Wenn der Lebenswille schwindet

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In Deutschland versterben jährlich schätzungsweise 9.000 Menschen durch Suizid. Die Dunkelziffer dürfte weitaus höher sein. Laut der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention gehört Suizid in der Altersgruppe von 15 bis 25-Jährigen weltweit betrachtet zu der zweithäufigsten Todesursache. Im steigenden Alter nimmt das Risiko insbesondere bei Männern zu. apropos erklärt, welche Präventionsmaßnahmen es gibt und was man beim Umgang mit akut betroffenen Personen beachten sollte.  

Suizidale Menschen leiden an einer großen seelischen Not. „Bei einem Großteil der Menschen, die durch Suizid versterben, liegt eine psychiatrische Erkrankung zugrunde. Suizidgedanken zählen zu häufigen Symptomen einer Depression und treten auch bei anderen psychischen Erkrankungen, Schizophrenie, bipolaren Störungen, dem Borderline-Syndrom und Suchterkrankungen auf“, erklärt der Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der Uniklinik RWTH Aachen, Univ.-Prof. Dr. med. Thomas Frodl. Dennoch erklärt eine psychische Erkrankung nicht allein, warum sich ein Mensch dazu entschließt, sich das Leben zu nehmen. Neben psychischen Erkrankungen können weitere Faktoren, darunter belastende Lebensereignisse, wie ein persönlicher Verlust, eine Trennung oder Arbeitslosigkeit hinzukommen. Auch die Diagnose einer schweren Erkrankung, Suizide in der Familiengeschichte oder mangelnde soziale Kontakte stellen mögliche Auslöser dar. In der Regel ist ein Suizid nicht nur auf eine Ursache zurückzuführen. Nicht selten kommen vielschichtige Faktoren zusammen, wenn ein Mensch Suizid begeht. Oft fällt es Betroffenen schwer – unabhängig davon ob eine ärztliche Behandlung besteht oder nicht – mit anderen Menschen über suizidale Gedanken zu sprechen. Für Betroffene sind damit Ängste verbunden, zum Beispiel der Verlust sozialer Kontakte oder die Befürchtung nicht verstanden oder ernst genommen zu werden.

Erste Warnsignale

Es gibt einige Warnsignale, die dabei helfen können, auf einen Menschen, dem es psychisch schlecht geht und der möglicherweise Suizidgedanken hat, aufmerksam zu werden. Direkte oder indirekte Äußerungen und ein Nachdenken über den Tod sollten Angehörige oder nahestehende Personen immer ernst nehmen. Äußerungen wie „Alles hat keinen Sinn mehr“ und „Irgendwann muss auch mal Schluss sein“ sollten Anlass für ein Gespräch bieten. Auch plötzliche Verhaltensänderungen sollten nicht unterschätzt werden: „Suizidale Menschen können plötzlich wichtige Gewohnheiten ändern oder alltägliche Dinge wie die Ernährung oder die Körperpflege vernachlässigen. Auch ein bewusst risikoreiches Verhalten kann auf eine Gefährdung hinweisen“, weiß Prof. Frodl. Das Verschenken von Eigentum, Verabschiedungen oder das Ordnen eigener Angelegenheiten können Rückschlüsse auf eine ernstzunehmende Gefährdung zulassen.

Prävention ist möglich

Da rund 90 Prozent der Menschen, die an Suizid versterben, an einer psychischen Störung leiden, liegt die erfolgreichste Präventionsmöglichkeit in der Behandlung der psychischen Krankheit, zum Beispiel durch eine psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung. Weitere Mittel der Suizidprävention sind niedrigeschwellige Behandlungs- und Beratungsangebote wie die Telefonseelsorge, die Früherkennungsförderung von suizidalen Handlungen sowie die spezielle Schulung von medizinischem und psychosozialem Personal. Suizidalität ist komplex – insofern ist auch die Prävention eine vielschichtige, gesellschaftliche Aufgabe. Ein Beispiel einer solchen Präventionsmaßnahme ist das Nationale Suizidpräventionsprogramm für Deutschland (NaSPro), ein Projekt der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention. Das bundesweite Netzwerk hat die Förderung und Weiterentwicklung der Suizidprävention zum Ziel. Die Projektarbeit konzentriert sich auf verschiedene Fragestellungen, zum Beispiel die Suizidprävention in den Medien und der Öffentlichkeitsarbeit. Eine der Teilprojektgruppen setzt sich mit der medialen Darstellung von Suiziden auseinander und erarbeitet Guidelines für den Umgang mit Suizidalität.

