Krebsschmerz, lass nach!

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Rund eine halbe Million Menschen erhalten in Deutschland jedes Jahr die Diagnose Krebs. Die Erkrankung wird oft begleitet von sogenannten Tumorschmerzen, welche in den unterschiedlichsten Krebsstadien auftreten können. Nach Rücken-, Kopf- und Nervenschmerzen ist der Tumorschmerz einer der häufigsten Ursachen von chronischen Schmerzen. Ob man im Rahmen einer Krebserkrankung immer mit Schmerzen rechnen muss und wodurch diese entstehen, klärt apropos.

Krebstumoren können schnell wachsen, breiten sich aus und zerstören benachbartes gesundes Gewebe. Der dadurch entstehende mechanische Druck löst einen Schmerzreiz aus, der in der Umgebung schmerzhafte Entzündungen oder andere Begleitbeschwerden verursachen kann. In vielen Fällen sind Tumorschmerzen deshalb das Erstsymptom einer Krebserkrankung. Darüber hinaus können sie in jedem Stadium einer Krebserkrankung auftreten und sind somit kein eindeutiges Zeichen für ein Krebsendstadium. Je nach Tumorart ist die Intensität der Schmerzen unterschiedlich. Tumoren mit starker Metastasierung in das Skelettsystem verursachen bei mehr Krebsbetroffenen Schmerzen als beispielsweise Lymphome oder Leukämie. Ferner gibt es Tumoren, bei denen aufgrund ihrer Lage und Metastasierung Schmerzen früher und häufiger auftreten als bei anderen. Dazu zählen zum Beispiel Krebserkrankungen der Bauchspeicheldrüse, der Brust, der Leber oder der Lunge. Tumorschmerzen werden vor dem Hintergrund ihrer Entstehung in vier Kategorien unterteilt: tumorbedingter, tumorassoziierter, tumortherapiebedingter und tumorunabhängiger Schmerz.
Tumorbedingter Schmerz macht den Hauptanteil behandlungsbedürftiger Krebsschmerzen aus. Er wird direkt vom Tumor selbst oder seinen Metastasen verursacht. Dies ist beispielsweise bei Knochenschmerzen der Fall, wenn die Gewebewucherung die schmerzempfindliche Knochenhaut reizt oder zu Knochenbrüchen führt.
Wenn Schmerzen zwar mit einer Krebserkrankung in Zusammenhang stehen, der Tumor oder die Metastasen aber nur indirekt ursächlich dafür sind, spricht man von tumorassoziierten Schmerzen. Beispielhaft dafür ist die erhöhte Gefahr schmerzhafter Entzündungen oder Erkrankungen durch ein geschwächtes Immunsystem.
Zu den tumortherapiebedingten Schmerzen zählen neben den Beschwerden nach einer Operation vor allem die durch eine medikamentöse Therapie ausgelösten Leiden. Dabei kann es unter anderem zu Schleimhaut- oder Hautreaktionen oder Nervenschmerzen kommen. Tumorunabhängige Schmerzen sind, wie der Name schon sagt, unabhängig vom Krebstumor zu betrachten. Darunter fallen zum Beispiel Krebsbetroffene, die an Migräne, Rheuma oder chronischen Rückenschmerzen leiden.
„Übrigens wird der Krebsschmerz nicht immer dort empfunden, wo sich der Tumor bildet. Die genaue Diagnose und Ausgestaltung des Schmerzes ist für die individuell angepasste Behandlung sehr wichtig. Akute Schmerzen treten beispielsweise im Anschluss an eine Operation auf, chronische bleiben über einen längeren Zeitraum bestehen und treten immer wieder auf“, erläutert Priv.-Doz. Dr. med. Martina Crysandt, Oberärztin in der Klinik für Hämatologie, Onkologie, Hämostaseologie und Stammzelltransplantation (Med. Klinik IV) an der Uniklinik RWTH Aachen sowie ärztliche Leiterin der Studienzentrale.

