Regelmäßige körperliche Aktivität kann so wirksam sein wie Betablocker und den Blutdruck langfristig senken. Selbst im hohen Alter kann Sport effektiv helfen. Dabei kommt es auf die richtige Sportart, die adäquate Belastung und Dosierung an. Inwieweit Bewegung den Blutdruck beeinflusst und was es dabei zu beachten gilt, erklärt Jörg Augustin, Diplomsportwissenschaftler und Sporttherapeut an der Uniklinik RWTH Aachen, im Gespräch mit apropos.
Wer sich in seiner Familie oder im Freundeskreis umhört, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit mindestens eine Person finden, die an zu hohem Blutdruck leidet – in der Fachsprache auch Hypertonie genannt. Aussagen wie „Mein Arzt hat mir Medikamente verschrieben“, „Ich muss dringend abnehmen“, „Meine Therapeutin hat gesagt, ich soll mich täglich mindestens 30 Minuten lang bewegen“ fallen in derartigen Gesprächen nicht selten. Vor allem Bewegungsmangel zusammen mit Stress und falscher Ernährung ist eine der Hauptursachen für erhöhten Blutdruck. Obwohl die gesundheitliche Bedeutung körperlicher Aktivität lange bekannt ist, bewegen sich mehr als die Hälfte aller Deutschen zu wenig.
Wie Bewegung den Blutdruck beeinflusst
Dabei ist Sport eine wahre Wunderwaffe: Regelmäßiges Training erweitert die Gefäße, macht sie so wieder elastisch. Der Blutfluss wird angeregt, dadurch sinkt der Widerstand in den Blutgefäßen und folglich auch der Blutdruck. Im besten Fall kann gesunde Bewegung so wirksam sein, dass sich damit eine medikamentöse Behandlung vermeiden lässt. „Sportliche Betätigung sollte also zur Basistherapie für jeden Hypertoniker gehören“, so Augustin. Zusätzlich nimmt körperliche Fitness auch Einfluss auf das Nervensystem und baut Stress ab.
Vorab ärztlichen Rat einholen
Zu Beginn der sportlichen Aktivität steigt der Blutdruck mehr oder weniger stark an. Aus diesem Grund sollten Bluthochdruck-Patienten zuvor Rücksprache mit ihrem behandelnden Arzt halten, um abzuklären, wie stark sie sich belasten dürfen und welche Sportarten für sie geeignet sind. Die Belastungsgrenze unterscheidet sich individuell und auch Erfahrungen und Vorlieben der Patienten gilt es zu berücksichtigen. „Je nach Höhe des Blutdrucks reagiert der Körper anders auf Bewegung. Ein deutlicher Anstieg des Blutdrucks, sogenannte Blutdruckspitzen, sind für Hypertoniker gefährlich und können schlimmstenfalls zu einem plötzlichen Herztod oder Schlaganfall führen“, warnt der Sportwissenschaftler. Sollte der Blutdruck noch nicht stabil eingestellt sein, muss dies zuerst geschehen.
Ausdauer bei geringer Intensität
Vor allem bei leichter, unkomplizierter Hypertonie sollten Patienten mindestens dreimal pro Woche für 30 bis 45 Minuten trainieren. Liegt der Blutdruck unter 160 zu 100 mmHg, kann er sich durch diese Allgemeinmaßnahme durchaus normalisieren. „Dabei geht es selbstverständlich nicht um Hochleistungssport“, betont Augustin. „Unser Herz-Kreislauf-System bevorzugt ein langsames, gleichmäßiges Ausdauertraining. Tägliches Spazierengehen in zügigem Tempo reicht bereits aus, um die Grundfitness zu steigern.“ Laut des Experten ist vor allem eines wichtig: Konsequenz und Regelmäßigkeit.
Als besonders empfehlenswert gelten Ausdauersportarten wie Schwimmen, (Nordic-)Walking, Radfahren oder Joggen, da sie mit einer mäßigen Belastung und ohne großen Kraftaufwand ausgeübt werden können.