Zu den am meisten durchgeführten und am intensivsten wissenschaftlich untersuchten Präventionsmaßnahmen gehört das 4-Ebenen-Interventionsprogramm der Stiftung Deutsche Depressionshilfe. Was als vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geführtes Modellprojekt „Nürnberger Bündnis gegen Depression“ begann, ist heute ein wichtiger Ansatz bei der Verbesserung der Versorgung depressiver Menschen und der Prävention von Suizidalität. Der Ansatz legt vier Ebenen zugrunde, die in einer Stadt oder Gemeinde gleichzeitig eingesetzt werden:  

  • Kooperation mit Hausarztpraxen, zum Beispiel in Form von Schulungen
  • Öffentlichkeitsarbeit durch öffentliche Veranstaltungen oder Plakate
  • Weiterbildung von Multiplikatoren (Lehrpersonal, Journalistinnen und Journalisten, Altenpflegekräfte, Polizistinnen und Polizisten)
  • Unterstützung Betroffener und Angehöriger

Das Interventionsprogramm sieht die Unterstützung für Betroffene und Angehörige durch Informationsmaterialien, Angebote zur Selbsthilfe und das digitale Programm „iFightDepression“ vor. iFightDepression ist ein vom Fachpersonal begleitetes Selbstmanagement-Programm, das für Betroffene mit leichteren Depressionsformen vorgesehen ist und Hilfestellungen beim Umgang mit der Erkrankung und im Alltag bietet. Das Präventionsprogramm hat Erfolg: Wissenschaftliche Studien zeigen auf, dass suizidale Handlungen in Interventionsregionen im Betrachtungszeitraum um rund 24 Prozent abnahmen. Im Herbst 2020 hat die EU-Kommission den Ansatz als beste Initiative im Bereich psychische Gesundheit ausgezeichnet und die weitere europäische Verbreitung mit einer Fördersumme von bis zu zwei Millionen Euro bezuschusst.

Umgang mit suizidalen Menschen

Das Gespräch suchen: Sprechen Sie das Thema in ruhiger und sachlicher Weise an. Für die betroffene Person ist die Möglichkeit, über die Gedanken und Probleme sprechen zu können, eine Entlastung.

Professionelle Hilfe hinzuziehen: Das ist zum Beispiel durch niedrigschwellige Telefon- oder Onlineangebote möglich oder über einen persönlichen Kontakt zu einem niedergelassenen Arzt, einer psychotherapeutischen Praxis oder einer Klinik.

Verantwortung übernehmen: Eine akut betroffene Person kann unterstützt werden, in dem man zeigt, dass man für sie da ist, zum Beispiel indem man sie zum Psychotherapeuten oder in die Klinik begleitet.

Handelt es sich um eine akut von einer suizidalen Handlung betroffenen Person, die über ein Gespräch nicht mehr zu erreichen ist, sollte zum Schutz in jedem Fall der Notarzt verständigt werden.

Im Falle einer akuten Krise sind mögliche Ansprechpartner der behandelnde Arzt/ Psychotherapeut, die nächste psychiatrische Klinik oder den Notarzt unter 112.

Regionale Ansprechpartner

Verein Psychiatrie Patinnen und Paten e. V.

Tel.: +49 241 5150015

TelefonSeelsorge Aachen Eifel

Tel.: 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222

info@telefonseelsorge-aachen.de

Überregionale Ansprechpartner

Telefonseelsorge (kostenfrei und rund um die Uhr)

Tel.: 0800-111 0 111 oder 0800-111 0 222

Stiftung Deutsche Depressionshilfe

Info-Telefon Depression

Tel.: 0800 / 33 44 533

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