Jährlich kommen in Deutschland mehr als 7000 Kinder mit einem angeborenen Herzfehler zur Welt, fast ein Prozent aller Neugeborenen weisen eine Anomalie am Herzen auf. Die Ursachen sind ebenso vielfältig wie das Spektrum: Neben einfachen Herzanomalien gibt es zahlreiche Arten von Herzfehlern, die ohne frühzeitige Behandlung lebensbedrohlich sind. Dank des medizinischen Fortschritts erreichen heute über 90 Prozent der Betroffenen das Erwachsenen-alter. Das Kinderherzzentrum Aachen, bestehend aus der Klinik für Herzchirurgie und Chirurgie angeborener Herzfehler und der Klinik für Kinderkardiologie und Angeborene Herzfehler der Uniklinik RWTH Aachen, hat sich der bestmöglichen Behandlung herzkranker Kinder und Erwachsener verschrieben.
Unter angeborenen Herzfehlern verstehen Expertinnen und Experten eine seit der Geburt bestehende Fehlbildung des Herzens oder einzelner Herzstrukturen, wie der Herzscheidewand oder der Herzklappen. Viele Herzfehler können dank moderner Diagnoseverfahren schon vor der Geburt diagnostiziert werden, erklärt Univ.-Prof. Dr. med. Ulrike Herberg, Direktorin der Klinik für Kinderkardiologie und Angeborene Herzfehler: „Wenn während der Schwangerschaft ein Herzfehler vermutet wird, überweist der behandelnde Frauenarzt oder die behandelnde Frauenärztin die werdende Mutter zu Spezialisten , um das Herz des Fötus mittels der fetalen Echokardiographie, einer speziellen Ultraschalluntersuchung, zu überprüfen.“
Zeigt sich dabei eine Herzanomalie, beginnt das Expertenteam der Uniklinik RWTH Aachen noch vor der Geburt mit einer interdisziplinären Planung der Therapieschritte: „Um die bestmögliche Behandlung vor und um die Geburt zu koordinieren, arbeiten wir dabei eng mit der Sektion für Pränatalmedizin der Klinik für Gynäkologie und Geburtsmedizin um Univ.-Prof. Dr. med. Christian Enzensberger zusammen“, erklärt Univ.-Prof. Dr. med. Andre Rüffer, Direktor der Klinik für Kinderherzchirurgie und Chirurgie angeborener Herzfehler.
ZYYANOTISCHE UND NICHT-ZYANOTISCHE FEHLBILDUNGEN
Die Ursachen für Fehlbildungen des Herzens sind komplex. Expertinnen und Experten unterscheiden angeborene Herzfehler allgemein in zwei Gruppen, je nach Sauerstoffgehalt im Blut: „Herzfehler mit normalem Sauerstoffgehalt im Blut bezeichnen wir als nicht-zyanotisch. Bei betroffenen Kindern gelangt sauerstoff-reiches Blut aus der linken Herzhälfte in das sauerstoffarme Blut der rechten Herzkammer. In diese Kategorie fällt zum Beispiel der Kammerscheidewand-deffekt, der sich durch ein Loch zwischen den beiden Herzkammern auszeichnet“, erklärt Prof. Herberg.
Bei zyanotischen Herzfehlern ist es andersherum: Hier ist der Sauerstoffgehalt im Blut vermindert und es kommt daher bei Patientinnen und Patienten zu bläulichen Verfärbungen der Zunge und Schleimhäute. Der häufigste zyanotische Herzfehler ist die Fallot-Tetralogie, eine Kombination mehrerer Defekte: eine Verengung der Lungenschlagaderklappe (Pulmonalstenose) und der Ausflusspassage der rechten Herzkammer, eine Lücke in der Kammerscheidewand (Ventrikelseptum-defekt) sowie eine Fehlstellung der Körperschlagader (Aorta).
ANGEBORENE HEZFEHLER: VIELFÄLTIG IN IHRER FORM UND AUSPRÄGUNG
Da Fehlbildungen innerhalb des Herzens nicht an eine bestimmte Entwicklungs-phase gekoppelt sind, variieren sie stark in ihrer Erscheinungsform. Welche Symptome ein Herzfehler auslöst, ist von der Art und Schwere seiner Ausprägung abhängig. „Leichte Fehlbildungen des Herzens verursachen meist keine Probleme, heilen von selbst aus oder können mithilfe von Medikamenten behandelt werden“, weiß Prof. Rüffer. Tatsächlich bleiben manche Herzfehler über das gesamte Kindesalter ohne gesundheitliche Folgen und werden unter Umständen erst im Erwachsenenalter diagnostiziert. Ein Großteil der angeborenen Herzfehler muss jedoch frühzeitig im Säuglings- und Kindesalter behandelt werden. Lebens-bedrohliche Herzfehler erfordern einen operativen Eingriff im Neugeborenenalter, das bedeutet innerhalb von 28 Tagen nach der Geburt.