Begleitendes Krafttraining
Mit dem Gewinn an Kondition und Ausdauer kann mit einem moderaten Krafttraining als Ergänzung zum Ausdauersport begonnen werden, um blutdrucksenkende Effekte zu erzielen. „Hierbei ist die korrekte Ausführung der Übungen und ein Verzicht auf zu schwere Gewichte wichtig“, rät Augustin. Andernfalls könnte dies zu Blutdruckspitzen führen. Um die Risiken beim Krafttraining zu minimieren, sollten Betroffene vor allem zu Beginn nur unter Anleitung trainieren, beispielsweise mit einem ausgebildeten Physiotherapeuten. „Auch die Atmung spielt eine bedeutsame Rolle: Pressen oder eine Pressatmung gilt es zu vermeiden. Durch entsprechende bewusste Atemtechniken lassen such gefährliche Blutdrucksteigerungen deutlich vermindern “, weiß der erfahrene Sporttherapeut.
Puls im Blick behalten
Wichtig: Weder die zurückgelegte Strecke noch die Geschwindigkeit zählen beim Training – auf den Belastungsbereich kommt es an. „Menschen mit Bluthochdruck sollten immer möglichst im richtigen Pulsbereich trainieren: Der Kreislauf kommt in Schwung, ohne dass die Pulsfrequenz in die Höhe schießt“, sagt Augustin. Die für jeden einzelnen beste Pulsfrequenz kann nur der Mediziner ermitteln. Gerade am Anfang ist für Hypertoniker eine Trainings- und Belastungskontrolle ratsam. Hilfreich kann ein Pulsmesser sein, der Herzfrequenz und andere Belastungswerte anzeigt und somit vor Überbelastung schützt.
Dem Bluthochdruck davonlaufen
Wer seinen Blutdruck nachhaltig senken und normalisieren möchte, kommt um regelmäßige Bewegung nicht herum. Egal für welche Sportart man sich letztlich entscheidet: Beim Einstieg ist nur eine mäßige Belastung anzustreben, die Schritt für Schritt gesteigert werden kann. „Die größten Erfolge treten bereits nach wenigen Wochen auf. Damit diese auch langfristig erhalten bleiben, sollte Sport zum festen Bestandteil des eigenen Lebensstils und konsequent weitergeführt werden“, so der Experte. Es ist nie zu spät, mit Sport anzufangen. Also: runter von der Couch und rein in die Laufschuhe!
Tipps für mehr Bewegung im Alltag:
· Regelmäßige Bewegung:
Gehen Sie beispielsweise täglich 30 Minuten spazieren, dreimal in der Woche eine Stunde Fahrrad fahren oder eine Stunde locker joggen. Sie sollten pro Tag mindestens 10.000 Schritte gehen.
· Mehr Schwung Zuhause:
Machen Sie während des Zähneputzens ein paar Kniebeugen. Absolvieren Sie während Ihrer Lieblingsserie Sportübungen oder schalten Sie beim Kochen Ihre Lieblingsmusik an und tanze Sie ausgelassen mit.
· Wege zu Fuß erledigen:
Steigen Sie Treppen anstatt die Rolltreppe oder den Aufzug zu benutzen. Genauso können Sie Autofahrten durch das Fahrrad oder einen Spaziergang ersetzen. Parken Sie beispielsweise auf dem hintersten Parkplatz, steigen Sie eine Bushaltestelle früher aus und laufen Sie das letzte Stück bis zum Ziel.
· Stehen statt sitzen:
Langes Sitzen ist gefährlich und ungesund. Falls Sie beruflich viel sitzen, nutzen Sie die Mittagspause für mehr Bewegung und machen Sie einen kleinen Spaziergang – alleine oder mit Kolleginnen und Kollegen. Telefonieren Sie häufiger im Stehen.
· Bewegung im Büro:
Gehen Sie zu Ihren Kollegen zum Arbeitsplatz anstatt zum Telefon zu greifen oder eine E-Mail zu schreiben. Holen Sie sich öfter ein Glas Wasser oder eine Tasse Tee aus der Küche. Werden Sie beim Gang kreativ: Machen Sie Ausfallschritte oder gehen Sie auf Zehenspitzen. Machen Sie kleine Pausen, um sich zwischendurch zu dehnen.
· Gemeinsam Sport treiben:
Verabreden Sie sich mit Gleichgesinnten zu festen Terminen zum Sport. In einer Gruppe fällt es leichter, den Trainingsplan durchzuziehen – und unterhaltsamer ist es auch.