Immer mehr Menschen in Deutschland leben mit der Diagnose Diabetes. Auch die Anzahl der betroffenen Kinder und Jugendlichen wächst stetig: Mehr als 30.000 Kinder und Jugendliche im Alter von null bis 17 Jahren waren im Jahr 2020 in Deutschland von Typ-1-Diabetes betroffen. Zudem gibt es immer mehr Kinder, die am sogenannten „Altersdiabetes“ (Typ-2-Diabetes) erkranken. Damit ist Diabetes mellitus eine der häufigsten chronischen Erkrankungen im Kindesalter.
Diabetes mellitus, umgangssprachlich auch Zuckerkrankheit genannt, ist eine chronische Stoffwechselerkrankung, die durch einen erhöhten Blutzuckerspiegel gekennzeichnet ist. Die beiden häufigsten Arten werden als Typ 1 und Typ 2 bezeichnet. Der Diabetes-Typ-1 ist die mit Abstand häufigste Form bei Kindern und wurde früher als juveniler Diabetes bezeichnet. Meistens wird diese Erkrankung bei Kindern unter 14 Jahren festgestellt, wobei Jungen häufiger betroffen sind als Mädchen.
URSACHE UND SYMPTOME
Bei der Autoimmunerkrankung Diabetes-Typ-1 attackiert aus bislang nicht völlig geklärter Ursache das Immunsystem die körpereigene Insulinproduktion in der Bauchspeicheldrüse und zerstört die insulinproduzierenden Beta-Zellen. Dies führt zu einem absoluten Insulinmangel. Das lebenswichtige Hormon Insulin wird für die Aufnahme von Glukose benötigt und ist somit maßgeblich an der Senkung des Blutzuckerspiegels beteiligt. Bei einem Mangel an Insulin kann der Körper diese Funktion nicht mehr vollständig erfüllen, was zu einem hohen Blutzuckerspiegel führt.
Diabetes-Typ-2 ist durch eine sogenannte Insulinresistenz gekennzeichnet: Die Körperzellen reagieren weniger empfindlich auf das Insulin. Sie benötigen immer mehr Insulin, um die gleiche Menge an Glukose aufzunehmen. Als Hauptursachen für Diabetes-Typ-2 gelten neben einer genetischen (erblichen) Veranlagung vor allem Übergewicht und zu wenig körperliche Bewegung. Die Zahl der Menschen mit Typ-2-Diabetes hat in den vergangenen Jahren stetig zugenommen, leider auch im Kindes- und Jugendalter. Die meisten Kinder nehmen heutzutage zu viel Zucker zu sich und verbringen zu viel Zeit im Sitzen.
Die ersten Anzeichen von Diabetes mellitus sind meist unspezifisch, aber in ihrer Kombination dann prägnant: Betroffene Kinder und Jugendliche verspüren enormen Durst und müssen häufig wasserlassen. Viele leiden zusätzlich unter Gewichtsverlust, andauernder Müdigkeit sowie Antriebsschwäche, manche unter Übelkeit und Erbrechen. Bei Verdacht auf diese Erkrankung sollte schnellstmöglich ärztliche Hilfe aufgesucht werden, denn unbehandelt kann eine betroffene Person in ein sogenanntes diabetisches Koma fallen.
DIAGNOSE UND PROGNOSE
Unentbehrlich für die Diagnose ist die Messung des Blutzuckerwerts und Untersuchung des Urins. „Der Blutzuckerwert verändert sich im Tagesverlauf: Er steigt nach der Nahrungsaufnahme an und fällt danach wieder ab. Um eine Diagnose zu stellen, wird in der Akutsituation Blut- und Urintest die Klärung bringen. In unklaren Fällen wird zunächst zu verschiedenen Zeitpunkten und unter unterschiedlichen Voraussetzungen Blut abgenommen. Dieses wird anschließend auf den aktuellen Blutzuckerwert, den Nüchtern-Blutzuckerwert und den Langzeitblutzucker untersucht“, erklärt Dr. med. Angeliki Pappa, Oberärztin in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin an der Uniklinik RWTH Aachen.
