Überleben: ECMO-Therapie als letzte Hoffnung

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ECMO – vier Buchstaben, ein Ziel: Leben retten. Spätestens seit Corona dürfte diese Abkürzung den meisten ein Begriff sein. Während es für die einen nur ein medizinisches Akronym ist, hängt für andere ihr gesamtes Leben von dieser Maschine ab. Zum Einsatz kommt die ECMO-Therapie bei Menschen, deren Herz oder Lunge stark geschädigt ist. Wie genau das Hightech-Verfahren funktioniert, wann es sinnvollerweise angewandt wird und welche Risiken damit verbunden sind, erklärt Dr. med. Alexander Kersten, Oberarzt in der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Internistische Intensivmedizin an der Uniklinik RWTH Aachen, im Gespräch mit apropos.

Ohne ausreichende Herz- oder Lungenfunktion kann ein Mensch innerhalb kürzester Zeit sterben. Benötigt eine Patientin oder ein Patient eine Behandlung an der ECMO-Maschine“, ist klar: die Situation ist lebensbedrohlich.

ECMO steht für „Extracorporeal Membrane Oxygenation“ und beschreibt eine besondere intensivmedizinische Technik, die in spezialisierten Kliniken wie der Uniklinik RWTH Aachen angeboten wird. Das Verfahren kommt in der Regel nur bei Patientinnen und Patienten zum Einsatz, bei denen konservative Therapieversuche scheitern. „Die ECMO ist damit oft das letzte Mittel, um ein Versterben zu verhindern. Dabei ersetzt die Maschine am Krankenbett die geschädigte Lunge oder das geschädigte Herz des Patienten und übernimmt teilweise oder vollständig die Atemfunktion und kann zusätzlich die Kreislauffunktion unterstützen“, erklärt Dr. Kersten. Diese Behandlungsform wird bei Personen angewandt, deren Lunge oder Herz derart schwer geschädigt ist, dass die Versorgung der lebenswichtigen Organe mit Sauerstoff nicht mehr gewährleistet ist und konservative Therapien für Herz- oder Lungenversagen ohne Aussicht auf Erfolg oder gar mit einer schlechteren Prognose verbunden sind.

Wie funktioniert die ECMO?

Ein ECMO-Gerät ist eine miniaturisierte, abgeänderte Version Herz-Lungen-Maschine, bestehend aus einer Pumpe, einem Membranoxygenator sowie Steuer- und Überwachungselementen. Durch dieses Organersatzverfahren wird kontinuierlich sauerstoffarmes, kohlendioxidreiches Blut aus dem Körper des Betroffenen in die Maschine gesaugt. „Diese reichert das Blut mit Sauerstoff an und entfernt das Kohlendioxid. Anschließend wird das ‚frische‘, aufbereitete Blut mittels der Pumpe über das Schlauchsystem wieder dem Patienten zugeführt“, erklärt der Mediziner den Vorgang. Um ausreichend Blut transportieren zu können, sind großlumige Kanülen notwendig, die in der Regel durch die Haut in große Venen oder Arterien gelegt werden. „Wir bringen die Kanülen in zwei Blutgefäße des Patienten ein, meist über die Leiste und den Hals. Nach einer Herz-Operation können wir die ECMO alternativ auch über den Brustkorb zentral herznah anschließen“, so Dr. Kersten.

Grundsätzlich unterscheidet man zwischen zwei Arten: der veno-arteriellen und der veno-venösen ECMO. Während erstere sowohl das Herz als auch die Lunge unterstützt, kommt das zweite Verfahren ausschließlich bei Erkrankungen der Lunge, wie dem akuten Atemnotsyndrom (ARDS), zum Einsatz.

Außergewöhnliches Gerät mit beachtlicher Leistung

Die ECMO-Maschine ist ein kompaktes Gerät mit einem Gewicht von rund zwölf Kilogramm, das mobil am Krankenbett auf der Intensivstation eingesetzt werden kann. Durch die großen Kanülen fließen bei einem erwachsenen Menschen bis zu sieben Liter sauerstoffarmes, kohlendioxidreiches Blut pro Minute aus dem Körper heraus. Zu Beginn werden sehr große Blutmengen durch die ECMO gepumpt, um eine maximale Unterstützung zu erreichen und ein Versagen anderer Organe zu vermeiden. Bei Verbesserung des Zustandes des Patienten kann die Flussrate reduziert werden, und Herz und Lunge können schrittweise wieder ihre volle Funktion übernehmen.

Damit das Blut in der Herz-Lungen-Maschine nicht gerinnt, werden gerinnungshemmende Substanzen verabreicht. „Diese Therapie ist sehr invasiv und es besteht ein erhöhtes Blutungsrisiko“, warnt der Kardiologe. Um die Sicherheit der Patienten zu gewährleisten und eine adäquate Behandlung durchzuführen, ist ein spezialisiertes Team aus Ärzten, intensivmedizinischen Pflegekräften, Physiotherapeuten und Kardiotechnikern notwendig.