KINDERHERZEN IN GUTEN HÄNDEN
Das Kinderherzzentrum Aachen hat sich auf die umfassende Therapie ange-borener Herzfehler von der pränatalen Diagnostik bis hin ins Erwachsenenalter spezialisiert. Seit 2011 ist die Einrichtung als überregionales Zentrum für Erwach-sene mit angeborenen Herzfehlern (EMAH-Zentrum) zertifiziert. „Der Schlüssel zum Behandlungserfolg liegt darin, bereits im Mutterleib mit der Behandlung zu beginnen und diese das ganze Leben über aufrechtzuerhalten“, sagt die erfahrene Medizinerin, die sich wissenschaftlich vor allem mit der vorgeburtlichen inter-disziplinären Diagnose und Beratung von Feten mit Herzerkrankungen und Herz-rhythmusstörungen beschäftigt.
Da viele angeborene Herzfehler eine Störung des Blutkreislaufs zur Folge haben, liegt das Ziel der Therapie darin, die normale Blutzirkulation wiederherzustellen und die Leistung des Herzens zu erhalten. Viele Defekte lassen sich mittels einer Katheterintervention therapieren: So können Expertinnen und Experten der Klinik für Kinderkardiologie und Angeborene Herzfehler beispielsweise Defekte an der Vorhofscheidewand mit einem Herzkatheter verschließen. Bei Verengungen eines Gefäßes oder einer Herzklappe ist eine Behandlung mithilfe eines Ballons möglich, bei einem Septumdefekt kann ein kleines Schirmchen Abhilfe schaffen.
Die Klinik für Kinderherzchirurgie und Chirurgie angeborener Herzfehler bildet das gesamte Spektrum der komplexen Herzchirurgie ab und führt operative Eingriffe bei Kindern aller Altersstufen möglichst schonend mit und ohne Herz-Lungen-Maschine durch. Der Hauptzugang zum Herzen erfolgt dabei in der Regel durch das Brustbein (Sternotomie). Alternativ wird in Aachen zur Behandlung der meisten azyanotischen Defekte eine minimalinvasive („Schlüsselloch“-)Thora-kotomie unter der rechten Achselhöhle angewendet. Die Medizinerinnen und Mediziner der Uniklinik RWTH Aachen betrachten dabei nicht nur das Herz, sondern den gesamten Menschen: „Bei uns steht während der Operation neben dem kardialen und kosmetischen Operationsergebnis auch der Schutz des Gehirns und aller anderen Organe im Vordergrund. Denn nur so können wir eine regelrechte Entwicklung und langfristig ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen“, sagt Prof. Rüffer.
Überregionales Zentrum für Erwachsene mit angeborenem Herzfehler (EMAH-Zentrum)
Dank des medizinischen Fortschrittes erreichen mittlerweile über 90 Prozent der Patientinnen und Patienten mit angeborenen Herzfehlern (EMAH) das Erwachsenenalter. Erwachsene mit angeborenen Herz-fehlern benötigen lebenslang eine hochspezialisierte Versorgung, die durch die Zusammenarbeit vieler Fachdisziplinen gewährleistet wird. In dem zertifizierten, überregionalen EMAH-Zentrum (Leitung: Univ.-Prof. Dr. med. Ulrike Herberg, Klinik für Kinderkardiologie und Angeborene Herzfehler; Dr. med. Michael Frick, Klinik für Kardiologie, Angiologie und Internistische Intensivmedizin (Med. Klinik I); Prof. Dr. med. Andre Rüffer (Klinik für Kinderherzchirurgie und Chirurgie angeborener Herzfehler)) werden Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern interdisziplinär betreut. Im EMAH-Zentrum erfolgt die ambulante und stationäre Behandlung in enger Kooperation mit medizinischen Spezialisten verschiedenster Bereiche. So sind die Expertinnen und Experten in der Lage, alle erforderlichen Maßnahmen unter einem Dach durchzuführen. Unterstützt werden sie durch geschulte Psychologen und Sozialarbeiter. Insgesamt sind sieben EMAH-zertifizierte Ärzte am Zentrum tätig.