Epilepsiechirurgie an der Uniklinik RWTH Aachen

Fainted girl helped by an old woman – Teenager lying on the ground while receiving support from an elder
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Epilepsie beschreibt eine neurologische Erkrankung, bei der in unterschiedlichen Abständen epileptische Anfälle auftreten. Obwohl die Störung immer zuerst mit Medikamenten therapiert wird, kommt in manchen Fällen ein epilepsiechirurgischer Eingriff in Frage. Welche gängigen Verfahren an der Uniklinik Aachen durchgeführt werden, lesen Sie hier.

Epileptische Anfälle entstehen durch plötzliche, unkontrollierte elektrische Entladungen im Gehirn. Die Symptome der Betroffenen reichen dabei von kurzen Funktionsstörungen über Bewusstseinspausen bis hin zu Stürzen und schweren Verletzungen im Rahmen der Anfälle. Die Leiterin der Sektion Epileptologie an der Uniklinik RWTH Aachen, Univ.-Prof. Dr. med. Yvonne Weber, erläutert, wann eine chirurgische Intervention nötig wird: „Zunächst erfolgt die Behandlung immer mit Medikamenten, sogenannten Antiepileptika, die die Über-Erregbarkeit der betroffenen Nervenzellen im Gehirn verringern. Doch bei rund einem Drittel der Patientinnen und Patienten bleiben die Medikamente trotz verschiedener Kombinationen wirkungslos oder führen zu starken Nebenwirkungen.“ Ihr Kollege Univ.-Prof. Dr. med. Hans Clusmann, Direktor der Klinik für Neurochirurgie an der Uniklinik RWTH Aachen, ergänzt: „In solchen Fällen kommt Epilepsiechirurgie ins Spiel: Durch einen operativen Eingriff am Gehirn versuchen unsere Neurochirurginnen und -chirurgen, die Anfallsursache ganz oder zumindest teilweise zu beseitigen.“

Prächirurgische Diagnostik
Da Epilepsie verschiedene Auslöser haben kann, müssen die behandelnden Ärztinnen und Ärzte zuerst den Ursprung bestimmen. „Unsere Station verfügt über acht Video-EEG-Monitoring-Anlagen, mit denen Hirnströme abgeleitet und aufgezeichnet werden können“, so Prof. Weber. Ist der Auslöser der Epilepsie auf ein bestimmtes Areal im Gehirn zurückzuführen, kann in Betracht gezogen werden, dieses chirurgisch zu entfernen.

Epilepsiechirurgische Eingriffe
Nach der umfassenden Abklärung der Indikation wählt das interdisziplinäre Team die beste Methode für den bevorstehenden Eingriff unter den folgenden aus:

  • Temporale Lobektomie / Läsionektomie: Entfernung eines krankhaften Bereichs im Schläfenlappen (Temporallappen), der besonders häufig der Ursprung epileptischer Anfälle ist.
  • Selektive Amygdalo-Hippokampektomie: Präzise Entfernung zweier tiefer gelegener Strukturen im Temporallappen, der Amygdala (Mandelkern) und des Hippocampus, die oft an der Anfallsauslösung beteiligt sind.
  • Extratemporale Läsionektomie: Entfernung epileptogener Areale außerhalb des Schläfenlappens, zum Beispiel im Stirn- oder Scheitellappen.
  • Funktionelle Hemisphärektomie: Trennung einer gesamten Gehirnhälfte von der anderen auf möglichst schonende, minimalinvasive Art und Weise. Wird meist vorgenommen, wenn eine gesamte Hirnhälfte bereits seit Kindesalter geschädigt ist.
  • Vagusnerv-Stimulation (VNS): Ein kleines Implantat im Halsbereich stimuliert über eine Elektrode den Vagusnerv, der wichtige Verbindungen zwischen Gehirn und Körper vermittelt. Die regelmäßigen Impulse können die Häufigkeit und Schwere der Anfälle verringern, völlige Anfallsfreiheit wird durch VNS aber selten erreicht.
  • Tiefenhirnstimulation (ANT-DBS): Elektroden werden in tief liegende Hirnregionen implantiert, meist in den vorderen Thalamuskern (ANT). Dort regulieren sie durch elektrische Impulse die fehlerhafte neuronale Aktivität.

In spezialisierten Zentren liegen die Erfolgsaussichten hoch: Etwa 60 bis 80 Prozent der Operierten erleben eine deutliche Besserung oder werden sogar anfallsfrei. Ohne die Gefahr eines Anfalls beginnt für viele ein ganz neuer Abschnitt: Kein Risiko mehr beim Schwimmen, Klettern oder Bedienen von Maschinen. „Diese Aussicht auf neugewonnene Lebensqualität veranlasst viele Epilepsie-Patienten dazu, sich für eine epilepsiechirurgische Intervention zu entscheiden“, so Prof. Clusmann abschließend.

Epilepsiebehandlung von Kindern
Mehr als ein Drittel aller Epilepsien beginnt bereits im Kindesalter. In der Uniklinik RWTH Aachen gibt es daher zusätzlich zu den acht Monitoring-Anlagen für Erwachsene noch zwei für Kinder und Jugendliche. Auch die oben vorgestellten epilepsiechirurgischen Verfahren können mit besonders guten Erfolgsaussichten bei Kindern Anwendung finden. Die Sektion Neuropädiatrie und Sozialpädiatrie arbeitet dafür regelmäßig eng mit der Sektion Epileptologie und der Klinik für Neurochirurgie zusammen. Der Leiter der Neuropädiatrie, Univ.-Prof. Dr. med. Martin Häusler, stellt klar: „Je früher die Eingriffe vorgenommen werden, desto höher ist die Erfolgswahrscheinlichkeit.“

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