Die Migräne ist eine unberechenbare Erkrankung, die kaum zu heilen ist.
Sie ist eine der großen Volkskrankheiten: Die Migräne. Von den anfallartigen, meist halbseitigen Kopfschmerzen sind rund acht Millionen Deutsche betroffen. Vor allem Frauen leiden unter Migräne, jede Fünfte hat damit zu kämpfen. Die eine Migräne gibt es nicht, das Krankheitsbild hat vielfältige Ausprägungen – von pochend über stechend, mit und ohne Aura, als kurze Episode oder lebenslanges Leiden. Oft wird die Migräne von zusätzlichen Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen, Licht- oder Geräuschempfindlichkeit begleitet. Das macht sie für die Betroffenen zu einem einschneidenden Übel. Forschende sind bemüht, diesem besonderen Schmerz auf die Spur zu kommen.
Wörtlich übersetzt bedeutet Migräne so viel wie „halber Schädel“. Damit beschreibt schon der Name eines der markantesten Merkmale dieses Leidens: Den Schmerz, der sich meist auf eine Seite des Kopfes beschränkt. Die Stärke dieses Schmerzes nimmt bei körperlicher Betätigung zu und tritt in der Regel im Bereich von Stirn, Schläfe und Augen auf. „Linderung bringen meist nur Ruhe und Dunkelheit“, erklärt Dr. med. Christoph Mitschke, Oberarzt in der Klinik für Anästhesiologie an der Uniklinik RWTH Aachen und Leiter der dortigen Schmerzambulanz. Zu den Symptomen, die die Kopfschmerzen begleiten, zählen Appetitlosigkeit (bei über 80 Prozent), Übelkeit (80 Prozent), Erbrechen (bei circa der Hälfte der Betroffenen) sowie Lichtempfindlichkeit (über 60 Prozent), Lärmempfindlichkeit (50 Prozent) und Geruchsempfindlichkeit (bei einem Viertel der Betroffenen). Ein Migräneanfall kann von wenigen Stunden bis zu drei Tagen, selten auch länger, andauern.
Funktionsstörung im Gehirn
Die genauen Ursachen der Migräne werden immer noch erforscht. Klar ist mittlerweile, dass bei der Migräne eine neurobiologisch bedingte Funktionsstörung des Gehirns, der Hirnhaut und der jeweiligen Blutgefäße, besteht. Hierfür gibt es oft eine erbliche Veranlagung. „Während einer Migräneattacke kommt es zu einer vorrübergehenden Fehlfunktion der schmerzregulierenden Systeme im Kopf. Dadurch werden die Betroffenen überempfindlich auf Reize“, so Dr. Mitschke. „Eine Überaktivität der Nervenzellen im Hirnstamm führt dazu, dass der Gesichtsnerv, der Trigeminusnerv, Schmerzsignale an das Gehirn sendet.“ Eine vermehrte Ausschüttung sogenannter Botenstoffe bewirkt daraufhin eine Dehnung der Blutgefäße. Auch werden die Gefäßwände hierdurch für Blutflüssigkeit durchgängiger und bestimmte Blutbestandteile wie entzündliche Eiweißstoffe werden freigesetzt. Es kommt zu einer Aufschwemmung und einer Art Entzündung des Hirngewebes und der Hirnhäute. Diese sogenannte neurogene Entzündung verursacht wiederum Schmerzimpulse, die ausstrahlen und den Migränekopfschmerz erzeugen.
Die Trigger kennen
Sogenannte Trigger, also innere und äußere Faktoren, können die Migräne zusätzlich begünstigen. Dazu zählen zu viel oder zu wenig Schlaf, ein unregelmäßiger Tagesablauf, Hormonveränderungen, aber auch Lebensmittel wie Schokolade, Käse, Zitrusfrüchte und Alkohol (Rotwein!), flackerndes Licht, Lärm oder Gerüche, Wetterveränderungen, starke Emotionen oder Stress. Migränepatienten sollten diese sehr individuellen Trigger kennen und vermeiden.
Für viele Betroffene ist die Migräne ein sehr belastendes Übel, denn die Migräneattacken sind meist völlig unberechenbar. Das „Gewitter im Kopf“, wie es viele Patientinnen und Patienten beschreiben, durchkreuzt den Alltag und setzt die Geplagten sehr plötzlich und rigoros außer Gefecht. Damit spielt die psychische Komponente der Erkrankung eine große Rolle: „Neben den Schmerzen an sich, beklagen die Betroffenen den starken Einschnitt in ihr Leben und den Einfluss auf soziale Kontakte oder das Berufsleben“, weiß Dr. Mitschke. Damit sinke die Lebensqualität von Migränepatienten spürbar.
Verschiedene Therapieformen
Rund ein Drittel der Migränepatienten reagieren nicht oder nur unzureichend auf Schmerzmittel, auch wenn es neben den herkömmlichen Kopfschmerz-Präparaten mittlerweile spezielle Tabletten gegen Migräne gibt, sogenannte Triptane. An dieser Stelle setzt auch die Forschung immer wieder an, um neue Medikamente zu entwickeln – bis jetzt noch nicht mit durchschlagendem Erfolg. Eine große Rolle spielt daher auch die Migräneprophylaxe. „Neben einer medikamentösen Prophylaxe verordnen wir Migränepatienten heute auch Botoxtherapien und Antikörpertherapien mit CGRP-Antikörpern oder CGRP-Rezeptor-Antikörpern“, sagt Dr. Mitschke. Zudem können nichtmedikamentösen Verfahren, wie die Veränderung des Lebensstils, das Vermeiden von Triggern, das Erlernen von Entspannungstechniken oder Ausdauersport, den Patientinnen und Patienten helfen. Leider sind die Aussichten für viele Migränepatienten nicht gut. Das Ziel einer Therapie kann oft nur sein, die Symptome zu lindern. Eine Heilung dieser chronischen Erkrankung ist meist nicht möglich. Erst im Alter verschwindet die Migräne oft von ganz allein.
Kasten: Die Migräneaura – eine spezielle Form der Migräne
Eine Besonderheit bei der Migräne ist die sogenannte Migräneaura. Die Aura geht dem Migräneanfall voraus und verursacht Wahrnehmungsstörungen optischer oder sensorischer Art bis hin zu motorischen Störungen. Die Betroffenen bekommen Probleme mit der räumlichen Wahrnehmung, sehen Doppelbilder oder Blitze, haben Gleichgewichts-, Sprach- und Empfindungsstörungen an Armen, Beinen oder im Gesicht. Rund ein Viertel der Migränepatienten kennen diese Auraphasen, die bis zu einer Stunde andauern können.