er möge erst die gut 700 Seiten Wissenschaftskrimi lesen. Mukherjee will den Krebs verstehen, wissen, wie er funktioniert. Dazu muss man, so meint er, sich eingestehen, dass er zu uns gehört. Der Respekt vor den bösartigen Tumoren, die sich den Skalpellen, Strahlen und Arzneien der Ärzte immer wieder entziehen, ist ihm durchweg anzumerken, und das nicht nur, weil er den Krebs als König aller Krankheiten bezeichnet. Das Buch fußt im Alltag klinischer Onkologie, es beruht auf dem Leid und der Hoffnung des Autors als junger Arzt und reicht von hier aus in aller Weitschweifigkeit bis in die entlegensten Winkel der Geschichte des gesellschaftlich-wissenschaftlichen Kampfes gegen den Krebs – eine Erkrankung, die wie keine andere die Menschheit in ihrem Bann hält.
Mukherjee, der als Assistenz-Professor an der Columbia-Universität und als Arzt am Columbia University Medical Center in New York City tätig war, erzählt eine ebenso spannende wie facettenreiche Geschichte der Krebschirurgie, der Chemo- und Strahlentherapie, er beschreibt mit oft ermüdendem Detailreichtum die vielen Umwege, Sackgassen und Fallen auf der Suche nach einer hilfreichen Behandlung von Krebs und berichtet von Wissenschaftlern und Ärzten, die sich in fatalen Annahmen verheddern, bahnbrechende Erkenntnisse gewinnen und oft herbe Rückschläge erleiden mussten. Mit Mukherjee kann man Demut vor einer Krankheit wie Krebs lernen, kann die trotzige Ausdauer bewundern, die manch ein Forscher trotz herber Rückschläge aufbringen musste, und erkennen, dass es trotz aller – durchaus begründeten – Fortschrittsrhetorik noch eine gute Wegstrecke bis zur vollständigen Heilung von Krebs ist. Stück für Stück distanziert man sich auch von der Vorstellung, es könne eine einzige universell wirksame Therapie gegen eine so vielgestaltige Erkrankung geben: Der Krebs scheint nicht nur eine, sondern viele Persönlichkeiten zu besitzen – jede davon bedarf gleichsam einer Therapie. Zu guter Letzt sind es aber vor allem die Schicksale der – so Mukherjee – wahren Helden dieses Kampfes: Es ist die Geschichte der Patienten. Die Erkrankung verrät nämlich mehr über ihren Träger: den Menschen selbst und seine stete Unbeugsamkeit.