Vielfältige Krebsschmerzen
Die Diagnose Krebs wird oft von Trauer, Wut, Hilflosigkeit und Angst begleitet. Zudem befürchten viele Betroffene früher oder später quälende Tumorschmerzen. „Eine Krebserkrankung ist keinesfalls immer mit unerträglichen Schmerzen verbunden, selbst wenn die Krankheit bereits fortgeschritten ist. Man muss wissen, dass es nicht die Krebszelle selbst ist, die weht tut, sondern die Schädigungen ihrer Umgebung“, erklärt Priv.-Doz. Dr. Crysandt. „Der klassische Tumorschmerz entsteht, wenn die Gewebewucherung auf angrenzende Organe, Nerven oder Blutgefäße drückt. Es gibt allerdings auch noch andere Gründe für Krebsschmerzen. So können Schmerzen durch die Ausbildung von Tochtergeschwülsten, sogenannten Metastasen, oder durch Begleiterkrankungen entstehen. Doch auch eine erfolgreiche Krebsbehandlung kann mit Schmerzen einhergehen. Unerwünschte Nebenwirkungen wie zum Beispiel entzündete Schleimhäute nach einer Chemo- oder schmerzende Hautreizungen durch eine Strahlentherapie können dazugehören“, so die Fachärztin.

Die medikamentöse Tumorschmerztherapie
Mit der Diagnose Krebs verändert sich für viele Erkrankte das gesamte Leben. Gefühle und Empfindungen gewinnen an Bedeutung, unbekannte Schmerzen werden aus Angst einer genaueren Betrachtung unterzogen. „Es ist ein Wechselspiel zwischen Angst und Schmerz. Die Angst macht den Menschen empfindsamer für den Schmerz, der Schmerz wiederum schürt die Angst vor dem Feind im eigenen Körper. Die gute Nachricht lautet aber, dass niemand wegen einer Krebserkrankung unerträglich leiden muss“, so die Medizinerin. Die Medikamente, die bei einer medikamentösen Tumorschmerztherapie zum Einsatz kommen, werden je nach Stärke des Schmerzes ausgewählt. „Wie bei allen Schmerzerkrankungen gilt zunächst das sogenannte Stufenschema der Weltgesundheitsorganisation. Dieses ist eine Empfehlung zur Behandlung von Schmerzen und Standard in der Schmerztherapie. Demnach sollen anfangs immer nicht-Opioid-haltige Schmerzmittel wie Paracetamol oder Ibuprofen verordnet werden. Bei nicht ausreichender Wirkung kann man dann zu mittelstarken und später zu starken Opioiden wie Morphium übergehen. Bei ausgeprägten Tumorschmerzen ist das aber nicht in Stein gemeißelt. Die Stärke der Schmerzen bestimmt daher den richtigen Wirkstoff. Wenn also schon zu Beginn absehbar ist, dass schwache Wirkstoffe nicht helfen, kann man die Schmerztherapie auch gleich mit niedrig dosierten starken Opioiden beginnen“, führt die Oberärztin aus. In der Darreichungsform kann man je nach Patientenpräferenz und Voraussetzung zum Beispiel zwischen Tabletten, Tropfen, Injektionen oder Pflastern wählen. Erklärtes Ziel einer Tumorschmerzbehandlung ist es, die Patienten möglichst von ihren Schmerzen zu befreien oder sie zumindest weitestgehend zu lindern. Wichtig ist deshalb, den Schmerz nicht erst dann zu behandeln, wenn gar nichts mehr geht. „Wenn Tumorschmerzen auftreten, können diese mit den heutigen modernen Behandlungsmethoden und Möglichkeiten der Schmerztherapie in den meisten Fällen zufriedenstellend gelindert werden“, fasst Priv.-Doz. Dr. Crysandt zusammen.

  • Tumorbedingte Schmerzen werden direkt vom Tumor oder seinen Metastasen verursacht.
  • Tumorassoziierte Schmerzen gehen auf eine Krebserkrankung zurück, werden allerdings nicht direkt vom Tumor verursacht.
  • Tumortherapiebedingte Schmerzen: Zu diesen Schmerzen zählen Operations- oder Wundschmerzen sowie Schmerzen, die durch eine medikamentöse Therapie ausgelöst werden. 
  • Tumorunabhängige Schmerzen treten ohne Zusammenhang mit der Krebserkrankung auf. Es kann sich dabei um Beschwerden handeln, unter denen die betroffene Person schon vorher gelitten hat (Rheuma, Migräne etc.).

Bei der Dokumentation von Schmerzen können Schmerztagebücher eine hilfreiche Unterstützung sein. Notieren Sie, wo und wann die Schmerzen auftreten, wie stark sie sind oder ob sie sich beim Essen, Trinken oder Bewegung verstärken. Die gesammelten Informationen helfen bei der weiteren Planung der Behandlung im Austausch mit der Ärztin oder dem Arzt.

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