Eine „Brücke“ für das kranke Herz

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In Deutschland und Europa herrscht Organmangel: Am Ende des Jahres 2024 warteten in Deutschland über 600 Personen mit schwerem Herzversagen laut Stiftung Eurotransplant auf ein notwendiges Spenderherz. Dagegen gab es landesweit nur etwa 350 Herztransplantationen. Etwa die Hälfte der gelisteten Personen ging leer aus und wartet weiter auf ein lebensrettendes Organ. Je länger die Wartezeit, desto kritischer kann sich der Zustand der herzkranken Menschen verschlechtern. Die Medizin setzt zur Überbrückung dieser Zeit häufig auf Herzunterstützungssysteme, sogenannte Kunstherzen.

Für viele Betroffene stellt ein Spenderherz die letzte lebensrettende Option dar. Im Gegensatz zu Organen wie der Niere oder einem Teil der Leber, die auch von lebenden Spenderinnen und Spendern entnommen werden können, ist das beim Herzen und der Lunge nicht möglich. Die Organe dürfen erst nach dem eindeutigen Hirntod entnommen werden. Dadurch reduziert sich die Anzahl potenzieller Spenderorgane für Menschen mit schweren Herz- oder Lungenerkrankungen. Hinzu kommt die allgemein rückläufige Bereitschaft zur Organspende, welche die Suche nach einem passenden Spenderherz zusätzlich erschwert. Doch wer erhält überhaupt ein Spenderherz?

Transplantation nur als letzte Möglichkeit
Eine Herztransplantation wird nur dann in Erwägung gezogen, wenn alle anderen medikamentösen und interventionellen Therapien ausgeschöpft sind. Hauptursache ist meist ein fortgeschrittenes Herzversagen infolge einer Herzmuskelschwäche. Seltener sind angeborene Herzfehler oder Entzündungen des Herzmuskels der Auslöser.

Die Vergabe der Organe erfolgt durch die Stiftung Eurotransplant mit Sitz in den Niederlanden. Beteiligt sind neben Deutschland auch Belgien, Luxemburg, Österreich, Ungarn, Slowenien, Kroatien und die Niederlande. Nach erfolgreicher Aufnahme auf die Warteliste beträgt die durchschnittliche Wartezeit in Deutschland etwa acht bis zehn Monate. Je nach Gesundheitszustand warten Betroffene zu Hause oder in der Klinik. Dabei kann sich der Zustand der gelisteten Personen verändern. Dazu teilt Eurotransplant die Wartenden in verschiedene Dringlichkeitsstufen ein:

  • HU (High Urgency): höchste Priorität
  • T (transplantabel): transplantierbar
  • NT (nicht transplantabel): Transplantation aktuell nicht möglich
  • ACO: kombinierte Herz-Lungen-Transplantation

Unter NT fallen Patientinnen und Patienten vor allem dann, wenn sich ihr Zustand während des Wartens stark verschlechtert.

Kriterien für eine faire und passende Vergabe
Eurotransplant sucht kontinuierlich nach passenden Spenderherzen für gelistete Personen. Die Zuteilung eines Spenderorgans nennt sich Allokation und erfolgt nach einem komplexen Verfahren, das mehrere Kriterien berücksichtigt. Neben der Dringlichkeitsstufe spielen auch Wartezeit, Alter (Kinder werden bevorzugt), Körpergröße, Blutgruppenverträglichkeit sowie immunologische Faktoren eine Rolle. Letztere betreffen die individuelle Ausprägung der sogenannten MHC-Moleküle (Major Histocompatibility Complex = Hauptgewebeverträglichkeitskomplex), die das Risiko einer Organabstoßung beeinflussen. Diese sind bei jedem Menschen individuell und sitzen auf dem körpereigenen Gewebe, weshalb die Immunzellen auf fremde MHC-Moleküle mit Entzündungen und Abstoßung reagieren. Das Behandlungsteam in der jeweiligen Klinik bestimmt mithilfe von speziellen Antikörpern, wie wahrscheinlich diese Abstoßungsreaktion stattfindet. Zusätzlich sorgt eine sogenannte Länderbilanz dafür, dass jedes, an Eurotransplant beteiligte, Land eine faire Anzahl an Spenderorganen erhält.

Ist ein passendes Herz gefunden, erfolgt die Operation. Dabei übernimmt eine Herz-Lungen-Maschine die Aufgabe des Kreislaufs, während das kranke Herz entfernt und das Spenderorgan eingesetzt wird. Idealerweise fängt das neue Organ von selbst an zu schlagen, andernfalls helfen Herzchirurginnen und -chirurgen mit elektrischen Impulsen nach. Nach dem Eingriff folgt ein zwei- bis vierwöchiger Aufenthalt auf der Intensivstation. Anschließend beginnt die lebenslange Einnahme von Immunzellen unterdrückenden Medikamenten (Immunsuppressiva), um eine Abstoßung des Organs zu verhindern.

Kunstherzen zur Überbrückung der Wartezeit
Nicht bei allen gelisteten Personen kann rechtzeitig ein geeignetes Spenderorgan gefunden werden. Etwa die Hälfte erlebt während der Wartezeit eine gesundheitliche Verschlechterung, die eine Transplantation unmöglich macht. Um dies zu vermeiden, setzen Herzchirurgie und Kardiologie sogenannte Kunstherzen ein. Medizinisch handelt es sich dabei um Herzunterstützungssysteme (VAD), welche das betroffene Herz auf unterschiedliche Art und Weise unterstützen. Diese Systeme ersetzen die Herzfunktion nicht vollständig, stabilisieren jedoch das geschwächte Organ.

„Kunstherzen sind kein dauerhafter Ersatz für das körpereigene Herz, verbessern aber die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten während der Wartezeit erheblich. Die Implantation erfolgt unter ähnlichen Bedingungen wie bei einer Herztransplantation, jedoch ohne Entfernung des eigenen Organs“, so Univ.-Prof. Dr. med. Ajay Moza, Klinikdirektor der Klinik für Herzchirurgie an der Uniklinik RWTH Aachen, über die Methode und führt weiterhin aus: „Wird ein VAD zur Überbrückung bis zur Transplantation eingesetzt, spricht man von einer ‚bridge-to-transplant‘. In vereinzelten Fällen verbessert sich die Herzfunktion durch das Unterstützungssystem so deutlich, dass eine Transplantation nicht mehr nötig ist. Dieses Vorgehen wird als ‚bridge-to-recovery‘ bezeichnet. In solchen Fällen können Patientinnen und Patienten auch ohne Spender- oder Kunstherz weiterleben.“

Alle Unterstützungssysteme benötigen Strom aus einer Antriebseinheit, welcher durch ein Kabel das durch die Bauchdecke verläuft, das VAD erreicht. Dadurch ergeben sich im Alltag mit einem Kunstherz einige Einschränkungen. Es gibt zudem bislang noch keine belastbaren Zahlen zum Vorteil eines dauerhaften VAD-Einsatzes gegenüber einem Spenderherz.

Komplettes künstliches Herz (Total artificial heart)

  • Voraussetzung für einen Einsatz ist akutes Versagen beider Herzkammern und keine Möglichkeit zur Transplantation, etwa durch eine hohe Abstoßungswahrscheinlichkeit, sowie akute Lebensgefahr.
  • Körpereigenes Herz wird entfernt und durch das künstliche System ersetzt, welches die komplette Herzfunktion übernimmt.
  • Benötigt eine größere externe Antriebseinheit als ein VAD, die mit größeren Mobilitätseinschränkungen verbunden ist.
  • Verlust des HU-Status der Dringlichkeitsstufen durch Implantation.
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