Als Sarah Kreutz und Christian Jentsch mit ihrem sechs Monate alten Sohn Theo am Neujahrstag ins Krankenhaus fahren, ahnen sie noch nicht, dass ihr Leben in den kommenden Monaten eine 180-Grad-Wendung nehmen wird. Schnell wird den behandelnden Ärztinnen und Ärzten klar, dass es sich bei Theos Beschwerden nicht um eine unkomplizierte Infektion handelt, sondern um ein schweres Herzversagen. Den Expertinnen und Experten aus den Kliniken für Kinderherzchirurgie (Univ.-Prof. Dr. med. Andre Rüffer) und Kinderkardiologie (Univ.-Prof. Dr. med. Ulrike Herberg) gelingt es, Theo in enger, interdisziplinärer Zusammenarbeit ein Kunstherz zu implantieren und damit sein Leben zu retten.
Vielleicht ein grippaler Infekt oder eine Lungenentzündung, das waren die Gedanken von Theos
Eltern, als sie mit ihm am 1. Januar 2024 zuerst zu einer Notfallpraxis in ihrem Heimatort Bergheim und von dort aus ins Dürener Krankenhaus fahren. Dann geht alles plötzlich ganz schnell: Die Röntgenaufnahmen zeigen ein übermäßig vergrößertes Herz, Theo wird umgehend mit dem Rettungswagen in die Uniklinik RWTH Aachen gebracht. Die Ärztinnen und Ärzte erkennen rasch, dass der Kleine in Lebensgefahr schwebt. Sein Herz funktioniert nicht mehr richtig, die Pumpleistung reicht nicht aus, um seinen Körper zu versorgen. Theos Zustand verschlechtert sich zunehmend, es droht ein Multiorganversagen. Um ihn zu retten, entscheidet sich das Team der Klinik für Kinderherzchirurgie und Chirurgie angeborener Herzfehler um Direktor Univ.-Prof. Dr. med. Andre Rüffer mit dem Team der Klinik für Kinderkardiologie und Angeborener Herzfehler (Direktorin: Univ.-Prof. Dr. med. Ulrike Herberg) für die Implantation des „Berlin Heart Excor“.
KUNSTHERZ ERMÖGLICHT THEOS ÜBERLEBEN
Theo wird am frühen Morgen des 2. Januar 2024 operiert, der Eingriff dauert rund drei Stunden und verläuft komplikationslos. Sein krankes Herz wird von nun an mit einem elektropneumatischen Antriebssystem und einer Blutpumpe unterstützt. Durch Kanülen ist das System, das sich außerhalb seines Körpers befindet, mit seinem Herzen verbunden. Das „Berlin Heart Excor“ ist das einzig weltweit zugelassene Kunstherz für Säuglinge und Kinder.
Schon während seinen Stationen in den Universitätskliniken Erlangen und Hamburg-Eppendorf hat sich Prof. Rüffer intensiv mit mechanischen Unterstützungssystemen beschäftigt und viele Erfahrungen in diesem Bereich gesammelt: „Mit der Berufung an die Uniklinik RWTH Aachen war für mich klar der Wunsch verbunden, eine Kunstherzunterstützung für Kinder mit ausgeprägter Herzschwäche hier in der Region zu etablieren“, erklärt er. Mit Theos Operation hat er dafür den ersten Meilenstein gesetzt.
EIN TAG, DER ALLES VERÄNDERT
Nach dem Eingriff verbessert sich Theos Zustand, er stabilisiert sich. Seine Eltern sind am Tag der Operation im Ronald-McDonald-Haus, unweit der Uniklinik, eingezogen, um so viel Zeit wie möglich mit ihm zu verbringen. Das Leben der Familie hat sich schlagartig verändert, die Zukunft ist ungewiss: Mit dem Berlin Heart ist eine Entlassung nicht möglich. Niemand weiß, wie lange Theo in der Uniklinik RWTH Aachen bleiben wird. Sarah Kreutz und Christian Jentsch müssen nicht nur den Schicksalsschlag verarbeiten, sondern sind plötzlich auch mit ganz existenziellen Fragen konfrontiert. Beide Elternteile können ihre Berufe auf unbestimmte Zeit nicht mehr ausüben. Ob und wann ein Elternteil wieder arbeiten gehen kann, ist nicht klar. Gleichzeitig müssen sie versuchen, den Alltag von Theos großem Bruder Paul in seiner gewohnten Umgebung aufrechtzuerhalten. Um sie zu unterstützen, haben Freunde der Familie eine Spendenaktion ins Leben gerufen. Über 100.000 Euro sind in den vergangenen Monaten zusammengekommen.
KLINIK KÄMPFT FÜR THEOS HERZ
Bis Anfang Februar hat sich Theos Zustand so weit stabilisiert, dass er von der Kinderintensivstation auf die Normalstation der Klinik für Kinderkardiologie und Angeborene Herzfehler verlegt und seitdem von dem Team von Klinikdirektorin Prof. Herberg engmaschig betreut wird. Klar ist: Das „Berlin Heart Excor“ ist keine Dauerlösung. „Das Kunstherz ist vielmehr eine Art Überbrückung. Ziel des Systems ist es, das eigene Herz zu trainieren“, erklärt Prof. Herberg. „Es besteht eine gewisse Chance, dass sich Theos Herz erholt und es irgendwann wieder alleine arbeiten kann. Andernfalls benötigt Theo eine Herztransplantation.“
Um die Chance zu erhöhen, dass Theo sein Herz behalten kann, operiert ihn das Team der Klinik für Kinderherzchirurgie und Chirurgie angeborener Herzfehler am 12. März 2024 erneut. Die Chirurgen setzen dabei ein Band an die Pulmonalarterie: Sein rechtes Herz soll etwas mehr pumpen, damit die Zwischenwand der beiden Herzkammern stabiler ist. Dadurch hat das linke Herz mehr Widerstand und kann besser arbeiten. In ein paar Wochen wird die eigene Leistung des Herzens durch das Herunterfahren des Kunstherzsystems getestet. Dann entscheidet sich, ob eine Chance auf Heilung besteht oder Theo ein Spenderherz braucht.
Mehr über Theos Geschichte und die Implantation des „Berlin Heart Excor“ erfahren Sie in unserem Videoclip.