Wir nutzen, so heißt es bisweilen, nur zehn Prozent unseres Gehirns. Der Gedanke wirkt da geradezu verführerisch: Im Film „Ohne Limit“ begegnet der arbeitslose Hänger Eddie Morras eines Tages einem alten Freund, der ihm eine neue Designerdroge namens NZT anbietet. Und das Mittel wirkt tatsächlich Wunder: Innerhalb kürzester Zeit ist Eddie in der Lage, sämtliche Kapazitäten seines Gehirns zu nutzen. Es läuft auf Hochtouren, seinen bis dahin glücklosen Roman bringt er in nur wenigen Stunden zu Ende, er spekuliert gewinnbringend an der Börse und auch privat steht sein Leben von nun an unter einem guten Stern.
Aber ginge das wirklich? Lassen sich die angeblich restlichen 90 Prozent wirklich per Medikament freisetzen? Gibt es Dinge wie Brainfood, das schlau macht, oder hilft Hirnjogging gegen Demenz? Ist Gähnen ansteckend, weil wir Spiegelneuronen haben? Und überhaupt: Machen Glückshormone wirklich glücklich?
Zahlreiche Medizinmythen ranken sich um das „letzte große Geheimnis“ der Wissenschaft, unser Gehirn. Es sei die perfekte Rechenmaschine, trainierbar wie ein Muskel, links die Logik, rechts die Kunst – und überhaupt funktioniere es bei Männern und Frauen dann doch ganz unterschiedlich. Gleichzeitig wird dieses vermeintliche Fachwissen viel zitiert und genutzt. Hirnforscher sind gefragt und haben heute zu allem etwas zu sagen – von der frühkindlichen Erziehung über die Ethik bis zur Ernährung und Weltpolitik –, und zwar nicht selten Unsinn. Viel, was wir über das menschliche Gehirn zu wissen glauben, stimmt nämlich nicht, sagt zumindest Henning Beck.
Der Neurowissenschaftler, Biochemiker und Science Slammer erklärt in seinem kurzweiligen Werk Hirnrissig: Die 20,5 größten Neuromythen – und wie unser Gehirn wirklich tickt komplexe Neurowissenschaft verständlich und fachlich korrekt. Beck rechnet damit zugleich unterhaltsam mit den populärsten Legenden über das Gehirn ab. Obgleich er all dieses Halbwissen kapitelweise gekonnt auseinandernimmt, wobei jedes Kapitel sich eng einem „Mythos“ widmet, bietet das Buch trotzdem als Ganzes einen fröhlich formulierten Überblick über den Stand der Hirnforschung. Schließlich zeigt sich: Unser Gehirn ist ein Gegenstand, der nicht nur unbegrenzt lernfähig ist, sondern über den wir auch unbegrenzt Neues lernen können.