Kinderarzt oder Notaufnahme? Richtig auf Unfälle im Kindesalter reagieren

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Kinder wollen vom ersten Tag an die Welt erkunden. Sie sind neugierig, fantasiereich und voller Entdeckerlust. Gleichzeitig sind sie unerfahren und können Gefahrensituationen noch nicht einschätzen. Das Risiko, sich bei einem Unfall zu verletzen, ist daher bei Säuglingen und Kleinkindern besonders hoch. Kommt es zu einem Unfall oder einer Verletzung, sollten Eltern ruhig bleiben und angemessen auf die Situation reagieren: Denn nicht jeder Unfall ist gleich ein Fall für die Notaufnahme und kann oft auch in der Kinderarztpraxis behandelt werden. apropos erklärt, was Eltern beachten sollten.

Maßnahmen zur Unfallverhütung
Statistiken zufolge passieren über 80 Prozent der Unfälle im Säuglings- und Kleinkindalter in den eigenen vier Wänden. Häufige und typische Unfälle sind Stürze, Ertrinken, Ersticken, Verbrennungen, Verbrühungen und Vergiftungen. Doch mit dem richtigen Maß an Umsicht und Vorbereitung können viele dieser Gefahrensituationen vermieden werden, weiß Prof. Dr. med. Jörg Brokmann, Leiter des Zentrums für klinische Akut- und Notfallmedizin an der Uniklinik RWTH Aachen: „Der wichtigste Grundsatz lautet: Lassen Sie Babys und Kleinkinder niemals unbeaufsichtigt. Zudem sollten Sie entsprechende Sicherheitsvorkehrungen treffen und Gefahren beseitigen. Dazu gehört, dass Sie kleine und gefährliche Haushaltsartikel außer Reichweite Ihrer Kinder aufbewahren und Steckdosen, Treppengeländer sowie Möbel oder andere schwere Gegenstände entsprechend sichern.“ Damit Kinder Gefahren selbst erkennen können, sollten Eltern den Nachwuchs immer wieder auf spielerische und altersgerechte Weise mit Gefahrenquellen vertraut machen und sie bei der Förderung eines sicherheitsorientierten Verhaltens unterstützen – zum Beispiel durch eine altersentsprechende Beteiligung bei Tätigkeiten im Haushalt. „Auch wenn sich ein Gefahrenbewusstsein erst im Entwicklungsverlauf herausbildet, können Sie in den ersten Lebensjahren bereits wichtige Grundlagen und Voraussetzungen schaffen und Ihrem Kind die nötigen Erfahrungen ermöglichen“, so der Experte.

Richtiges Verhalten im Ernstfall
Falls es dennoch zu einem Unfall oder einer Verletzung kommt, lautet der wichtigste Grundsatz für Eltern: Ruhe bewahren. Weinende, aufgeregte oder gar panische Eltern verunsichern und erschüttern nicht nur die Kinder, sondern sind auch nicht in der Lage, angemessen auf die Situation zu reagieren. Prof. Brokmann empfiehlt: „Verschaffen Sie sich zunächst rasch einen Überblick über die Situation. Falls notwendig, retten Sie das Kind aus dem akuten Gefahrbereich und sichern Sie die Gefahrenstelle ab, damit es nicht zu weiteren Unfällen kommt.“ Bei akuten Notfällen gilt es, zunächst die lebenswichtigen Funktionen des Kindes zu überprüfen. Ob ein Kind atmet, ist am besten zu erkennen, indem Sie prüfen, ob sich der Brustkorb regelmäßig hebt und senkt. Sollte dies nicht der Fall sein bitte die Atemwege durch Neigen des Kopfes nach hinten bei gleichzeitigem Anheben des Kinns freimachen. In dieser Position wird die Atemkontrolle durch Sehen, Hören und Fühlen nochmals durchgeführt. Dabei das Ohr über Mund und Nase des Betroffenen legen und hören, ob Atemgeräusche vorhanden sind und mit der Wange prüfen, ob ein Luftstrom des Betroffenen fühlbar ist. Sind keine Atembewegungen erkenn- oder spürbar liegt vermutlich ein Herz-Kreislaufstillstand vor.  Bei einem Herz- oder Atemstillstand sollten Eltern unverzüglich den Notruf wählen. Halsseite Sollte eine Herzdruckmassage oder Atemspende bei einem Kind notwendig sein: „Versuchen Sie es auf jeden Fall! Jede – auch ungeübte Hilfe – ist besser als gar keine“, sagt der Notfallmediziner. Auch wenn das Kind ohnmächtig ist, Bewusstseinstrübungen oder eine gestörte Atmung hat, ist der Rettungsdienst die richtige Anlaufstelle. Bei Vergiftungen hilft der Giftnotruf 24 Stunden am Tag mit fachkundigem Rat weiter. Maßnahmen wie diese sind aber nur in seltenen Fällen notwendig: Viele Unfälle im Kindesalter sind keine Notfälle und können in der Kinderarztpraxis versorgt werden: Für Verletzungen wie kleinere Schnittwunden oder eingeklemmte Finger ist der Kinderarzt oder die Kinderärztin die richtige Anlaufstelle. Ist die Praxis zur Zeit des Unfalls nicht erreichbar, hilft der ärztliche Bereitschaftsdienst weiter.

