Neurochirurgische Eingriffe sind heute dank robotischer Assistenzsysteme, intraoperativer Bildgebung und Echtzeit-Navigation so präzise wie nie zuvor. Was nach Science-Fiction klingt, ist längst Realität und hilft, Operationen sicherer und schonender zu gestalten.
Wer heute einen neurochirurgischen Eingriff vor sich hat, findet sich in einer hochmodernen Umgebung wieder, in der Mensch und Technik nahtlos zusammenwirken. Von einer zentralen Konsole aus lenken Chirurginnen und Chirurgen Roboterarme, die millimetergenau mit filigranen Instrumenten arbeiten, während Hochleistungs-3D-Bildgebungen sie mit intraoperativen Daten und Informationen speisen. Die vom ärztlichen Personal gesteuerten Roboterarme führen die Bewegungen der Operierenden aus, jedoch stabiler, ruhiger und präziser, als es eine menschliche Hand allein könnte. Die natürliche Zittrigkeit der Hände wird herausgefiltert, Bewegungen werden verkleinert und auf den Millimeter genau übertragen.
Vor dem Chirurgen oder der Chirurgin befindet sich ein hochauflösender dreidimensionaler Monitor, auf dem das Operationsfeld in Echtzeit dargestellt wird. Das Bild stammt von einem exoskopischen Mikroskop, das direkt über dem Patienten schwebt. Statt wie bei einem klassischen Mikroskop durch Okulare zu schauen, betrachten Operateure mit einem exoskopischen Mikroskop die bis zu 25-fach vergrößerten Hirnstrukturen auf einem hochauflösenden Bildschirm. Gesteuert wird das Mikroskop mit Kopfbewegungen, sodass die Hände jederzeit am Patienten beziehungsweise der Patientin oder der Konsole bleiben können. Die Darstellung ist so detailreich, dass selbst feinste Hirn- und Nervenstrukturen sowie kleinste Blutgefäße sichtbar werden. So können Tumore entfernt werden, ohne gesundes Gewebe im relevanten Ausmaße zu verletzen.
Neuronavigation
Die hochauflösende Sonographie bietet Chirurgen detaillierte Einblicke in Gewebe und Organe. Zusätzlich kommt ein Navigationssystem zum Einsatz, das mit prä- oder intraoperativem Ultraschall, CT- oder (f)MRT- Bilddaten arbeitet. Beim sogenannten funktionellen MRT werden vorab Gehirnareale wie zum Beispiel Bewegungs-, Sprach- und kognitive Zentren identifiziert.
Das ist aufgrund der stark vernetzten Hirnstruktur mit dem bloßen Auge und ohne Neuronavigation nicht möglich. Diese Daten bieten die Grundlage für ein dreidimensionales Modell des Gehirns, welches in das Navigationssystem eingespeist wird. Während der Operation werden die Daten live mit dem Gehirn der operierten Person abgeglichen. Priv.-Doz. Dr. med. Catharina Conzen-Dilger, Funktionsoberärztin in der Klinik für Neurochirurgie an der Uniklinik RWTH Aachen, weiß: „Durch die Navigation sehen wir genau, wo wir uns befinden, auch in schwer zugänglichen Hirnregionen. Das erhöht die Sicherheit und hilft, wichtige Funktionen wie Sprache oder Bewegung zu erhalten.“ Wenn sich ein Instrument zu nahe an einem sensiblen Areal befindet, ist es möglich dies durch Messung von Hirnfunktion rechtzeitig zu erkennen (intraoperatives neurophysiologisches Monitoring). Bei besonders komplexen Eingriffen in der Nähe der Sprachzentren des Gehirns kann eine Wachoperation durchgeführt werden. Die Patientinnen und Patienten bleiben dabei ansprechbar, damit während der Operation deren Gehirnfunktionen anhand von Sprachübungen direkt getestet und somit geschont werden können.
„Die Technik unterstützt uns, sie ersetzt uns nicht“, betont Dr. Ulf Bertram, ebenfalls Funktionsoberarzt der Klinik für Neurochirurgie, und ergänzt: „Sie hilft uns, mit höchster Präzision zu arbeiten und gleichzeitig die Belastung für die Patientinnen und Patienten zu minimieren.“ Die hochtechnisierte Neurochirurgie zeigt, wie faszinierend und zugleich beruhigend Hightech sein kann. Technologische Innovation, gepaart mit neurochirurgischer Expertise, ermöglicht es, die individuellen Funktionen von Gehirn, Rückenmark und Nerven nicht nur sichtbar zu machen, sondern diese auch während eines Eingriffs gezielt zu schützen und zu erhalten. Von diesem technologischen Fortschritt profitieren im Übrigen nicht nur Patienten, die am Hirn, sondern auch an der Wirbelsäule operiert werden.