Zeit gewinnen

„Mit der ECMO-Therapie alleine können wir keine Patienten heilen, doch die Technologie hilft, wertvolle Zeit zu gewinnen, damit wir die richtigen Maßnahmen zur Behandlung der Grunderkrankung ergreifen können. Ziel der Therapie ist es, die Versorgung des Körpers mit Sauerstoff bis zur Erholung der Lunge beziehungsweise des Herzens zu überbrücken, eine zunehmende Schädigung des initial kranken Organs zu reduzieren und ein Multiorganversagen zu vermeiden“, erklärt Dr. Kersten. Während bei herkömmlichen künstlichen Beatmungstechniken Sauerstoff mit Überdruck in die Lunge gepresst wird, findet bei der ECMO der Gasaustausch außerhalb des Körpers statt. „Dadurch kann die Beatmung reduziert werden. Die Lunge erfährt somit eine viel geringere Belastung durch die Beatmungsmaschine und hat Zeit, sich zu erholen. In dieser Situation ist das Risiko der ECMO-Therapie dann geringer als das Risiko, die Standard-Therapie fortzuführen.“

Die Dauer einer ECMO-Therapie hängt davon ab, wie schnell sich die Herz- beziehungsweise Lungenfunktion des Betroffenen erholt. Sie kann mehrere Wochen notwendig sein, in Einzelfällen sogar Monate andauern.

Großes Potenzial birgt auch große Gefahren

Die Betreuung der ECMO-Patientinnen und -Patienten ist sehr komplex, benötigt viel Aufwand, Zeit und Know-how und verlangt ein interdisziplinäres Team. „Um unseren Intensivpatienten eine möglichst große Überlebens- und Genesungschance zu ermöglichen, arbeitet intensivmedizinisches Personal unterschiedlicher Fachbereiche eng zusammen; unter anderem aus der Anästhesiologie, Herzchirurgie und Kardiologie, aber auch aus der Kinder- und Jugendmedizin zum Wohle unserer kleinsten Patienten“, so der erfahrene Experte.

Trotz aller Expertise bleibt der Betrieb einer transportablen Herz-Lungen-Maschine ein aufwendiges und risikoreiches Verfahren, das zu erheblichen Komplikationen führen kann. „Das Anlegen der Kanülen, und die notwendige Blutverdünnung bergen ernste Risiken. Umso wichtiger ist es, dass die Behandlung durch gut ausgebildete Intensivmediziner und Intensivpflegekräfte durchgeführt und betreut wird, sodass auch im Ernstfall ein gezieltes und schnelles Eingreifen möglich ist. „Aufgrund der nicht zu unterschätzenden Komplikationsrate kommt das Verfahren meist nur bei Menschen zum Einsatz, die sich in einem lebensbedrohlichen Gesundheitszustand befinden. Als Intensivmediziner müssen wir Nutzen und Risiken der Therapie im Einzelfall gut abwägen“, macht Dr. Kersten deutlich.

Schritt für Schritt zurück ins Leben

Das Wissen, dass Schwerstkranke langfristig ihre ursprüngliche Lebensqualität wiedererlangen können, ist für die Therapieentscheidung der Ärztinnen und Ärzte, aber insbesondere auch für die Angehörigen von großer Bedeutung. Auch wenn die Therapie erfolgreich verläuft, ist es noch ein langer Weg zurück ins ‚normale‘ Leben. „Die Entwöhnung von der ECMO, in der Fachsprache ‚Weaning‘ genannt, erfolgt schrittweise. Meist wird erst ein Wechsel aus kontrollierter Beatmung und Phasen der Spontanatmung ohne Beatmungsgerät angestrebt, bis das eigenständige Atmen wieder möglich ist. Darüber hinaus müssen häufig Begleiterkrankungen behandelt werden“, weiß der erfahrene Facharzt.

Selbst wenn der Kampf ums Überleben gelungen ist, benötigen Betroffene nach Ende ihrer ECMO-Therapie weitere langwierige intensivmedizinische Therapiemaßnahmen. Dazu gehörigen neben der Entwöhnung (Weaning) von der Beatmungsmaschine zumeist Atemtherapie, intensive Physiotherapie und Mobilisation. „In dem möglicherweise langen, stationären Aufenthalt mit anschließender Rehabilitationsbehandlung ist uns eine frühzeitige und intensive Einbeziehung der Angehörigen besonders wichtig, um einerseits das Wohlempfinden der Patienten zu unterstützen, andererseits aber auch Angehörigen Hemmungen und Ängste vor der veränderten Situation zu nehmen“, sagt Dr. Kersten.

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