Einen ausführlichen Überblick über die wichtigsten Handgriffe und Verhaltensweisen bei Verletzungen durch Hitze oder Kälte, Vergiftungen, Verätzungen, Ertrinken, Fremdkörper, Sturzverletzungen, Verstauchungen oder Knochenbrüche, Schürf- und Schnittwunden, Insekten- und Zeckenstiche sowie allergische Reaktionen und Nasenbluten finden Sie in unserem Kindernotfall ABC.

Elternratgeber zur Unfallverhütung im Kindesalter der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: https://shop.bzga.de/kinder-schuetzen-unfaelle-verhueten-11050000/

WICHTIGE NOTRUFNUMMERN:

  • 112 – Feuerwehr und Rettungsdienst: Bei Bränden, akuten Notlagen oder bei lebensbedrohlichen Unfällen sowie bei medizinischen Notfällen wenden Sie sich an die Feuerwehr beziehungsweise den Rettungsdienst. Beide erreichen Sie unter derselben Nummer. Die Nummer funktioniert ohne Vorwahl, gilt europaweit und ist kostenlos.
  • 110 – Polizei: Diese Nummer sollten Sie nutzen, wenn die Polizei in einem dringenden Anliegen benötigt wird, etwa, weil Sie sich aufgrund einer Gefahrenlage oder wegen einer Straftat in einer Notsituation befinden. Gleiches gilt, wenn Sie beobachten, dass jemand anderes in einer solchen Situation ist.
  • 116 117 – Ärztlicher Bereitschaftsdienst: Handelt es sich um eine Erkrankung, mit der Sie normalerweise einen niedergelassenen Arzt in der Praxis aufsuchen würden, aber die Behandlung aus medizinischen Gründen nicht bis zum nächsten Tag warten kann, ist der ärztliche Bereitschaftsdienst zuständig. Die Nummer funktioniert ebenfalls ohne Vorwahl, ist kostenlos und gilt deutschlandweit.
  • 0228 19240 – Giftnotruf (NRW): Die Giftnotrufzentrale berät 24 Stunden am Tag bei akuten oder chronischen Vergiftungen durch Medikamente, Pflanzen, Drogen, Tiere, Pilze, Haushaltsmittel oder Chemikalien. Über den Giftnotruf bekommen Sie fachkundigen Rat für das weitere Vorgehen.
  • 0800 1110111 und 0800 1110222 – Telefonseelsorge: Bei Problemen und Krisen sind diese beiden Nummern der Telefonseelsorge die richtige Wahl. Hier helfen ehrenamtliche Mitarbeitende bei psychischen Problemen, Sorgen und Einsamkeit.
  • 116 111 – Nummer gegen Kummer: Diese Notrufnummer ist speziell für Kinder und Jugendliche, aber auch für deren Eltern gedacht. Hier wird bei Sorgen und Problemen geholfen. Und auch in Fällen sexuellen Missbrauchs können sich Kinder und Jugendliche bundesweit an diese Telefonnummer wenden und im Notfall Hilfe erhalten.
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