Typ-1-Diabetes ist bis heute nicht heilbar. Die Patientinnen und Patienten sind deshalb lebenslang auf das Spritzen von Insulin angewiesen. Die moderne Medizin mit ihren fortschrittlichen Therapien ermöglicht Diabetespatienten heute jedoch einen fast normalen Alltag mit besonderen Regeln. Neben der Insulinspritze gibt es mittlerweile auch die Insulinpumpe, die besonders bei Kindern dazu geeignet ist, den Alltag zu erleichtern: Das Insulin wird dem Körper durch einen dünnen Schlauch in regelmäßigen Zeitabständen zugeführt, damit ist die Insulinversorgung kontinuierlich gesichert, zu den Mahlzeiten gibt der Anwender dann gezielt noch eine auf die Kohlehydratmenge berechnete Insulindosis dazu. Die kontinuierliche Glukosemessung (CGMS) über einen Sensor, der in fortgeschrittenem System mit der Pumpe kommuniziert, unterstützt diese Vorgänge.
VERANTWORTUNG DER ELTERN
Dr. Pappa betont: „Als Elternteil wird man sich die Zeit nehmen, die Erkrankung des Kindes zu verstehen und lernen, mit ihr umzugehen. Durch die Teilnahme an speziellen Schulungen werden die Eltern und auch andere Betreuer viele Handhabungen lernen, wie zum Beispiel Blutzucker messen und Insulin abgeben und auch mit Notfallsituationen umzugehen.“ Insgesamt ist es bedeutend, dass die Familie zusammenhält, weiß Dr. Pappa: „Wenn sich die gesamte Familie mit dieser Krankheit vertraut macht und gut vorbereitet ist und sich immer wieder – je nach Entwicklungsphase der Kinder und Jugendlichen – aufeinander einlässt, ist ein fast normales Leben trotz Erkrankung möglich.“ Wichtig für die Behandlung sei zudem, dass die Eltern auf den psychologischen Zustand des Kindes achten, da psychische Probleme, wie Depressionen, Angst- oder Essstörungen häufiger als bei Menschen ohne chronische Krankheit auftreten. Diese Probleme können zusätzlich dazu führen, dass sich die jungen Patientinnen und Patienten nicht mehr an die Ernährungs- und Medikamentenpläne halten und die Kontrolle des Blutzuckerspiegels verlorengeht. Schulungsprogramme wie in unserem digitalen KARLOTTA- (Kids and adolescents research learning on tablet teaching Aachen) Projekt können die Betroffenen in der Entwicklung von Selbständigkeit, Selbstwirksamkeit und im Übergang zur Erwachsenenmedizin (Transition) unterstützen. Hier helfen auch Kooperationen wie z.B. von unserer Hochschulambulanz und dem Bunten Kreis in der Region Aachen e.V. in der Begleitung der Familien.
Bei Diabetes-Typ-2 ist eine ausgewogene, gesunde und bilanzierte Ernährung ein wichtiger Teil der Behandlung, um den Blutzucker im Normalbereich zu halten: Brot, Nudeln, Reis und Mehl sind kein Tabu, sollten aber idealerweise in der Vollkornvariante verzehrt werden, auf Ballaststoffe und niedrigen glykämischen Index ist zu achten. Neben der Ernährung muss die körperliche Aktivität gesteigert werden, um Übergewicht oder Adipositas zu bekämpfen.
Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2024, S. 138
Diabetes ist bundesweit die häufigste Stoffwechselerkrankung im Kindes- und Jugendalter. Nach aktuellen Schätzungen leben in Deutschland rund 18.500 Kinder und Jugendliche im Alter von 0 bis 14 Jahren mit Typ-1-Diabetes. In der Altersklasse von 0 bis 20 Jahren sind es sogar mehr als 37.000 Betroffene. Die Zahlen haben sich somit in den letzten 20 Jahren verdoppelt. Besonders besorgniserregend ist die überproportionale Zunahme der Erkrankung bei Kindern ohne klare Hinweise auf eine Kausalität. Eine Analyse weltweiter Studien ergab, dass die Inzidenz des Typ-1-Diabetes bei Kindern im ersten Jahr der Corona-Pandemie um 14 Prozent gestiegen ist, im zweiten Pandemiejahr sogar um 27 Prozent gegenüber 2019. Und auch beim Typ-2-Diabetes ist eine deutschlandweite Zunahme der Krankheitsfälle unter Kindern und Jugendlichen während der Pandemie zu verzeichnen.
Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2024:
32.000 Kinder und Jugendliche sowie 340.000 Erwachsene haben einen Typ-1-Diabetes.